# taz.de -- Katja Kipping über Rot-Rot-Grün: „Es gibt eine Alternative zu Merkel“
       
       > Eine Große Koalition muss nicht sein: Genau das will Linkspartei-Chefin
       > Katja Kipping mit ihrem Gesetzesvorstoß für einen Mindestlohn der SPD
       > signalisieren.
       
 (IMG) Bild: Katja Kipping: „Die SPD muss wieder sozialdemokratisch werden, damit Rot-Rot-Grün möglich wird.“
       
       taz: Frau Kipping, Sie wollen ein Mindestlohngesetz im Bundestag zur
       Abstimmung stellen – und damit SPD und Grüne provozieren. Ist der Wahlkampf
       noch nicht vorbei? 
       
       Katja Kipping: Doch. Und das Ergebnis lautet: 319 zu 311 im Bundestag für
       einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn. Den kann Rot-Grün mit uns
       verabschieden.
       
       Das ist doch ein Trick: Wenn SPD oder Grüne mit der Union über ein
       Regierungsprogramm verhandeln, können sie doch nicht gleichzeitig im
       Parlament solche Fakten schaffen. Würde Rot-Rot-Grün verhandeln, wären Sie
       auch nicht amüsiert, wenn die SPD währenddessen mit der Union schon mal
       Gesetze macht. 
       
       Also, wir haben eine besondere Situation, die besondere Maßnahmen
       erfordert. In Hessen wurden so die Studiengebühren abgeschafft. Weder SPD
       noch Grüne sind glücklich über die Aussicht, mit Merkel zu regieren. Die
       Regierungsbildung wird sich hinziehen. Die Fraktionen haben Zeit. Sie
       können warten, bis es eine neue Regierung gibt. 1,5 Millionen Menschen, die
       für Stundenlöhne unter fünf Euro arbeiten, haben nicht so viel Zeit.
       
       Der Grüne Christian Ströbele, der Rot-Rot-Grün will, bezeichnet ihren
       Vorschlag als unseriöse „Spielerei“. Nehmen Sie diese Kritik ernst? 
       
       Nein. SPD und Grüne finden dauernd neue Ausreden, um nicht mit uns
       zusammenzuarbeiten. Wir wollen einen Politikwechsel mit einer linken
       Regierung. Da heißt es, wir seien wegen unserer Außenpolitik nicht
       koalitionsfähig. Jetzt sagen wir: Gut, jenseits einer Regierung können wir
       doch anklingen lassen, was Rot-Rot-Grün tun könnte. Es gibt ja eine
       Mehrheit im Bundestag für soziale Veränderungen. Schade, wenn SPD und Grüne
       auch dazu nicht in der Lage sind.
       
       Was ist nötig, damit Rot-Rot-Grün wenigstens für die Zukunft möglich wird? 
       
       Das setzt voraus, dass sich zwischen SPD, Grünen und uns mehr Vertrauen
       bildet. Man braucht Kontakte. Das muss nicht unbedingt in der ersten Reihe
       passieren. Ein Ort ist das Institut Solidarische Moderne, ISM, wo wir
       debattieren, wie zum Beispiel eine rot-rot-grüne Bildungspolitik,
       Energiewende oder Europapolitik aussieht.
       
       Gibt es Sozialdemokraten, denen Sie vertrauen? 
       
       Ja, aber die werde ich nicht aufzählen. Dann heißt es, dass ich den anderen
       misstraue.
       
       Vertrauen Sie vielen Sozialdemokraten? 
       
       Es gibt einige. Hannelore Kraft hat in NRW 2010 eine „Regierung der
       Einladung“ gebildet. Falls bei der SPD der Mut für Rot-Rot-Grün jetzt nicht
       ausreicht, sollten wir uns jetzt als Opposition der Einladung aufstellen.
       Das heißt im Moment, der SPD zu signalisieren: Es gibt eine Alternative zum
       Gang in die Große Koalition. Und als führende Oppositionspartei werden wir
       immer wieder neu Brücken bauen für all diejenigen, die im Herzen einen
       sozialen und friedlichen Politikwechsel wollen. Wir werden machbare soziale
       Alternativen aufzeigen.
       
       Gibt es Sozialdemokraten, die Ihnen vertrauen? 
       
       Das müssen Sie die fragen.
       
       Ist die SPD noch immer der Hauptgegner der Linkspartei? 
       
       Nein. Bernd Riexinger und ich haben zum Beispiel eine kritische Bilanz von
       acht Jahren Angela Merkel vorgelegt. Das bedeutet nicht, dass wir den Kampf
       gegen die Agendapolitik, gegen Hartz IV und die Diffamierung der
       Erwerbslosen aufgeben. Und diese Kritik hat Früchte getragen, auch in der
       SPD. Die SPD muss wieder sozialdemokratisch werden, damit Rot-Rot-Grün
       möglich wird.
       
       Glauben Sie wirklich, dass Deutschland demnächst rot-rot-grün regiert wird? 
       
       Das ist schwierig zu beurteilen, weil SPD und Grüne derzeit in einer
       Selbstfindungsphase sind. Sogar die Strategen bei SPD und Grünen wissen ja
       nicht, wo es hingeht. Aber natürlich ist die Große Koalition
       wahrscheinlicher, auch Schwarz-Grün.
       
       Also glauben Sie nicht an Rot-Rot-Grün? 
       
       Ich halte es nicht für ausgeschlossen. In Umfragen ist die Akzeptanz von
       Rot-Rot-Grün von 14 auf 24 Prozent gestiegen, weil wir deutlich gemacht
       haben: Rot-Rot-Grün, das sind nicht nur ein paar neue Minister. Das ist:
       Mindestlohn, Rente, die vor Altersarmut schützt, Abschaffung des
       Hartz-IV-Sanktionssystems und Millionärssteuer. Man muss immer wieder
       zeigen: Es gibt eine Alternative zu Merkel.
       
       26 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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