# taz.de -- US-Journalistin Priest über Abhöraffäre: „Obama unterstützt den NSA-Ausbau“
       
       > Dana Priest recherchiert seit Jahren für die „Washington Post“ über
       > US-Geheimdienste. Trotz der Snowden-Enthüllungen hat sie Vertrauen in die
       > US-Behörden.
       
 (IMG) Bild: „Die Dienste funktionieren so, wie sie funktionieren sollen.“
       
       taz: Frau Priest, Sie haben die Existenz von Geheimgefängnissen und
       geheimen internationalen Antiterrorzentralen enthüllt. 2011 erschien Ihr
       Buch „Top Secret America“ – das Tausende geheimer Einrichtungen in den USA
       beleuchtet. Da sind Sie doch bestimmt auch mal in das Raster der NSA
       geraten. 
       
       Dana Priest: Als Snowden seine Enthüllungen begann, haben vor allem jüngere
       Leute gesagt, sie hätten vermutet, dass ihre E-Mails mitgelesen werden. Ich
       dagegen nicht. Ich weiß, dass das in den Vereinigten Staaten nur das FBI
       tun kann. Sie lachen?
       
       Weil ich vermuten würde, dass gerade eine Journalistin, die über die
       Dienste arbeitet, für die Dienste besonders interessant ist. 
       
       Ich glaube nicht, dass ich ein Ziel bin. Und ich glaube auch nicht, dass
       andere Journalisten, die über die nationale Sicherheit schreiben, Ziele der
       NSA sind. Die NSA arbeitet im Ausland. Selbst die Leute in den USA, von
       denen wir inzwischen wissen, dass die NSA ihre Metadaten abgeschöpft hat,
       sind da meist entweder irrtümlich gelandet oder weil sie in Verbindung zu
       einem ausländischen Fall stehen.
       
       Sie scheinen also davon auszugehen, dass die Geheimdienste sich an die
       Regeln halten. 
       
       Die Dienste funktionieren so, wie sie funktionieren sollen. Nichts deutet
       darauf hin, dass die NSA im Alleingang tätig ist. Wir wissen aus Dokumenten
       und aus Interviews, dass die Dinge, die die Geheimdienste tun, von ganz
       oben genehmigt werden.
       
       Wer sind diese Institutionen, die von oben auf die Geheimdienste schauen? 
       
       Das ist die nationale Sicherheitselite, angeführt vom Weißen Haus: der
       nationale Sicherheitsrat, der Direktor der nationalen Nachrichtendienste
       und der Kongress. Manchmal auch die Spitzen von Justizministerium oder
       Außenministerium. Sie werden nach ihrer rechtlichen Einschätzung gefragt.
       Alle haben Anwälte, die prüfen, was okay für die NSA ist.
       
       Bevor Anwälte prüfen können, ob etwas gesetzeskonform ist, müssen sie
       wissen, was überhaupt getan wird. In den vergangenen Tagen haben wir aber
       gehört, dass selbst der US-Präsident von gewissen Abhörgeschichten der NSA
       – etwa bei Frau Merkels Handy – erstaunt zu sein scheint. 
       
       Es könnte stimmen, dass nicht alle Details auf der höchsten Ebene
       besprochen werden. Aber das bedeutet nicht, dass die NSA allein
       entscheidet, das Telefon von Angela Merkel abzuhören. Ein solches Programm
       wird vorher mit Verantwortlichen im Weißen Haus und in anderen Behörden
       besprochen. Und sie stimmen zu. Regierende werden seit jeher abgehört. Wie
       soll man sonst herausfinden, woran ein Land interessiert ist?
       
       Mit Gesprächen. 
       
       Das ist ein Weg, aber nie der einzige. Mich überrascht, dass wir so weit
       gehen, Angela Merkels Handy anzuzapfen. Aber wir haben gewiss andere
       Spionagemethoden benutzt, um sicherzustellen, dass die alliierten
       Regierenden uns die ganze Wahrheit sagen. Das können Spione in den
       Regierungen sein. Es kann bei internationalen Foren geschehen. Es ist
       bekannt, dass wir bei der UN spionieren. In den UN-Gebäuden sind Wanzen.
       
       Sie beschreiben das so nüchtern, als sähen Sie da gar kein Problem. 
       
       Ich sage nicht, dass das gut ist. Ich sage nur, dass es so ist. Alle Länder
       spionieren sich gegenseitig aus. Hauptsächlich, vermute ich, aber da könnte
       ich mich täuschen, bei internationalen Verhandlungen. Wir wollen wissen,
       was Deutschland wirklich von gewissen Verträgen erwartet, über die bei der
       UN verhandelt wird. Wir glauben weder, dass wir eine vollständige Antwort
       von Deutschland erhalten, noch, dass Deutschland nicht unbedingt all unsere
       Interessen teilt.
       
       Sie benutzen die erste Person Plural: Wir. 
       
       Das liegt daran, dass ich oft mit Informanten aus diesen Kreisen rede. Da
       ist das hilfreich.
       
       Bei so vielen Beteiligten in Washington und bei insgesamt 1,4 Millionen
       Geheimnisträgern mit demselben Zugang wie Edward Snowden, ist es
       überraschend, dass er der einzige ist, der mit seinen Informationen an die
       Öffentlichkeit geht. 
       
       Dass es nur so selten passiert, liegt daran, dass der Preis an die
       Öffentlichkeit zu gehen, extrem hoch ist. Sehen Sie, was Snowden passiert.
       Und er ist sehr clever vorgegangen. Andere Informanten aus der NSA sind vor
       ihm ruiniert worden.
       
       Wie erklären Sie, dass die wichtigsten Enthüllungen von Snowden nicht in
       den großen Zeitungen der USA erschienen sind? 
       
       Ich hoffe nicht, dass die US-Medien zu zaghaft sind, das zu
       veröffentlichen, sondern, dass es daran liegt, dass Snowden seine Dokumente
       sehr vorsichtig vergeben hat. Er hat mit einer kleinen Gruppe von Leuten
       gearbeitet. Bis zu einem gewissen Grad auch mit der Washington Post.
       
       Obama unterscheidet sich in Geheimdienstfragen kaum von Bush. Wie kommt
       das? 
       
       Die Leute, die auf „Change“, auf den Wechsel, gewartet haben, sind einer
       Wahlkampfrethorik gefolgt. Obama unterstützt den Ausbau von NSA und CIA
       sehr. Er hat auch die weltweit mit anderen Ländern betriebenen Counter
       Terrorism Intelligence Centers fortgeführt, die Bush eingeführt hat, und
       deren Existenz ich enthüllt hatte.
       
       Bedeutet das, dass Geheimdienst und Militär in den USA so stark sind, dass
       ein Präsident nicht viel an ihnen ändern kann? 
       
       Nein. Der Präsident hat alle Macht. Er könnte jedes einzelne dieser
       Programm stoppen. Die CIA etwa arbeitet für den Präsidenten. So steht es im
       Gesetz. Es ist die Waffe des Präsidenten.
       
       Also will der Präsident keine Veränderung? 
       
       Dieser Präsident nicht. Da war Bill Clinton anders. Er war nicht besonders
       an der CIA interessiert. Er bekam keine regelmäßigen Briefings. Er holte
       den CIA-Direktor nicht in alle Kabinettssitzungen. Und er kürzte den
       Haushalt. Es interessierte ihn nicht. Obama ist das Gegenteil.
       
       Clinton regierte vor den Anschlägen von 9/11. 
       
       Natürlich, die Welt ist heute eine andere.
       
       In Europa gibt es Leute, die glauben, die Snowden-Enthüllungen könnten die
       US-Geheimdienstarbeit verändern. Eine berechtigte Hoffnung? 
       
       Die Frage ist, ob es politisch zu teuer wird. Wenn Merkel ein
       Spionageabkommen verlangt, könnte Obama zustimmen. Und die Behörden
       stoppen. Ob solche eine Entscheidung über seine Amtszeit hinausreichen
       würde, weiß ich nicht. Die Amerikaner brauchen die Deutschen, um etwa in
       der Terrorismusbekämpfung zusammenzuarbeiten.
       
       Verändert sich gerade das Bild von Snowden in der US-Öffentlichkeit? 
       
       Als er mit seinen Enthüllungen begann, haben ihn viele TV-Kommentatoren
       kritisiert. Sie nannten ihn narzisstisch. Und sagten, seine Informationen
       gefährdeten die nationale Sicherheit. Inzwischen haben sich einige dieser
       Journalisten öffentlich entschuldigt. Seine Informationen sind wirklich
       interessant. Sie sollten unser Denken über die Geheimdienste verändern.
       
       Sie können den persönlichen Druck erahnen, dem er ausgesetzt ist. Unter
       Präsident Bush hat das Weiße Haus versucht, die Veröffentlichung Ihrer
       Geschichte über Geheimgefängnisse zu verhindern. Wie fühlt es sich an, wenn
       alle gegen einen sind? 
       
       Meine Redakteure unterstützen mich immer sehr. Sie wissen, wie wichtig es
       ist, dass die Zeitung die Storys veröffentlicht. Das macht einen
       riesengroßen Unterschied. Aber ich habe viele Anrufe mit Todesdrohungen
       bekommen. Und schreckliche E-Mails. Das fühlt sich sehr einsam an. Und
       führt zu der Frage: Habe ich das Richtige getan? In solchen Momenten, sind
       Kollegen, die mich unterstützen, besonders wichtig.
       
       Hatten Sie Angst? 
       
       Nicht vor der Regierung. Aber vor Leuten, die mich in E-Mails als
       Verräterin beschimpften. Wir haben keinen Beleg dafür, dass die Regierung
       Journalisten Böses will.
       
       Der Druck auf die NSA wächst. Könnte dieser Skandal sie ihre Existenz
       kosten? 
       
       Nein. Aber manche Programme könnten beendet werden. Und vielleicht muss sie
       künftig den Kongress sorgfältiger informieren. Die Kongressabgeordneten
       wissen mehr, als sie öffentlich zugeben. Wie bei der Folter.
       
       Das heißt? 
       
       Auch da wurden letztlich die Ausschüsse informiert. Die Sprecherin Nancy
       Pelosi hat gelogen, als sie sagte, sie habe das nicht gewusst. Sie war
       gebrieft worden. Meine Recherchen haben gezeigt, dass kein Kongressmitglied
       ernsthaft hinterfragt hat, was die Dienste taten. Nach 9/11 verlangten die
       Abgeordneten immer mehr Kontrolle. Keiner hätte es gewagt, der CIA einen
       Wunsch auszuschlagen.
       
       2 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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