# taz.de -- Wirtschaftslobby mit Phantomschmerzen: Sehnsucht nach der FDP
       
       > Arbeitgeberlobby und Wirtschaftsflügel der Union fürchten, dass der
       > Koalitionsvertrag die Agenda 2010 zurückdreht: „Strangulierung des
       > Arbeitsmarkts“.
       
 (IMG) Bild: Er hätte wohl kaum etwas gegen einen Mindestlohn einzuwenden: Fensterputzer am Berliner Reichstag
       
       BERLIN taz | Manche SPD-Verhandler wundern sich noch immer. Während die SPD
       mit einem ordentlichem 10-Punkte-Programm in die Koalitionsverhandlungen
       einstieg, bleibt vage, was die Union eigentlich an eigenen, positiven
       Zielen verfolgt. „Die wollen nur verhindern“, so die Einschätzung eines
       Genossen.
       
       Das Mantra der Union lautet: Am besten bleibt alles, wie es ist. Der
       Wirtschaftsflügel hat zwar kürzlich eine Abmilderung der kalten Progression
       (Kosten: etwa 4 Milliarden Euro pro Jahr) und bessere
       Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen gefordert.
       
       Doch das ist eine zahnlose Forderung: Es fehlt jede Gegenfinanzierung. Denn
       ein Verzicht auf Steuererhöhungen und Schuldenabbau sind gerade für den
       Wirtschaftsflügel sakrosankt. Bei den Finanzen ist die Union bei den
       Verhandlungen bislang nur Verhinderungs-, keine Gestaltungsmacht.
       
       Beim Wirtschaftsflügel ist der Verdruss über die Koalitionsverhandlungen
       groß. Kurt Lauk, Chef des CDU-Wirtschaftsrats, wetterte, dass da „der linke
       Flügel der CDU mit der SPD verhandelt“ und Unheilvolles wie Rentenerhöhung,
       Mindestlohn und Frauenquote durchwinke. Lauks Schlussfolgerung: Vielleicht
       seien „Neuwahlen besser als schlechte Koalitionsverhandlungen“.
       
       Ähnlich ernüchtert ist auch Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der
       Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), eine von der
       Metallindustrie bezahlte Lobbyorganisation. Die INSM soll gut Wetter machen
       für Steuersenkungen und flexible Arbeitsmärkte. Diese Große Koalition,
       findet Pellengahr, „verheißt nichts Gutes“. Mit Mindestlohn und Regulierung
       bei Zeit- und Leiharbeit „droht eine Strangulierung des Arbeitsmarkts“.
       
       ## Vielleicht geht der Koalition ja das Geld aus
       
       Arg sieht es aus Unternehmersicht auch bei der Rente aus: „Die Rentenpläne
       von SPD und Union werden mehr kosten, als die Rente mit 67 gebracht hat“,
       so Pellengahr zur taz. Die letzte Hoffnung aus Sicht der Arbeitgeberlobby
       ist demnach wohl, dass der Merkel-Gabriel-Regierung das Geld ausgeht. Die
       von der Union favorisierte Mütterrente, die zwischen 6 und 12 Milliarden
       Euro im Jahr kosten würde, werde wohl „am Finanzierungsvorbehalt
       scheitern“, sagt Pellengahr voraus.
       
       Trotzdem rechnet die wirtschaftsliberale Lobbyorganisation, aufs Ganze
       gesehen, mit dem Schlimmsten. „Wenn der Koalitionsvertrag so wird, wie er
       sich abzeichnet, dann wird die Agenda 2010 zurückgedreht“, so Pellengahr.
       Denn bei Verhandlungen würden „starke marktwirtschaftliche Stimmen fehlen“.
       Will sagen: Im Arbeitgeberlager sehnt man sich nach einer Partei, die sonst
       kaum jemand vermisst, nach der FDP.
       
       Auch wenn man in Rechnung stellt, dass bei Unternehmerorganisationen
       Rhetorik zum Geschäft gehört und das Motto „Lerne klagen ohne zu leiden“
       nicht unbekannt ist: Der routinierte Durchgriff auf
       Regierungsentscheidungen ist schwieriger geworden. Der lahmende
       Wirtschaftsflügel der Union tut sich ohne die gewohnte Arbeitsteilung mit
       der FDP schwer.
       
       Christian von Stetten ist Chef des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) der
       CDU/CSU-Fraktion und anders als sein Parteifreund Lauk an dem
       Koalitionsdeal beteiligt. Er klingt entsprechend realpolitischer, von
       Neuwahlen will er nichts wissen. „Wir befinden uns in einer
       Abwehrschlacht“, so von Stetten, seines Zeichens Unternehmer im
       Schwäbischen.
       
       Von Stetten ist gerade dabei, die roten Linien zu markieren, die der
       Wirtschaftsflügel Kanzlerin Angela Merkel für die Entscheidungsrunde mit
       Sigmar Gabriel mitgeben will. „Ein Mindestlohn überall von 8,50 Euro, ohne
       Ausnahmen bei Regionen oder Gruppen wie Jugendlichen oder ohne zeitliche
       Staffelung, den wird es mit uns nicht geben“, so von Stetten zur taz.
       Klingt ganz schön entschlossen. Aber mit dem doppelten „oder“ eben auch
       ziemlich flexibel.
       
       25 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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