# taz.de -- Klimaschutzpläne der großen Koalition: Sommer, Sonne, Grönland
       
       > CDU und SPD warnen vor der Erderwärmung und haben große Klimaschutzpläne.
       > Aber mit den von ihnen ergriffenen Maßnahmen wird das nichts.
       
 (IMG) Bild: Experten vor Ort: Angela Merkel und der damalige Umweltminister Sigmar Gabriel 2007 in Grönland
       
       BERLIN taz | Die Aussage auf Seite 50 des [1][Koalitionsvertrags] ist
       deutlich: „National wollen wir die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um
       mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand 1990 reduzieren.“ Die Aussagen
       führender Experten zu dem Thema sind aber ebenso deutlich: Mit diesem
       Vertrag ist das nicht zu schaffen.
       
       Treibhausgase wie CO2 und Methan gelten als Hauptverursacher der
       Erderwärmung. Um diese zu stoppen, wird auf allen weltweiten
       Klimakonferenzen hart darum gerungen, den Ausstoß radikal zu reduzieren.
       Deutschland präsentiert sich dabei gern als Musterknabe. Doch mit dem
       Koalitionsvertrag von Union und SPD verfehlt es deutlich sein Klassenziel.
       Die wichtigsten Maßnahmen für dieses Ziel bleiben unscharf und sind nicht
       finanziert. Ohne neue Anstrengungen schafft Deutschland bis 2020 nur eine
       Reduktion von etwa 34 Prozent.
       
       „40 Prozent sind mit diesen Maßnahmen aussichtslos“, meint Claudia Kemfert,
       Leiterin der Energieabteilung des Deutschen Instituts für
       Wirtschaftsforschung (DIW). „Es wird sehr, sehr schwierig, vor dem
       Hintergrund der Situation beim Emissionshandel bis 2020 auch nur einen
       Zielkorridor von 35 bis 45 Prozent zu schaffen“, sagt Frank Peter,
       Energieexperte der Unternehmensberatung Prognos. Und Felix Matthes,
       Spezialist für Energie- und Klimapolitik beim Öko-Institut, urteilt: „Die
       für 40 Prozent nötigen Maßnahmen finden sich nicht in diesem
       Koalitionsvertrag“.
       
       Deutschland landet nach den übereinstimmenden Schätzungen vieler Experten 6
       bis 8 Prozentpunkte unter seinen Versprechungen – das bedeutet etwa 100
       Millionen Tonnen Treibhausgase mehr als das versprochene Limit – pro Jahr.
       Selbst eine Reduktion um 31 bis 33 Prozent liege zwar „erheblich über dem
       EU-Durchschnitt“, schreibt der Klimaexperte der Stiftung Wissenschaft und
       Politik, Oliver Geden, „zugleich aber auch signifikant unter der deutschen
       40-Prozent-Zielmarke, einem der zentralen Eckpfeiler des
       Energiewende-Konzepts“.
       
       ## „Zusätzliche Maßnahmen“
       
       Die Trends beschrieb im Frühjahr 2013 das umfassende Gutachten
       „Politikszenarien für den Klimaschutz VI“, das im Auftrag des
       Umweltbundesamts regelmäßig von Öko-Institut, DIW und dem
       Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung erstellt wird.
       
       Danach sind die 40 Prozent nur eine notwendige Etappe auf dem Weg zum
       langfristigen Ziel: Reduzierung um 85 Prozent bis 2050. Deutschland könne
       bei einem „Energiewende-Szenario“ mit „zusätzlichen Maßnahmen“ bis 2020
       „eine Emissionsminderung von knapp 42 Prozent“ erreichen – ziemlich exakt
       das erklärte deutsche Klimaziel.
       
       Dafür seien aber eine striktere Umsetzung der Wärmedämmung von Gebäuden,
       eine strukturelle Korrektur des EU-Emissionshandels, zusätzliche
       Effizienzmaßnahmen in Haushalten und im Verkehr und verstärkten Ausbau der
       erneuerbaren Energien nötig.
       
       All diese Maßnahmen sind im Koalitionsvertrag nur unverbindlich erwähnt.
       Von einer strukturellen Reform des Emissionshandels etwa, der wichtigsten
       Maßnahme, steht nichts in dem Papier. Das gerade von Bundesregierung und
       Europaparlament beschlossene backloading, mit dem Zertifikate erst 2019 auf
       den Markt kommen werden, soll laut dem CDU/CSU/SPD-Papier ein „einmaliger
       Eingriff in das System“ bleiben.
       
       ## Zielgrößen und Aktionspläne
       
       Auch die anderen Ideen zur Klimaschutzverbesserung haben im Vertrag wenige
       Chancen: Statt eines bindenden Klimaschutzgesetzes ist nur ein
       „Klimaschutzplan“ vorgesehen; die Energieeffizienz soll durch einen
       „Nationalen Aktionsplan“, aber nicht mit festen Zielgrößen oder
       Finanzmitteln gefördert werden; die erleichterte steuerliche Abschreibung
       der Wärmedämmung wurde in der letzten Runde gestrichen; der Einsatz
       erneuerbarer Energien im Wärmebereich bleibt freiwillig; die
       Effizienzsteigerung von Autos hat Berlin in Brüssel gerade verwässert; und
       für den Ausbau der Erneuerbaren wurde die Bremse angezogen.
       
       Das Bundesumweltministerium nimmt zu der Frage, ob das Klimaziel zu
       erreichen sei, nicht explizit Stellung. „Aus heutiger Sicht“, heißt es auf
       eine Anfrage der taz, „ist davon auszugehen, dass eine künftige
       Bundesregierung diese Klimaziele übernimmt und fortschreibt.“ Es verweist
       auf einen „Monitoring-Prozess“, der „auf Dauer angelegt ist“.
       
       Für den Präsidenten des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, „kommt es
       darauf an, welche weiteren Maßnahmen eine neue Regierung formuliert, mit
       denen sich dieses Klimaziel erreichen lässt“.
       
       Die Hoffnung der Umweltpolitiker heißt: nachbessern. „Wir werden die 40
       Prozent schaffen, wenn wir den Koalitionsvertrag ambitioniert
       interpretieren“, sagt Andreas Jung, Umweltexperte der CDU-Fraktion. Wenn
       der Emissionshandel nicht wirksam sei, müsse man später auch über
       strukturelle Reformen reden. Und auch Frank Schwabe, klimapolitischer
       Sprecher der SPD-Fraktion, sagt: „Ohne zusätzliche Maßnahmen erreichen wir
       die 40 Prozent nicht. Außerdem brauchen wir einen verlässlichen
       Mechanismus, der bewertet, was dafür noch zu tun ist.“
       
       Über das Schicksal des deutschen Klimaziels werde entschieden, wenn „klar
       ist, was von diesen Vorstellungen im Koalitionsvertrag später mal zu einem
       Gesetz wird“, meint Frank Peter von Prognos. Er sieht allerdings „wenig
       Anzeichen, dass die Große Koalition dabei ambitionierter vorgeht als jetzt
       im Koalitionsvertrag.“
       
       11 Dec 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.spd.de/aktuelles/112760/20131127_koalitionsvertrag_uebersicht.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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