# taz.de -- CSU hetzt gegen Einwanderer: Stänkern wie ein Halbstarker
       
       > Die CSU versucht ihren Machtverlust mit Ressentiments gegen Migranten zu
       > kompensieren. Doch ihr Ton ist auch für bayerische Verhältnisse harsch.
       
 (IMG) Bild: Wie einer der kein Bier bekommt und Stunk macht: die CSU.
       
       MÜNCHEN taz | Der Mann, der im März für die CSU ins Münchner Rathaus
       einziehen will, startet mit einem Plädoyer für den SV Türkgücü ins
       Wahljahr. Der Landesligist spielt auf einem schäbigen Bolzplatz hinter dem
       Ostbahnhof, auf der Ersatzbank ist nur für vier Personen Platz, die meisten
       Einwechselspieler und der Ko-Trainer müssen stehen. Josef Schmid, der
       Oberbürgermeisterkandidat der CSU, hat am vergangenen Donnerstag einen
       Antrag in den Stadtrat eingebracht: Er fordert eine neue Bezirkssportanlage
       für den Münchner Osten und seine Türken.
       
       Durch seinen Einsatz für den Migrantenverein wirkt Josef Schmid dieser Tage
       wie ein Parteiquerulant. Seit Weihnachten haut die CSU-Spitze fast täglich
       neue Forderungen heraus: gegen die EU, gegen Rumänen, Bulgaren oder andere
       Ausländer. Die Töne klingen selbst für bayerische Verhältnisse ungewohnt
       harsch, und auch die Koalitionspartner in Berlin fragen sich, warum die CSU
       neuerdings solch einen Hardlinerkurs fährt.
       
       Den Startschuss gab die CSU Ende Dezember mit einem Strategiepapier gegen
       angebliche Sozialbetrüger aus Bulgarien und Rumänien. Das Motto: „Wer
       betrügt, der fliegt“– gerade so, als würde sich ein Armutsflüchtlingstreck
       vom Balkan bis zum Jobcenter Freilassing stauen, sobald für die
       Südosteuropäer die volle Freizügigkeit gilt.
       
       Einen Tag später kritisierte die CSU die Macht der Europäischen Union. „Wir
       brauchen eine Entzugstherapie für Kommissare im Regulierungsrausch“, heißt
       in einem Forderungskatalog, den die Bundestagsabgeordneten der CSU kommende
       Woche auf ihrer Klausurtagung beschließen wollen. Kurz vor Silvester
       forderten die Christsozialen dann härtere Maßnahmen gegen Prostituierte
       sowie ein Prostitutionsverbot für Frauen unter 21 Jahren.
       
       ## Schulobstprogramm statt Schengen-Politik
       
       Bis vor Kurzem war für solche Positionen vor allem Hans-Peter Friedrich
       zuständig. Noch Anfang Dezember 2013 verhinderte er durch ein Veto bei der
       EU, dass Bulgarien und Rumänien dem Schengenraum beitreten dürfen. Das war
       eine seiner letzten Amtshandlungen als Bundesinnenminister.
       
       Mittlerweile sitzt Friedrich im Landwirtschaftsministerium und kümmert sich
       dort um Schulobstprogramme. In der neuen Bundesregierung bekam die CSU
       trotz guter Wahlergebnisse keinen wichtigen Posten. In Berlin hat die
       Partei an Macht verloren, und das versucht sie nun zu kompensieren.
       
       Es läuft ein wenig wie bei einem Halbstarken, der im Supermarkt kein Bier
       bekommt und Stunk macht. Sein Bier bekommt er dadurch auch nicht, das ist
       ihm klar. Aber jeder soll sehen: Von der Kassiererin lässt er sich nicht
       alles gefallen – er ist schließlich wer. Auch der CSU ist klar, das sie
       kaum eine ihrer neuen Forderungen durchsetzen wird.
       
       Dass Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) den Koalitionspartner nun
       scharf kritisiert, dass das Arbeitsministerium die Mär von der
       Armutszuwanderung mit Zahlen widerlegt und dass sogar aus der CDU Gegenwind
       kommt, dürfte CSU-Chef Horst Seehofer und seine Leute weder überraschen
       noch sonderlich stören. Es geht schließlich um etwas anderes: um das
       Selbstverständnis ihrer Partei.
       
       ## Keine Landwirtschaftsministerpartei
       
       Dessen erste Säule besagt, dass die CSU keine dahergelaufene
       Landwirtschaftsministerpartei ist, sondern eine mächtige Regierungspartei.
       Als solche muss sie sich ab und zu Gehör verschaffen. Das ist der CSU in
       den vergangenen zwei Wochen zweifellos gelungen.
       
       Franz Josef Strauß formulierte in den 1980er Jahren die zweite Säule.
       Rechts von der CSU dürfe sich keine demokratisch legitimierte Partei
       etablieren, sagte der damalige Ministerpräsident mit Blick auf die neu
       gegründeten Republikaner, die den Christsozialen Stimmen abluchsten. Die
       CSU ist heute liberaler als unter Strauß. Sein Zitat wirkt trotzdem nach.
       
       Vor allem weil mit der AfD wieder eine Partei aufgetaucht ist, die sich
       rechts von der CSU breitmachen will. Bei der Bundestagswahl kostete sie die
       CSU verhältnismäßig wenige Stimmen, weil potenzielle Protestwähler einen
       Sozi als Kanzler fürchteten und deshalb doch für die Union stimmten. Bei
       der Europawahl fehlt dieser Bonus. Um die Konkurrenz klein zu halten,
       besetzt nun die CSU selbst europakritische Themen. Im November machte sie
       Peter Gauweiler zum Parteivize – den Mann, der vor dem
       Bundesverfassungsgericht gegen den Eurorettungsschirm klagte.
       
       ## Verkalkuliert sich die CSU?
       
       Zwei Monate vor der Europawahl stimmen die Bayern im März über neue
       Gemeinderäte und Bürgermeister ab. Bei den Kommunalwahlen 2008 fuhr die CSU
       ihr schlechtestes Ergebnis seit 1966 ein. Nun will sie die Rathäuser
       zurückholen, die sie vor sechs Jahren verlor, und setzt offensichtlich auch
       dabei auf Ressentiments gegen Migranten und die EU. Doch sie könnte sich
       verkalkulieren.
       
       Selbst im tiefsten Bayerischen Wald beschäftigen Unternehmer mittlerweile
       Fachkräfte aus dem Ausland, auch aus Bulgarien und Rumänien. Und in den
       Städten ziehen Hardlinerpositionen seit Langem nicht mehr. Schon 2008
       startete die Partei mit kernigen Sprüchen ins Wahljahr. Um Jugendgewalt
       ging es und um die Abschiebung ausländischer Straftäter.
       
       Josef Schmid, der ins Münchner Rathaus einziehen will und sich um
       deutschtürkische Ersatzspieler kümmert, trat schon 2008 für die CSU an.
       Parteikollegen drängten ihn damals zu einem provokanten Plakatmotiv: eine
       Prügelszene in der Münchner U-Bahn, aufgenommen von Überwachungskameras.
       „Damit Sie nicht der Nächste sind“, stand darunter. In der Öffentlichkeit
       kamen die Plakate schlecht an, Schmid ließ sie wenig später überkleben und
       bekam schließlich weniger als 25 Prozent der Stimmen.
       
       Dieses Mal setzt Josef Schmid nicht nur auf liberale Töne. Auf seinen
       ersten 4.000 Plakaten fehlt das Logo der CSU.
       
       3 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Schulze
       
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