# taz.de -- Bezahlmodelle für Online-Journalismus: Klicks als Sattmacher
       
       > Zeitungen, Verlage und Journalisten suchen digitale Finanzierungskonzepte
       > für guten Journalismus. Paywalls sind nicht die einzige Idee.
       
 (IMG) Bild: Ausruhen auf der Paywall is nich.
       
       Die Frage, wer künftig für welche Art von Journalismus wie bezahlen soll,
       treibt die großen Zeitungen und ihre digitalen Ausgaben um. „Wir sind als
       Gesellschaft gerade in einer sehr spannenden Phase, in der wir uns vermehrt
       fragen, welchen Journalismus wir wollen und brauchen - und wie viel wir
       bereit sind, hierfür zu zahlen“, sagt Wiebke Loosen,
       Medienwissenschaftlerin an der Universität Hamburg.
       
       Kleinere Online-Plattformen und freie Journalisten gehen wesentlich
       kreativer mit dem Problem um. Ihre zumeist ohnehin prekäre Lage fördert ein
       Denken, das über reine Bezahlschranken im Netz hinausgeht.
       
       So werden beispielsweise Crowdfunding-Plattformen wie [1][Krautreporter]
       immer beliebter. Hier können Journalisten Themen- und Projektvorschläge
       mitsamt Kostenkalkulation vorstellen und die Netz-Community um finanzielle
       Unterstützung bitten. „Ich halte das Modell grundsätzlich für gut geeignet,
       innovative journalistische Projekte oder auch klar abgrenzbare
       publizistische Vorhaben, die vielleicht nur für bestimmte gesellschaftliche
       Gruppen von Interesse sind, zu fördern“, sagt Jan-Hinrik Schmidt,
       Medienforscher der Universität Hamburg.
       
       Eines dieser „innovativen Projekte“ ist [2][De Correspondent]. Das
       niederländische Online-Magazin gab im vergangenen Jahr sein vielbeachtetes
       Debüt – dank Crowdfunding. Mit der Idee, tiefgehende und hintergründige
       Analysen und Geschichten abseits von Mainstream und Liveticker zu bieten,
       hatte die kleine Gruppe junger Redakteure in einer viralen Online-Kampagne
       um Spender gebeten. Auf den ersten Blick widersprach ihr Konzept jeder
       offiziellen Theorie, wie Journalismus online zu vermarkten wäre. De
       Correspondent sollte lang sein, nicht ganz billig und auf keinen Fall
       tagesaktuell.
       
       ## Mit der Crowd zum YouTube-Star
       
       Die benötigten 15.000 Abonnenten für den Start hatte De Correspondent nach
       nur einer Woche. Das Online-Magazin sammelte rund 1,3 Millionen Euro
       Startkapital, Crowdfunding-Rekord für ein Journalismusprojekt. Inzwischen
       hat sich die Abo-Zahl verdoppelt, das Magazin scheint sich längerfristig
       halten zu können.
       
       Mit einem spezialisierten Angebot für eine interessierte, treue
       Gemeinschaft versuchen es auch vermehrt deutschsprachige Journalisten, wie
       Georg Dahm und Denis Dilba. Sie wollen per Anschubfinanzierung der Crowd
       das [3][„erste digitale Wissenschaftsmagazin“] Deutschlands gründen. Oder
       wie Thilo Jung. Mit seiner einfach produzierten [4][Interview-Serie
       Jung&Naiv] rückt Jung erfolgreich Politikern auf die Pelle. Damit schaffte
       er es zu einer YouTube-Berühmtheit. Jetzt sammelt der „freie Chefredakteur“
       [5][Unterstützerspenden für eine große Reise zur Europawahl].
       
       „Die Abos sind das Crowdfunding des Biedermeiers“, sagt Hans Hütt, freier
       Autor und seit 2013 Redakteur von Jung&Naiv. Für Hütt ist die Finanzierung
       journalistischer Projekte durch Crowdfunding mit der Finanzierung durch
       Abonnements vergleichbar: Geld, das die Arbeit für eine gewisse Dauer
       garantiert. Abseits von großen Redaktion könnten Crowdfunding-Projekte
       freie Journalisten so „etwas unabhängiger“ machen und einen „anderen Blick
       auf Themenkonjunkturen“ ermöglichen, so Hütt. Wer „das Trommeln in eigener
       Sache“ allerdings nicht beherrsche, laufe Gefahr, kein oder nicht genügend
       Geld zu bekommen.
       
       Crowdfunding sei kein Modell für eine dauerhafte Finanzierung von
       Journalismus, sagt Medienforscher Schmidt. „Man würde sich dann ja streng
       genommen in Richtung einer „Dauerspende“ bewegen. Und dann ist man auch
       wieder bei Modellen wie Paywall oder aber Öffentlich-Rechtliche Gebühr.“
       Zudem sei der aktuelle Stellenwert von Crowdfunding-Projekten im
       Journalismus schwer zu beurteilen. Die Schwarmfinanzierung bleibt für
       Schmidt daher nur eines von verschiedenen Bezahlmodellen, an dieser
       Situation werde sich „auf absehbare Zeit“ auch nichts ändern.
       
       ## Das Risiko des Scheiterns
       
       Ob Paywall, Micropayment-Systeme, geringe Abgaben beispielsweise für
       einzelne Artikel, oder Crowdfunding: „Keines dieser Modelle wird sich als
       einzig dominierendes durchsetzen, und Journalisten, Netzwerke und Verlage
       werden weiterhin experimentieren, um das für die eigene Situation passende
       zu finden - mit dem Risiko des Scheiterns“, so Schmidt. Auch aus
       „demokratietheoretischen Überlegungen“ heraus hält der Medienforscher daher
       ein „modifiziertes Modell“ der öffentlich-rechtlichen Finanzierung für
       einen „ganz wesentlichen Baustein des Online-Journalismus der Zukunft“.
       
       In Deutschland haben derzeit [6][74 Zeitungen Paywalls] für ihr
       Online-Angebot eingerichtet, wie der Bund der Deutschen Zeitungsverleger
       ermittelte. Die große Mehrheit davon sind sogenannte „metered paywalls“
       oder „freemium“-Angebote, Konzepte also, bei denen eine bestimmte Anzahl an
       Artikeln oder ein bestimmtes Basisangebot frei zugänglich ist und für alles
       Weitere bezahlt werden muss. Der Erfolg dieser Varianten fällt bislang eher
       bescheiden aus. Wohl auch, weil die jeweilige Paywall in der Regel eine für
       alle ist. Unterschiede im Leseverhalten der Kunden werden meist nicht
       berücksichtigt.
       
       Die New York Times hingegen, für viele ambitionierte Blätter hierzulande
       das Vorbild in Sachen Onlinevermarktung, versucht bereits seit längerem mit
       verschiedenen Digitalpaketen den jeweiligen Bedürfnissen ihrer Kunden
       gerecht zu werden. Die Angebote variieren, je nach dem, ob jemand Vielleser
       von einer großen Anzahl an Texten, kurzer News-Leser oder Intensivleser von
       einer Handvoll ausgewählter Artikel ist. Mit einer [7][neuen App] will die
       Times außerdem mobile Nutzer besser erreichen.
       
       Überhaupt dreht sich viel um die Frage der Erreichbarkeit. Bei Focus online
       hat man die Bedeutung von mobiler Nutzung und Social Media erkannt. Die
       Nachrichtenseite bleibt werbefinanziert, versucht aber, das eigene Angebot
       verstärkt in den sozialen Netzwerken zu platzieren.
       
       ## Hauptsache Webtraffic
       
       Die Idee funktioniert. Focus.de verzeichnete im Januar-Ranking der
       Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung [8][knapp 12 Millionen Unique User].
       Bei der Nachrichtenseite betont man, wie wichtig es gewesen sei, alle
       Redaktionen – egal ob Print oder Online – an „einem Strang“ ziehen zu
       lassen, und nennt den neuen Geist im Haus „reine Digitalkultur“. Diese
       Kultur besteht jetzt besonders darin, viel Webtraffic auf die eigenen
       Seiten zu leiten, denn das bedeutet vor allem eines: Viel Geld mit Werbung.
       
       Von einer neuen „Digitalkultur“ sind viele deutsche Zeitungen noch weit
       entfernt. Die Verlage tun sich schwer mit den Veränderungen in der Branche.
       Hinzu kommen vielerorts nach wie vor ideologische Streitereien zwischen
       Print- und Online-Journalisten, wie zuletzt in der Debatte um den
       [9][„Hoodie-Journalismus“].
       
       Es ist ausgerechnet die dicke, unhandliche Wochenzeitung Die Zeit, die
       offenbar nicht vom kollektiven Zeitungssterben oder zumindest dem Jammern
       darüber betroffen ist. In Hamburg weist man in eine Richtung, in die es
       auch für viele Tageszeitungen bald gehen könnte. Weg von der täglichen
       Printausgabe, dafür aber eine große, eigenständig arbeitende
       Online-Redaktion mit verschiedenen Ressorts, die der Online-Community die
       Highlights der wöchentlichen Zeitung in leicht verdaulichen Häppchen
       anpreist. Das Konzept geht auf. Die Zeitung verzeichnet entgegen aller
       Trends Zuwächse bei den Käufern.
       
       17 Apr 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://krautreporter.de/
 (DIR) [2] http://decorrespondent.nl/en
 (DIR) [3] http://www.failbetter.biz/
 (DIR) [4] http://www.youtube.com/user/Nfes2005
 (DIR) [5] http://krautreporter.de/JungNaivEurope
 (DIR) [6] http://www.bdzv.de/zeitungen-online/information-multimed/artikel/detail/bitkom_jeder_vierte_zahlt_fuer_redaktionelle_inhalte_im_netz/
 (DIR) [7] http://www.spiegel.de/netzwelt/web/interview-new-york-times-ceo-mark-thompson-ueber-nyt-now-a-961736.html
 (DIR) [8] http://kress.de/tagesdienst/detail/beitrag/125543-focusde-zieht-erstmalig-an-spiegelde-vorbei-wir-wollen-die-nummer-eins-werden.html
 (DIR) [9] /Twitter-Solidaritaet-unter-Journalisten/!135403/
       
       ## AUTOREN
       
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