# taz.de -- Neues linkes Medium in Schweden: Von wegen Zeitungssterben
       
       > „Dagens ETC“ ist die erste Neugründung einer täglichen schwedischen
       > Zeitung seit über drei Jahrzehnten. Crowdfunding macht's möglich.
       
 (IMG) Bild: Rote Blätter für ein grüneres Schweden also.
       
       „Ein Selbstmordprojekt“, „Wahnsinn“ heißt es von Seiten der Konkurrenz.
       Absolut nicht, beteuert Johan Ehrenberg: „Dieses mechanische Wiederholen
       vom angeblichen Zeitungssterben ist ganz einfach Unsinn. Es gibt kein
       Zeitungssterben, es gibt nur ein Anzeigensterben.“ Und auf Anzeigen
       verlässt sich Schwedens neue Tageszeitung sowieso nicht.
       
       Sie erscheint nun seit über sechs Wochen, heißt Dagens ETC und ist die
       erste Neugründung einer täglich erscheinenden Printzeitung in Schweden seit
       mehr als drei Jahrzehnten. „Eine rote Tageszeitung für ein grüneres
       Schweden“, verkündet der Untertitel und sie ist die einzige
       linksunabhängige Tageszeitung des Landes.
       
       Die Macher sind keine Anfänger auf dem Medienmarkt. Der Herausgeber Johan
       Ehrenberg hatte 1978 eine Wochenzeitung gestartet, die zuletzt als ETC
       erschien und jetzt als eine Art Wochenendausgabe der von Montag bis Freitag
       erscheinenden Dagens ETC weiterlebt. Das für den Start der Tageszeitung
       notwendige Kapital – umgerechnet rund 800.000 Euro – wurde über
       Crowdfunding gesammelt.
       
       Dieses Polster soll zusammen mit den laufenden Einnahmen – Abonnementspreis
       20 Euro pro Monat – die Herausgabe bis zum Jahresende finanzieren. Danach
       hat man Anspruch auf jährlich rund eine Million Euro aus dem Fonds der
       staatlichen Presseförderung. Damit will man dann auch das Startkapital nach
       und nach zurückzahlen.
       
       ## 20 Köpfe, 32 Seiten
       
       Und ohne diese Presseförderung hätte man den Start einer neuen Tageszeitung
       wohl auch nicht wagen können. In Schweden erhalten diese alle Zeitungen mit
       mindestens wöchentlichem Erscheinungsrhythmus, wenn sie primär Nachrichten
       und Meinungen vermitteln, eine Mindestauflage von 1.500 Exemplaren und
       einen zu mehr als 55 Prozent eigenproduzierten redaktionellen Inhalt haben.
       
       Werktäglich produziert eine 20-köpfige Redaktion jeweils 32 Seiten Dagens
       ETC. Der Themenschwerpunkt liegt auf schwedischer Innenpolitik. Und hier
       vorwiegend in Bereichen, die in der einheimischen Tagespresse, die zu vier
       Fünfteln aus konservativ-liberal orientierten Blättern besteht, bislang
       eher zu kurz kommen: beispielsweise wie teuer dem Steuerzahler die
       Privatisierung öffentlicher Dienste kommt, die wachsende Neonazigewalt oder
       Beiträge zur Klimafrage. Für die Meinungsseite hat man mehrere Prominente
       gewonnen. Und auch die Geschlechterfrage wird thematisiert: Wie viele
       Männer und Frauen als TextverfasserInnen, in Bild und in Interviews in der
       jeweiligen Ausgabe auftauchen wird täglich im Impressum bilanziert.
       
       ## Print und Online
       
       „Die Leute wollen offensichtlich eine richtige Zeitung haben“, sagt
       Ehrenberg. Vor die Wahl gestellt, ob sie lediglich nur eine digitale
       Ausgabe bekommen wollen, entscheiden sich neun Zehntel der mittlerweile
       über 7.000 AbonnentInnen für die Papierausgabe. Die Printauflage ist damit
       doppelt so hoch wie ursprünglich kalkuliert – und auch die Onlineausgabe
       ist mit über 180.000 täglichen Besuchern unerwartet erfolgreich. Was
       beweist, dass es in Schweden eine Marktnische für eine Zeitung mit
       rot-grünem Profil gebe, sagt Chefredakteur Andreas Gustavsson. Nun peile
       man 10.000 Abonnenten bis zum Herbst an, dann könne man neue
       JournalistInnen anstellen und das Netz an Lokalredaktionen erweitern.Und es
       gibt Pläne für eine engere nordische Zusammenarbeit mit linken
       Tageszeitungen in Dänemark und Norwegen.
       
       Nicht nur bei den LeserInnen scheint Dagens ETC gut anzukommen, auch das
       Urteil der etablierten Konkurrenz ist vorwiegend positiv. „Guter Beginn“
       und „gediegener Journalismus“, urteilt die liberale Sydsvenska Dagbladet:
       Schweden brauche eine Zeitung, die Fragen aus einem anderen Blickwinkel
       stelle. Eine „aufrichtige Zeitung“, die „ehrlichen Journalismus“ betreibe,
       lobte das Kulturprogramm beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen SVT.
       „Vielversprechend“, meint auch das konservative Svenska Dagbladet. Am Ende
       scheinen sich dann doch alle einig zu sein.
       
       3 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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