# taz.de -- AfD-Kandidatin Beatrix von Storch: Die Überzeugte
       
       > Nein zu Abtreibungen und zum Genderwahn, nein zum Euro. Frau von Storch
       > hat klare Haltungen. Nun wird die AfDlerin wohl ins EU-Parlament gewählt.
       
 (IMG) Bild: Fast drei Jahre Vollzeitprotest: AfD-Kandidatin Beatrix von Storch
       
       BERLIN taz | Beatrix von Storch ist gerade wieder viel unterwegs. Um 4.40
       Uhr ist sie an diesem Morgen in Ulm in den Zug gestiegen. Am Vorabend hielt
       von Storch dort einen Vortrag beim lokalen AfD-Kreisverband. Wie sie jetzt
       fast jeden Tag irgendwo einen Vortrag hält. Kaum zurück in Berlin, steht
       sie am Hackeschen Markt, Flyer ihrer Partei verteilend.
       
       Jetzt ist Pause. Von Storch umklammert einen Kaffeebecher, Größe XL, gegen
       die Müdigkeit. Sie sieht hier in dieser aufgewerteten Ecke von Berlin,
       zwischen Modeläden und Touristencafés, etwas ulkig aus. Zu den
       Perlenohrringen trägt sie eine abgewetzte braune Jacke. Wegen der großen
       Taschen, in die die blauen AfD-Flyer passen, die sie den Passanten
       entgegenstreckt.
       
       Von Storch wirkt gelöst, für ihre Verhältnisse. Ein bisschen mit
       Understatement. Nein, sie denke nicht an Sonntag. Aber wenn es tatsächlich
       die 6, 7 Prozent würden, dann arbeite sie ab Montag gern in Brüssel.
       
       Wenn die Umfragen stimmen, werden es am Sonntag jene 6, 7 Prozent. Dann,
       wenn die Deutschen ihre Abgeordneten fürs Europaparlament gewählt haben.
       Und sich viele Augen auf eine Partei richten werden: von Storchs
       Alternative für Deutschland. Dann, wenn erstmalig seit den Republikanern,
       seit 1989, wieder eine Partei rechts der Union im EU-Parlament Platz nehmen
       darf.
       
       ## Konstruktiv mitarbeiten
       
       Was das bedeuten würde? Niemand weiß es. Ebenso wenig, was diese AfD,
       dieser Verbund illustrer Eurokritiker, in Brüssel vorhat. In einem
       Parlament, das, wie von Storch sagt, gar keines ist.
       
       Immerhin kann man davon eine Ahnung bekommen, wenn man ihre
       Spitzenkandidaten trifft. Zum Beispiel Beatrix von Storch. Der Einzug ins
       Europaparlament wird ihr nicht zu nehmen sein: Die 42-jährige Berlinerin
       ist Listenvierte ihrer Partei.
       
       Beatrix von Storch hat sich an einen Cafétisch gesetzt. Ihre Partei werde
       in Brüssel konstruktiv mitarbeiten, sagt sie. Sie spricht jetzt schnell,
       nüchtern. So wie meist. „Wir werden aber den Chor der Stimmen verstärken,
       die nicht alles in Brüssel zentralisieren wollen. Und die Mittel nutzen,
       die uns das Parlament gibt.“
       
       Für von Storch gehört nicht viel nach Brüssel. EU-Kommissare für Soziales,
       für Bildung, für Arbeit: Sie macht mit der Hand vor der Stirn den
       Scheibenwischer. Blödsinn also. All das sei klare Sache der einzelnen
       Staaten. Auch das EU-Parlament: Weder würden dort Gesetze initiiert, noch
       werde eine Regierung kontrolliert, sagt von Storch. Deshalb sei es kein
       Parlament.
       
       ## Abtreibungsfrage als Galubensfrage
       
       Wofür von Storch in Brüssel arbeiten wird, ist schon schwieriger. Zuletzt
       hatte sie sich europapolitisch vor allem in einer Sache engagiert: Das
       Europaparlament sollte eine Entschließung für ein Recht auf
       Schwangerschaftsabbruch und obligatorischen Sexualkundeunterricht
       verabschieden, den Estrela-Bericht. Dagegen machte eine europäische Front
       aus Konservativen mobil.
       
       In Deutschland auch Beatrix von Storch. Mit ihrem Verein „Zivile Koalition“
       sammelte sie monatelang Unterschriften, 170.000 wurden es am Ende. Das
       EU-Parlament wies den Estrela-Bericht mit knapper Mehrheit zurück. „Yeah,
       so geht Widerstand“, jubelte von Storch auf ihrer Facebook-Seite. Die
       Abtreibungsfrage, sagt sie, sei eine Glaubensfrage. „Und ich glaube, dass
       das menschliche Leben mit der Zeugung beginnt.“
       
       Sie hat Überzeugungen. Das war immer so. Und für sie kämpft die Politikerin
       der AfD. Zu Studienzeiten etwa focht die Protestantin gegen die Anerkennung
       der DDR-Bodenreform, die Großgrundbesitzer enteignet hatte. Heute sind es
       Positionen wie von Storchs – etwa ihr striktes Nein zu Abtreibungen –, die
       ihr den Ruf einer stramm Konservativen einbrachte. Sie könne mit den Labels
       „rechts“ und „links“ nicht viel anfangen, sagt von Storch. Ohnehin würde
       ihr geschlechterpolitisches Engagement aufgebauscht. Sei wolle sich in
       Brüssel vor allem der Währungspolitik widmen.
       
       Tatsächlich macht von Storch schon lange Stimmung gegen den Euro und dessen
       Rettungspolitik. Bis 2011 arbeitete die gebürtige Lübeckerin in Berlin als
       Rechtsanwältin für Insolvenzen. Dann hängte sie den Job an den Nagel, lebt
       seitdem von Erspartem. Und vom Protest.
       
       Vor dem Bundestag protestierte sie gegen das erste
       Griechenland-Rettungspaket. Auf ihren Blogs schrieb sie gegen die
       Rettungsschirme an, Abgeordnete überflutete sie mit Protestmails. Es gibt
       Videos von Kundgebungen, auf der von Storch in Megafone schreit, ein
       „Endspiel um den Euro“ ausruft. Aktuell warnt sie vor der
       „Eine-Billion-Euro-Inflation“, an der EZB-Präsident Mario Draghi bastle.
       
       ## Offener Brief an Bischof
       
       Und doch treibt von Storch auch das andere Thema um: die
       Geschlechterpolitik. Als in Berlin im vorigen Herbst Abtreibungsgegner auf
       die Straße gingen, lief sie in der ersten Reihe mit. Auf Facebook wettert
       sie über „Genderfanatiker“. In einem Offenen Brief kritisierte sie
       Erzbischof Robert Zollitsch: „Die Grünen wollen die Homo-Ehe. Und Sie
       warnen, als katholischer Bischof, nicht vor den Grünen, sondern der AfD?“
       
       Und als jüngst in Baden-Württemberg Konservative gegen einen Bildungsplan
       zu sexueller Vielfalt demonstrierten, schrieb von Storch, der Plan
       „verspritzt das Gift der Genderideologie nicht mehr tröpfchenweise, sondern
       kommt in einer Klarheit und Gewalt daher, die nun den Widerstand nachgerade
       zur Pflicht macht“. Nicht unbedingt die Wortwahl einer Gemäßigten.
       
       In der AfD-Führung beobachten einige solche Auftritte von Storchs durchaus
       mit Skepsis. Zu sehr strapazieren diese die Abwehrformel, keinesfalls
       rechtspopulistisch zu sein. In ihrem Berliner Landesverband sorgte die
       Politikerin im Januar gar für den Rücktritt eines Kreisvorstands: Franz
       Niggemann. Die Richtung der Partei, „die nach meiner Auffassung
       insbesondere durch Frau von Storch repräsentiert wird, will und kann ich
       nicht mittragen“, schrieb dieser. „Die AfD geht den Weg in die Unfreiheit
       von rechts, mit starken Tendenzen, Randgruppen zu diskriminieren.“
       
       ## Ihre Positionen: Mehrheitsbeschlüsse
       
       Die Basis wählte von Storch dennoch auf der AfD-Europaliste weit nach vorn.
       In der Partei ist sie inzwischen gut vernetzt – und ihre Positionen sind
       inzwischen Mehrheitsbeschlüsse. Im Europaprogramm wird eine Frauenquote
       abgelehnt. Auch dürfe die EU nicht über „moralisch kontroverse Inhalte“ wie
       Abtreibung bestimmen. Und Förderprogramme für „Gender-Mainstreaming“ seien
       „ebenso einzustellen wie etwaige Bestrebungen der EU, den Mitgliedstaaten
       eine solche Politik aufzuzwingen“. Und neulich war es ihr Parteichef Lucke,
       der auf einer Pressekonferenz Gender-Mainstreaming als
       „Umerziehungsmaßnahme“ ablehnte.
       
       Beatrix von Storch freut sich über die Positionierungen: Es seien
       schließlich Alleinstellungsmerkmale. Bei der AfD saß sie schon auf der
       Gründungsversammlung. Aber sie zögerte mit einem Eintritt: Sich
       Parteilinien unterwerfen? Sie trat dennoch ein, kandidierte für den
       Bundestag. Es half, dass die Partei zunehmend ihre Linien verfolgte.
       
       Im April war von Storch in Straßburg, dem Zweitsitz des EU-Parlaments.
       Schon zuvor hatte sie sich dort mit Eurokritikern und Estrela-Gegnern
       getroffen. Diesmal kam sie für die AfD. Sie besichtigte den Plenarsaal, den
       Menschenrechtsgerichtshof. „Da muss noch sehr viel reformiert werden“,
       schrieb sie danach im Internet. „Mindestens.“
       
       Fast drei Jahre hat Beatrix von Storch jetzt in Vollzeit protestiert. Der
       Einsatz dürfte sich am Sonntag gelohnt haben: Wenn von Storch mit ihrer AfD
       tatsächlich nach Brüssel zieht – künftig ausgestattet mit einer Diät von
       8.200 Euro und einem Stab von Mitarbeitern. Natürlich, sagt von Storch,
       würde das eine „ganz andere Professionalität“ bedeuten. Sonst aber werde
       sie „einfach machen, was ich bisher mache“.
       
       24 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
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