# taz.de -- Ergebnis der AfD bei der Europawahl: Der Populismus der Neulinge
       
       > „Für unsere Kinder“ verkündet Bernd Lucke seine Botschaft – und ruft die
       > AfD als neue Volkspartei aus. Was genau das für die Arbeit in Brüssel
       > bedeutet, bleibt im Dunkeln.
       
 (IMG) Bild: Ausnahmsweise mal am linken Rand: AfD-Chef Bernd Lucke
       
       BERLIN taz | Bernd Lucke hat eine Schar Kinder mit auf die Bühne genommen,
       seine eingeschlossen. Er reckt die Arme in die Luft. „Es ist Frühling in
       Deutschland“, ruft er am Sonntagabend den staccato klatschenden Anhängern
       im Berliner Maritim-Hotel entgegen. „Blumen blühen auf, andere verwelken,
       auch manche Parteien.“ Der Saal jauchzt. Jubel.
       
       6,5 Prozent haben da gerade die Hochrechnungen für Luckes AfD verkündet.
       Auch wenn einige im Saal gar noch mehr erwartet hatten: Es ist ein Triumph.
       Erstmals seit 1989, seit den Republikanern, zieht mit der Alternative für
       Deutschland (AfD) eine Partei rechts der Union von Deutschland aus ins
       Europaparlament ein. Und das nur ein gutes Jahr, nachdem die Partei
       überhaupt gegründet wurde.
       
       Noch zur Bundestagswahl hatte die AfD, heute 18.000 Mitglieder stark, mit
       4,7 Prozent knapp den Parlamentseinzug verpasst. Nun wird sie wohl mit
       sechs Abgeordneten in Brüssel sitzen – an dem Ort, den die Partei der
       Eurokritiker so verteufelt wie keinen zweiten.
       
       Als „neue Volkspartei in Deutschland“, ruft Lucke die AfD am Sonntagabend
       aus. Als „wahre Europäer“ wolle man in Brüssel aufzeigen, „wo es
       Korrekturen bedarf“. Und all dies, sagt Lucke, tue man nur „für unsere
       Kinder“, die deshalb auf der Bühne stünden. Da ist er wieder, der
       Populismus der Neulinge.
       
       ## Nebulöse Pläne
       
       Neben Lucke ist es nun etwa Hans-Olaf Henkel, einstiger BDI-Präsident, der
       nach Brüssel zieht, Bernd Kölmel, ein baden-württembergischer
       Rechnungshof-Referatsleiter, Beatrix von Storch, eine erzkonservative
       Lobbyistin und Abtreibungsgegnerin, oder Joachim Starbatty, ein
       emeritierter Wirtschaftsprofessor, der schon 1998 gegen die Einführung des
       Euro klagte.
       
       Was genau diese Truppe im Europaparlament vorhat, bleibt nebulös. Im
       Wahlprogramm schlug die AfD betont bürgerliche Töne an, verkaufte sich als
       „Rechtsstaatspartei“. Kurz vor der Wahl porträtierte sie im Internet
       Parteimitglieder mit Migrationshintergrund. Die Botschaft: konservativ ja,
       rechts außen nein. Auf Kundgebungen und Plakate aber obsiegte der
       Populismus. Geld für deutsche Renten statt Griechenlandhilfen, hieß es
       dort, keine ungeordnete Einwanderung, Schluss mit dem „EU-Zentralismus“.
       „Mut zu Deutschland“, erkor Parteichef Lucke zur zentralen Parole. Noch
       kurz vor der Wahl warb er um Nichtwähler: „Wir bieten euch die Alternative
       zu den Etablierten.“
       
       Man werde in Brüssel „konstruktiv mitarbeiten“, sagt Lucke im
       Maritim-Hotel, keinesfalls nur Diäten abgreifen und mit Abwesenheit
       glänzen, so wie es andere EU-Gegner tun. Für den weiteren Kurs der AfD
       hängt nun viel an Lucke. In der Partei ist er seit Sonntag noch
       unangreifbarer. Auch in Brüssel will er Parteichef bleiben. Allenfalls,
       ließ er durchblicken, könne eine Art Generalsekretär das mögliche
       Machtvakuum in Deutschland füllen.
       
       ## Mit wem zusammenarbeiten?
       
       Es ist auch Lucke, der festlegen wird, mit wem die AfD in Brüssel künftig
       zusammenarbeitet. Eine Fraktion mit der britischen Ukip, dem Front National
       oder Geert Wilders Freiheitspartei schließt er am Sonntag aus. Eher kämen
       die polnische Kaczynski-Partei PiS oder die tschechischen Konservativen ODS
       infrage. Auch die Tories brachte Lucke ins Spiel. Die sind in
       Großbritannien Regierungspartei. Selbstbewusstsein ist in der AfD gerade
       kein Problem. Tatsächlich verschiebt ihr Wahlerfolg auch in Deutschland die
       politischen Koordinaten. Die FDP am Sonntag marginalisiert, der Linkspartei
       Protestwähler abgeluchst, der Union Stimmen geklaut. Noch kurz vor der Wahl
       hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit ihrem Nein zu einer
       europäischen Sozialunion versucht, der AfD Wähler abzugraben.
       
       Das Manöver war so durchsichtig wie vergebens. Der Sonntag ist mehr als
       eine Schlappe für die Union - er ist eine Zäsur: Erstmals seit Jahren
       etabliert sich nun eine konservativ-rechtspopulistische Kraft im hiesigen
       Parteiensystem. Auch im Maritim-Hotel weiß die AfD-Anhängerschaft um dieses
       Momentum. Als dort das Stimmenergebnis für die Union auf den Bildschirmen
       stagniert, schallt ein „Yeah“ aus den Reihen. Als der Balken der FDP bei 3
       Prozent stehen bleibt, gibt es Jubel und hämisches Gelächter. 33 Jahre war
       AfD-Chef Lucke Mitglied der CDU. Ende 2011 gab er sein Parteibuch ab: Zu
       sehr sei die CDU ins Sozialdemokratische gerutscht. Lucke kämpfte gegen den
       in seinen Augen falschen Kurs. Dann gab er auf.
       
       Jetzt steht er inmitten feiernder Anhänger, winkt in den Saal, strahlt. Er
       hat doch noch einen Sieg errungen. Der Wahlerfolg der AfD an diesem Abend:
       Er ist auch Luckes persönliche Revanche.
       
       26 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Europawahl 2014
 (DIR) Schwerpunkt AfD
 (DIR) Bernd Lucke
 (DIR) Troika
 (DIR) Schwerpunkt AfD
 (DIR) Junge Alternative (AfD)
 (DIR) Europawahl 2014
 (DIR) EU-Parlament
 (DIR) Europaparlament
 (DIR) Europawahl
 (DIR) Europawahl 2014
 (DIR) Europawahl 2014
 (DIR) Europawahl
 (DIR) Europawahl 2014
 (DIR) Europawahl 2014
 (DIR) Griechenland
 (DIR) Europawahl 2014
 (DIR) Europawahl 2014
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Privatisierung von Griechenlands Stränden: Zerstörung im Namen der Troika
       
       Ein neues Gesetz, durch das die gesamte griechische Küste bebaut werden
       könnte, sorgt für Empörung. Doch die EU sieht es als Mittel gegen die
       Krise.
       
 (DIR) Frauenausschuss im EU-Parlament: Beatrix von Storch gerupft
       
       Wie AfD-Chef Bernd Lucke bleibt auch seine religiöse Parteikollegin ohne
       Parlamentsposten. Der Frauenausschuss lehnte sie als Vizechefin ab.
       
 (DIR) Kommentar Union und AfD: Abgrenzung funktioniert nicht
       
       Die Christdemokraten müssen die Alternative für Deutschland inhaltlich
       widerlegen. Es reicht nicht, sie in den Medien nur ausgrenzen zu wollen.
       
 (DIR) AfD und FDP nach der Europawahl: Der Kampf ums Liberale
       
       Die AfD sieht sich nach der Wahl als „neue Volkspartei“ – und konkurriert
       mit der FDP um den liberalen Platz im Parteiensystem.
       
 (DIR) Kommentar EU-Wahl in Polen: Ohne Vision
       
       In Polen war die Wahlbeteiligung zur EU-Parlamentswahl erschreckend
       niedrig. Kein Wunder: Der Wahlkampf war ein Desaster.
       
 (DIR) Grüner über Rechte im EU-Parlament: „Nicht ausreichend kohärent“
       
       Nationalisten und Populisten werden sich kaum einigen, glaubt Jan Philipp
       Albrecht. Gefährlich sei, wie die Konservativen ihre Konkurrenz kopieren.
       
 (DIR) Neonazis im Europaparlament: Jobbik zweite Kraft
       
       Faschisten feiern Wahlerfolge, nicht nur in Ungarn und Griechenland. Auch
       Deutschland schickt einen NPD-Mann nach Brüssel.
       
 (DIR) Der Wahlabend: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
       
       Lucke ist die neue Frisur unter der Pickelhaube. Die Grünen aber haben mit
       ihrer Europadifferenzierung immerhin die Stammwähler geholt.
       
 (DIR) Wer wird EU-Kommissionspräsident?: Der Zweikampf geht los
       
       Jean-Claude Juncker und Martin Schulz ringen um das wichtigste Amt in der
       EU. Warum der Konservative Juncker jetzt die besseren Karten hat.
       
 (DIR) Europawahl in Großbritannien: Ohrfeige für die Etablierten
       
       Erstmals wird die rechtspopulistische Ukip stärkste Kraft. Die
       mitregierenden Liberalen werden schwer gedemütigt, Labour und Tories
       schneiden schwach ab.
       
 (DIR) Kommentar Europawahl-Ergebnis: Schockwelle für das Parteiensystem
       
       In Deutschland ist man sturzzufrieden, die Wahl bestätigt das
       Parteiensystem. Der Rest des Kontinents driftet hingegen gefährlich
       auseinander.
       
 (DIR) Die Groko nach der Europawahl: Die Deutschland-Karte sticht
       
       Mit ihrem personalisierten Wahlkampf haben Union und SPD auch
       nationalistische Töne bedient. Die SPD zieht neues Selbstvertrauen aus dem
       Ergebnis.
       
 (DIR) Länderergebnisse Europawahl: Athen links, Paris rechts, Rumänien rot
       
       In Griechenland siegen die Linken, in Frankreich die Rechten, in Zypern die
       Proeuropäer und in Österreich gewinnt die FPÖ. Eine Übersicht.
       
 (DIR) Kommentar Europawahl in Deutschland: Die neuen Ressentiments
       
       Der Abstieg der FDP und der Aufstieg der AfD zeigen, dass sich im liberalen
       Kernmilieu etwas verschiebt. Das ist eine Zäsur, aber kein Grund zur
       Hysterie.
       
 (DIR) Ergebnisse Europawahl in Deutschland: SPD legt zu, AfD gewinnt
       
       Die Union siegt, die SPD gewinnt dazu, die AfD zieht mit gutem Ergebnis
       nach Brüssel. Jetzt zoffen sich die Parteien um die Führung in Brüssel.