# taz.de -- Die Groko nach der Europawahl: Die Deutschland-Karte sticht
       
       > Mit ihrem personalisierten Wahlkampf haben Union und SPD auch
       > nationalistische Töne bedient. Die SPD zieht neues Selbstvertrauen aus
       > dem Ergebnis.
       
 (IMG) Bild: Der Star ist der Star: Die SPD hat ihren Wahlkampf total auf Schulz zugeschnitten
       
       BERLIN taz | Angela Merkel kann zufrieden sein. Laut den ersten
       Hochrechnungen erreicht ihre CDU gemeinsam mit der Schwesterpartei CSU bei
       der Wahl zum Europäischen Parlament 36 Prozent. Das entspricht in etwa dem
       von Demoskopen erwarteten Wert und liegt nur wenig unter dem Ergebnis von
       2009 von 37,9 Prozent.
       
       Obwohl Merkel gar nicht zur Wahl stand, hatten die Strategen im
       Konrad-Adenauer-Haus beschlossen, einfach landauf, landab die
       CDU-Vorsitzende zu plakatieren. Keine Sorge, so die simple Botschaft,
       Merkel regelt das schon in Europa.
       
       Das Gesicht des Spitzenkandidaten der Bundespartei, David McAllister, war
       hingegen kaum zu sehen. Der 43-jährige „überzeuchte Europäer“ fiel im
       Wahlkampf medial vor allem durch freundliche Profillosigkeit auf. Auch den
       europäischen Spitzenkandidaten der Konservativen, Jean-Claude Juncker,
       ignorierte das Konrad-Adenauer-Haus lieber gleich, von ein paar
       versprengten Plakaten der Jungen Union abgesehen.
       
       Die Idee der Unsichtbarkeit funktionierte. Die Union erzielte das beste
       Ergebnis in Deutschland. Zufrieden erklärte Michael Grosse-Brömer,
       Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, nach der
       ersten Hochrechnung, CDU und CSU gäben der Europäischen Volkspartei im
       EU-Parlament „eine Menge mit“, die Union sei zum achten Mal „klar und
       deutlich stärkste Kraft“ bei einer Europawahl. Viele Deutsche goutieren
       Merkels Kurs, in der Eurokrise anderen Staaten Sparsamkeit vorzuschreiben -
       und sparsam mit deutschem Steuergeld umzugehen.
       
       Auch die SPD hatte vor der Wahl auf strikte Personalisierung gesetzt. Sie
       warb mit ihrem Spitzenmann Martin Schulz, der für die europäischen
       Sozialdemokraten den Posten des Kommissionspräsidenten erkämpfen will.
       Vizeparteichef Torsten Schäfer-Gümbel meinte, die WählerInnen hätten wohl
       „gespürt, dass es auch um die konkrete Benennung des Kommissionspräsidenten
       geht“.
       
       In der Tat ist das Ergebnis von rund 28 Prozent für die SPD mindestens
       erfreulich - deutlich besser als 20,8 Prozent der letzten EU-Wahl und ein
       hübscher Zuwachs auch gegenüber dem Bundestagswahlergebnis von 25,7
       Prozent. Die Zuspitzung auf die Person des volksnah auftretenden Mannes aus
       Nordrhein-Westfalen hat funktioniert, Parteistrategen nennen den Zuwachs
       intern „den Schulz-Effekt“.
       
       Das Ergebnis dürfte sich auch auf die Stimmung in der Großen Koalition in
       Deutschland auswirken. Falls es im nun anstehenden Postengeschacher in der
       EU zu einer Machtprobe zwischen Sozialdemokraten und Konservativen kommt,
       hat der Konflikt das Potenzial für eine echte Eskalation. SPD-Chef Sigmar
       Gabriel hatte lautstark vor „Volksverdummung“ gewarnt, falls keiner der
       Spitzenkandidaten zum Kommissionspräsidenten gemacht werde. Was als
       Rückendeckung für Schulz Ambitionen gedacht war, könnte aber auch Juncker
       in die Hände spielen. Falls die Europäische Volkspartei die stärkste
       Fraktion stellt, was sich in Umfragen andeutete, wäre er am Zug.
       
       ## Erfolg hängt an Merkel
       
       Innenpolitisch dürfte das Ergebnis Gabriels SPD Auftrieb verschaffen. Die
       Genossen wundern sich seit Wochen, warum ihre Erfolge in der Regierung -
       etwa der Mindestlohn oder die Rente mit 63 - in den Umfragen kaum zu Buche
       schlagen. Das aktuelle Ergebnis liefert nun den Nachweis, dass eine
       Konsolidierung machbar ist, wenn auch in kleinen Schritten.
       
       Die CDU hat bei dieser Europawahl wieder einmal bescheinigt bekommen, dass
       ihr Erfolg im Moment an einer einzigen Person hängt. Sinkt jedoch Merkels
       Stern, warum auch immer, ist wenig übrig von der Partei.
       
       Union wie SPD konnten der Versuchung nicht widerstehen, die nationale Karte
       zu ziehen. Gabriel hatte Schulz Kandidatur mit dem Argument beworben, nur
       mit ihm könne ein Deutscher an die Spitze der Kommission rücken. Am
       Wahlwochenende wiederholte die SPD diese Botschaft in großen Anzeigen.
       
       Die CDU-Zentrale agierte noch unverfrorener. Ihr Versuch, kurz vor dem
       Wahltag AfD- und CSU-affine Wählerinnen und Wähler bei ihren Vorurteilen
       gegenüber Zuwanderern zu packen, scheint geglückt. Zumindest hat die Union
       kaum nennenswerte Prozentpunkte an die nationalistisch orientierte AfD
       verloren. Die Frage ist nun, welche Schlüsse daraus für die Zukunft gezogen
       werden.
       
       ## Fischen am rechten Rand
       
       Merkel selbst hatte in einem Ende vergangener Woche veröffentlichten
       Interview mit der Passauer Neuen Presse betont, die Europäische Union sei
       „keine Sozialunion“. CDU und CSU arbeiteten daran, bei Sozialleistungen wie
       dem Kindergeld „bestmöglich Missbrauch ausschließen zu können“.
       
       Diese Äußerungen der mächtigen Europapolitikerin Merkel in einer
       bayerischen Zeitung wurden von der Opposition als Fischen am rechten Rand
       gewertet. Der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger sagte der taz: „Merkel
       bedient die Stimmungen, mit denen die Rechten Politik machen.“
       
       Der „Schulz-Effekt“, auf den die SPD gehofft hat, ist offenbar tatsächlich
       eingetretenDie Union dürfte davon profitiert haben, dass sie ihre
       Spitzenkandidaten erfolgreich versteckt hat
       
       25 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Maier
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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