# taz.de -- Raubkunst aus der NS-Zeit: Stücke mit Makel
       
       > Hamburgs Museum für Kunst und Gewerbe widmet sich der Herkunft von
       > Raubkunst. Die Geschichten sind interessant, aber wenig anschaulich.
       
 (IMG) Bild: Sind die Kunstwerke die ein Museum während des „Dritten Reichs“ erwarb, rechtmäßig dort? Nicht immer erfahren das die Besucher.
       
       HAMBURG taz | Die Eigentümer sind längst tot: Wie Grabbeigaben wirken die
       silbernen Tassen, Teller und Kelche, die da in einer Vitrine liegen.
       Einerseits wie Haushaltsauflösungs-Rumpelkammer, andererseits wie
       ausgeraubtes Grab kommt die „Raubkunst“-Ausstellung im Hamburger Museum für
       Kunst und Gewerbe daher. Noch krasser illustriert das der Katalog: In einer
       von oben fotografierten Holzkiste liegen Löffel aus einst jüdischem Besitz,
       als seien es Knochen.
       
       Dem Thema Provenienzforschung ist solche makabre Symbolik durchaus gemäß:
       Da geht es ja um Dinge, die das NS-Regime den Menschen nahm, die es
       deportierte und ermordete. Ab 1938 mussten Juden ihr Silber abgeben: Man
       brauchte das Metall für die Kriegsvorbereitung, zahlte lächerliche
       Vergütungen und deklarierte das Ganze als „Metallspende an das Reich“.
       
       Eingeschmolzen wurde allerdings nicht alles: 1940 kaufte der Hamburger
       Senat dem Reich 2.000 Kilo dieses Silbers ab, 30.000 Gegenstände, die auf
       die Museen verteilt wurden. Eine Aktion zwischen Bewahren und Gier.
       
       Nach dem Krieg ordneten die britische Besatzungsmacht sowie die
       Kulturbehörde die Restitution an. Die Beweislast lag bei den Opfern, und so
       reisten jahrelang Überlebende und Erben aus aller Welt an, um anhand von
       Fotos, Dokumenten und Zeichnungen nachzuweisen, was ihnen gehörte.
       
       Viel wurde damals zurückgegeben, aber nicht alles: 1958 leistete Hamburg
       für Dinge, deren Eigentümer man nicht fand, Ausgleichszahlungen an die
       Jewish Trust Corporation. Das verbleibende Silber – immer noch rund eine
       Tonne – wurde wiederum auf die Hamburger Museen verteilt. Da liegt es nun
       in den Depots, niemand kennt die rechtmäßigen Eigentümer; ein Makel bleibt.
       
       Mit einem solchen sei auch die Provenienzforschung selbst behaftet, sagen
       die Hamburger Ausstellungsmacher: Die Öffentlichkeit verbinde mit
       Provenienzforschung den Verlust, die Rückgabe von Museumsexponaten. Diesem
       Vorurteil wolle man begegnen.
       
       Gerade im Museum für Kunst und Gewerbe gab es spektakuläre Verhandlungen
       etwa um den „Spiegelsaal“ des „Budge-Palais“, den die Nazis 1937 an sich
       rissen und der nach dem Krieg, als die Musikhochschule dort einzog, ab- und
       im Museum wieder aufgebaut wurde. 2010 forderten die Erben Restitution,
       2011 zahlte Hamburg eine Ausgleichssumme.
       
       Der Großteil der Provenienzforschung betrifft aber weit kleinere
       Gegenstände: Schalen aus Syrien, Madonnen und Möbel der Renaissance,
       Asiatica des 16. bis 18. Jahrhunderts. 100 solcher Exponate zeigt die
       Ausstellung in zwei deckenhohen Vitrinen, die, mit roten Dreiecks-Splittern
       bedruckt, das Design des jüdischen Architekten Daniel Libeskind nachahmen.
       
       Und drinnen, drapiert auf roten Tuchen: Porzellan aus der Asiatica-Sammlung
       Philipp Fürchtegott Reemtsmas, des Vaters von Jan Philipp Reemtsma; 319
       Objekte aus seiner Sammlung kamen 1996 in das Hamburger Museum, 91 davon
       haben eine unbedenkliche Provenienz, die übrigen nicht.
       
       Dann gibt es eine kleine Renaissance-Venus aus Bronze, die dem Frankfurter
       Kunsthändler Wilhelm Henrich gehörte. Er kooperierte mit dem Regime und
       verkaufte unter anderem Artefakte, die die Gestapo Juden geraubt hatte. Die
       Herkunft dieser Gegenstände ist unklar.
       
       Daneben stehen antike syrische Gläser des Münchner Sammlers Oskar Zettler.
       Die hat das Museum 1937 gekauft – auf dem Ausstellungsschild steht nun: „Es
       besteht noch Forschungsbedarf“, und das ist eine so dezente wie
       verschleiernde Formulierung, die dem Laien wenig hilft: Gibt es
       Restitutionsansprüche? Laufen Verhandlungen?
       
       Der provenienzbezogene Text glänzt durch einen kryptischen Telegrammstil,
       mit dem die Forscher vermutlich intern arbeiten: Inventarnummer, Vokabeln
       wie „Sicherheitsübereignung“ und „in Lost Art eingestellt“ finden sich da.
       In der erwähnten Lost-Art-Datenbank können sich Nachfahren enteigneter
       jüdischer NS-Opfer informieren, das aber wissen nur Kundige.
       
       Und was mag es bedeuten, wenn die Beschriftung mit den schlichten Worten
       „Seit 1950 im Museum“ schließt? Auch eine Information darüber, wie viele
       der 600 Museumsgegenstände, die während des „Dritten Reichs“ erworben
       wurden, rechtmäßig dort sind, fehlt.
       
       Überaus befremdlich ist, dass ausgerechnet eine Ausstellung zu diesem Thema
       im Wandtext das Wort „Reichskristallnacht“ verwendet: Diesen
       verharmlosenden Begriff suchten Opferverbände schon Anfang der 1990er-Jahre
       im öffentlichen Diskurs durch „Reichspogromnacht“ zu ersetzen. Und das
       Hamburger Museum betreibt seine Provenienzforschung nun auch schon seit
       2010.
       
       ## „Raubkunst?“: bis 1. November, Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg
       
       15 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Petra Schellen
       
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