# taz.de -- US-Sicherheitsstrategie: Auf entgegengesetzten Seiten
       
       > Die USA kritisieren in ihrer Sicherheitsstrategie Europa massiv – und
       > drohen mit Unterstützung „patriotischer“ Parteien. Was das bedeutet.
       
 (IMG) Bild: Patriotische Front: Trump will Europa „retten“
       
       Die neue US-amerikanische Sicherheitsstrategie sorgt seit ihrer
       Veröffentlichung am Donnerstag für viel Aufregung. Vor allem die
       europäischen Verbündeten sehen das 33-seitige Dokument als Affront. Denn
       das Papier kritisiert die europäische Einwanderungspolitik, die „Zensur der
       freien Meinungsäußerung und die Unterdrückung der politischen Opposition,
       abstürzende Geburtenraten sowie Verlust nationaler Identitäten und des
       Selbstvertrauens“, heißt es darin.
       
       Als Strategie sollten die USA sich in der westlichen Hemisphäre behaupten,
       den Widerstand innerhalb Europas fördern und die strategische Stabilität
       mit Russland wiederherstellen. Vor allem die Kultivierung von Widerstand
       innerhalb Europas dominiert seither die Schlagzeilen. Was genau gemeint
       ist, wird im Dokument detailliert ausgeführt. Die USA wollen Kräfte in
       europäischen Ländern unterstützen, die den aktuellen politischen Status Quo
       ablehnen. Deshalb sollten „patriotische“ Parteien unterstützt werden, da
       sonst die „Auslöschung der Zivilisation“ drohe.
       
       Eine anhaltende Unterstützung der AfD in Deutschland, wie sie von der
       US-Regierung und Milliardär Elon Musk während der letzten Bundestagswahl
       betrieben wurde, scheint die logische Konsequenz zu sein. US-Präsident
       Donald Trump hat sich in der Vergangenheit immer wieder in die Innenpolitik
       anderer Länder eingemischt, zuletzt etwa [1][bei der Präsidentschaftswahl
       in Honduras Ende November].
       
       Doch von den EU-Chefs in Brüssel – Kommissionspräsidentin Ursula von der
       Leyen oder Ratspräsident Antonio Costa – kam am Wochenende gar nichts. Und
       die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas war sichtlich bemüht, die Wogen zu
       glätten. Die USA seien „immer noch unser größter Verbündeter“, sagte Kallas
       beim Doha Forum, einem Diplomaten-Treffen in der katarischen Hauptstadt.
       „Natürlich gibt es da viel Kritik, aber ich denke, etwas davon ist auch
       wahr“, so die europäische Chefdiplomatin über die Vorhaltungen der
       Regierung von US-Präsident Donald Trump. „Wir sollten zusammenhalten“, so
       ihr Fazit.
       
       Ganz ähnlich äußerte sich der deutsche Außenminister Johann Wadephul. Die
       USA „sind und bleiben unser wichtigster Verbündeter“ in der Nato, so der
       CDU-Politiker. Zugleich betonte er, Deutschland brauche „keine Ratschläge“
       zu Fragen der freien Meinungsäußerung oder „der Organisation unserer
       freiheitlichen Gesellschaften“.
       
       Weniger Zurückhaltung üben EU-Experten. Europa müsse endlich anerkennen,
       daß es „allein“ sei, meint Nathalie Tocci, Leiterin des Istituto Affari
       Internazionali in Rom. Ein echtes transatlantisches Band gebe es nur noch
       zwischen Trump und den Rechtspopulisten in der EU. Doch diese Botschaft ist
       für die Transatlantiker in Brüssel und Berlin schwer zu verdauen. Sie
       setzen weiter auf die Zusammenarbeit mit Trump – koste es, was es wolle. So
       hat Wadephul beim jüngsten Treffen der Nato-Außenminister in Brüssel neue
       Waffenkäufe in den USA für die Ukraine bekanntgegeben. Wert: 200 Millionen
       US-Dollar. Nato-Generalsekretär Marc Rutte kündigte Bestellungen aus Europa
       im Gesamtwert von 5 Milliarden Dollar an – für Waffen made in USA.
       
       Mit diesem Geld wollen die Europäer nicht nur die Ukraine verteidigen,
       sondern auch Trump bei der Stange halten. Doch der dankt es ihnen schlecht.
       [2][Die Friedensgespräche zur Ukraine führt er hinter dem Rücken der EU.]
       In seiner neuen Sicherheitsstrategie schreibt Trump den Europäern ins
       Stammbuch, sie hegten beim Ukraine-Krieg „unrealistische Erwartungen“ auf
       einen Sieg. Zudem wird [3][Russland] nicht mehr als strategische Bedrohung
       bezeichnet. Einer Aufnahme der Ukraine in die Nato erteilt die neue
       US-Doktrin wohl auch deshalb eine Absage. Demgegenüber halten Rutte und von
       der Leyen stur an diesem Ziel fest. Die Positionen sind unvereinbar – wohl
       auch deshalb schweigen sich die EU-Chefs so beharrlich aus.
       
       Die neue Sicherheitsstrategie der USA ist schriftliche Zusammenfassung
       dessen, was die Trump-Regierung seit ihrem Amtsantritt im Januar verkündet
       hatte. Die Rede des [4][US-Vizepräsidenten JD Vance auf der Münchener
       Sicherheitskonferenz] im Februar war der bis dato deutlichste Anhaltspunkt
       für die Abwendung von Europa. Im September dann ließ [5][Präsident Trump
       bei der UN-Vollversammlung] auch den letzten Zweifel ausklingen.
       
       Im US-Kongress hat die neue nationale Sicherheitsstrategie zumindest unter
       Demokraten für Bedenken gesorgt. Das Papier nehme Abschied von der Idee,
       „dass wir uns für Freiheit und Menschenrechte auf der Welt einsetzen
       sollten, völlig. Stattdessen belehrt es unsere europäischen Verbündeten und
       umarmt autoritäre Führer, die die Familie Trump und ihre milliardenschweren
       Freunde bereichern“, schrieb der demokratische Senator Chris Van Hollen,
       Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, auf X. Sein Senatskollege Richard
       Blumenthal fügte hinzu, dass die neue Sicherheitsstrategie die USA nicht
       sicher machen würde. „America First bedeute Amerika allein, und wir werden
       den Preis dafür zahlen“, schrieb das Mitglied des Verteidigungsausschusses
       in den sozialen Medien.
       
       Von republikanischer Seite gab es bislang keine großen Reaktionen. Auch die
       Kongressmitglieder, die in der Vergangenheit das außenpolitische Vorgehen
       der Regierung kritisiert hatten, wie die Senatoren Rand Paul oder Lindsey
       Graham, kommentieren die Sicherheitsstrategie nicht. Mit dem Stillschweigen
       verdeutlichen Republikaner nur noch mehr, wer in ihrer Partei aktuell das
       Sagen hat.
       
       Interessant ist zudem, was im neuen Sicherheitspapier nicht angesprochen
       wird. In [6][Trumps erster Sicherheitsstrategie] 2017 waren die Gegner klar
       definiert. „China und Russland stellen die amerikanische Macht, den
       Einfluss und die Interessen infrage und versuchen, die amerikanische
       Sicherheit und den Wohlstand zu untergraben“, hieß es damals. Acht Jahre
       später kommt Russland nur noch in vier Absätzen vor und die Invasion der
       Ukraine im Februar 2022 wird nicht ausdrücklich verurteilt. Vielmehr wollen
       die USA versuchen, „die Beziehungen zwischen Europa und Russland zu
       verbessern“. China wird vor allem als wirtschaftlicher Widersacher erwähnt.
       Eine militärische Gefahr durch die Volksrepublik wird nur schwammig
       dargestellt.
       
       Das neue Sicherheitspapier ist ein wichtiger Wegweiser für die künftigen
       Pläne der US-Regierung. Ministerien wie das Außenministerium oder das
       Verteidigungsministerium werden sich an die darin enthaltenden Vorgaben
       anpassen und versuchen, die Ziele umzusetzen. Für die transatlantischen
       Beziehungen ist es ein weiterer Rückschlag. Doch wenn Trump eins bewiesen
       hat, dann, dass er auch vor 180-Grad-Wenden nicht zurückschreckt.
       
       7 Dec 2025
       
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