# taz.de -- Studie über rechtsextreme Einstellungen: Die Mitte wankt
       
       > Die Neuauflage der „Mitte-Studie“ konstatiert eine hohe Zustimmung zur
       > Demokratie – in Detailfragen aber sind viele Deutsche für Ressentiments
       > offen.
       
 (IMG) Bild: Die Gesellschaftsmitte ist mehrheitlich demokratisch – aber sie muss auch für ihre Werte aufstehen
       
       BERLIN taz | Es klingt zunächst beruhigend. Für 88 Prozent der Befragten
       der neuen „Mitte-Studie“ steht die Würde und Gleichheit aller Menschen an
       erster Stelle. 72 Prozent bezeichnen sich selbst als „überzeugte
       Demokrat_in“. Und 70 Prozent erklären, man müsse sich „stärker für eine
       vielfältige und offene Gesellschaft engagieren“.
       
       Die Mitte der Gesellschaft ist stabil, so wirkt die Botschaft. Geht man
       aber ins Detail, dann bröckelt dieser Eindruck. Denn dann erklären immerhin
       18 Prozent, Deutschland brauche „eine einzige starke Partei, die die
       Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert“. 16 Prozent finden: „Unser Land
       gleicht inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie.“ Und für 23
       Prozent ist es an der Zeit, „mehr Widerstand gegen die aktuelle Politik zu
       zeigen“.
       
       Es sind daher ambivalente Befunde, mit denen die am Dienstag
       veröffentlichte Neuauflage der „Mitte-Studie“ aufwartet. Seit 2006
       untersucht die [1][Langzeitstudie] Einstellungen der deutschen
       Gesellschaft, aktuell mit einem Team um die Konfliktforscher Andreas Zick
       und Beate Küpper und im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung.
       Befragt wurden 1.750 Menschen im Januar und Februar per Telefon. Der
       Studientitel diesmal: „Die geforderte Mitte“.
       
       ## „Die Mitte ist aufgewacht“
       
       Im Ergebnis ist [2][erneut ein Rückgang] offener rechtsextremer
       Einstellungen zu verzeichnen. Nur noch 1,7 Prozent der Befragten wird ein
       geschlossenes rechtsextremes Weltbild attestiert. Lag die Zustimmung zu
       „fremdenfeindlichen“ Positionen 2019 etwa noch bei 8,7 Prozent, sind es
       jetzt nur noch 4,5 Prozent. Mehr noch: 70 Prozent der Befragten halten den
       Rechtsextremismus heute für die größte Bedrohung für die Gesellschaft,
       knapp sogar vor dem Klimawandel.
       
       „Die Mitte ist aufgewacht“, erklärt Küpper. Viele Menschen seien offenbar
       erschrocken über die jüngsten [3][rechtsextremen Anschläge] oder eine
       [4][Trump-Politik], andere seien womöglich ermüdet von einer
       „populistischen Dauerbefeuerung“.
       
       Aber: Bei konkreten Fragen bleibt die Mitte durchaus offen für
       antidemokratische Positionen. So bezweifelt immerhin jeder fünfte Befragte,
       dass die Demokratie zu sachgerechten Entscheidungen führt. 16 Prozent
       erklären, die Regierung betrüge das Volk – weitere 20 Prozent sehen das
       „teils/teils“ so. Und 23 Prozent finden, dass man „im nationalen Interesse“
       nicht allen Personen die gleichen Rechte gewähren könne – weitere rund 25
       Prozent finden das „teils/teils“.
       
       Gerade dieser hohe und gestiegene Anteil der indifferenten Antworten
       beunruhigt die Forscher:innen. Denn einiges deute darauf hin, dass sich
       dahinter „latente Zustimmung“ verberge. Küpper spricht von „Schlierspuren
       des Rechtspopulismus“, die bis in die Gesellschaftsmitte reichten. So könne
       man 13 Prozent der Befragten ein rechtspopulistisches Weltbild nachweisen,
       das sich gegen „die Eliten“ richte und Menschen ihre Gleichwertigkeit
       abspreche.
       
       ## Ressentiments gegen Geflüchtete und Schwarze
       
       Das ist zwar ein Rückgang, aber weiter äußern sich 40 Prozent der Befragten
       negativ über Asylsuchende, 25 Prozent über Langzeitarbeitslose. 16 Prozent
       erklärten, schwarze Menschen seien „zu empfindlich, wenn von Rassismus in
       Deutschland die Rede ist“. Auch nahmen klare Ablehnungen des Antisemitismus
       ab.
       
       Zudem steigen rechtsextreme Einstellungen dort, wo auch die AfD 2017 bei
       der Bundestagswahl erfolgreich war. In Ostdeutschland sind
       rechtspopulistische Meinungen und Abwertungen von als „fremd“ Markierten
       höher als im Westen. Dazu erklärten insgesamt 21 Prozent der Befragten, es
       sei sinnlos, sich politisch zu engagieren. Auch das hält das Forscherteam
       für gefährlich: Denn wer sich politisch machtlos fühle, neige eher zu
       demokratiegefährdenden Einstellungen.
       
       Zudem erfreuen sich [5][Verschwörungsmythen] breiter Beliebtheit. 20
       Prozent erklärten, Politiker:innen seien „nur Marionetten der
       dahinterstehenden Mächte. Für 24 Prozent stecken Politik und Medien „unter
       einer Decke“. Und immerhin noch 5,4 Prozent finden, Politiker:innen
       hätten es verdient, wenn Wut gegen sie auch in Gewalt umschlage.
       
       ## Chance auf demokratische Erneuerung
       
       Für Zick zeigen die Ergebnisse, das sich nach Jahren der Polarisierung und
       Radikalisierung in Teilen der Mitte „Demokratiedistanz verhärtet“. Wichtig
       sei, dass die Gesellschaft nun klar für die Demokratie Position beziehe und
       sich den Ressentiments in ihren Reihen stelle. Gerade die Solidarität in
       Coronazeiten biete da die Chance einer demokratischen Erneuerung. Zick
       appellierte aber auch, [6][zivilgesellschaftliche Demokratieprojekte] und
       die politische Bildung vor Ort zu stärken.
       
       22 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Konrad Litschko
       
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