# taz.de -- Bedrohungen gegen Minderheiten: Attacke von rechts
       
       > Wenn Menschen Gruppen abwerten, befeuert das rechte Gewalt. Die Mitte ist
       > Teil des Problems. Dabei könnte jeder und jede etwas dagegen tun.
       
 (IMG) Bild: Das eigene und das Fremde klar sortiert: Rechtsextreme protestieren gegen offene Grenzen
       
       Ein Hauch von Menschenverachtung steckt in vielen von uns. Sie ist
       gesellschaftlich tief verankert: Warum darf man jetzt nicht einmal mehr
       Zigeunerschnitzel sagen? Die sind aber auch empfindlich. Die Muslime haben
       ein rückständiges Frauenbild. Es sind ja auch wirklich viele junge,
       aggressive Männer, die hier Asyl suchen. Was bei der Mehrheit der Menschen
       abwertende Gedanken sind, im besten Fall reflektierte, ist für
       Rechtsextremist*innen die theoretische Grundlage für Gewalt gegen andere
       Menschen.
       
       Auf Basis dieser gesellschaftlich verbreiteten Vorurteile können Milieus
       gedeihen, in denen sich Rechte radikalisieren. Der Soziologe Wilhelm
       Heitmeyer hat dafür den Begriff der [1][„gruppenbezogenen
       Menschenfeindlichkeit“] geprägt. Sie kommt zum Vorschein, wenn Menschen
       andere Menschen abwerten und ausgrenzen. Das passiert immer in Bezug auf
       eine bestimmte Gruppe – zum Beispiel „die Ausländer“, „die Lesben“ oder
       „die Obdachlosen“. Vereinfacht gesagt: Personen werden einer Gruppe
       zugeschrieben, die Gruppe wird als „anders“ deklariert und darum als nicht
       gleichwertig betrachtet. Seiner „eigenen“ Gruppe schreibt man das Gute zu.
       
       Es geht nicht um individuelle Feindschaften, sondern es entsteht ein
       pauschales Feindbild. Genau hier schlummert die ideologische Verbindung
       zwischen Rechtsterrorismus und der Mitte der Gesellschaft. Beispiele dafür,
       was daraus erwachsen kann, gab es in den vergangenen Monaten erschreckend
       viele: Hanau, Halle, Kassel. Auch in Norddeutschland wurden muslimische und
       jüdische Gemeinden bedroht und gegen [2][Kommunalpolitiker*innen] gehetzt,
       die sich für eine offene Gesellschaft einsetzen.
       
       Erst vor wenigen Wochen korrigierte das Bundeskriminalamt (BKA) die
       deutschlandweite Zahl rechter Gefährder nach oben: 60 von ihnen soll es
       derzeit in Deutschland geben. Der Begriff des sogenannten Gefährders ist
       noch jung. Vereinfacht gesagt, nennt das BKA so Menschen, die
       wahrscheinlich einen Anschlag begehen könnten und deren Motivation
       politisch oder ideologisch ist.
       
       ## „Gefährder“ sind meist Islamisten, selten Nazis
       
       Nach welchen konkreten Kriterien das BKA diese ausmacht, ist
       undurchsichtig. Die Wortschöpfung stammt von der Polizei. Kritiker*innen
       bemängeln, dass der Begriff rassistisch wirke, mehr Überwachung und härtere
       Abschiebungsmaßnahmen legitimiere. Denn die meisten Gefährder ordnet das
       BKA als islamistisch ein.
       
       Laut der Bundesregierung gab es seit der Wiedervereinigung 94 Todesopfer
       rechter Gewalt. Doch die Zahl ist umstritten. Die gemeinnützige
       [3][Amadeu-Antonio-Stiftung] beklagt die staatliche Zählweise und
       recherchiert selbst: Sie kommt auf 208 Todesopfer rechter Gewalt. Im
       niedersächsischen Buxtehude etwa jährt sich am 22. März der Todestag von
       Gustav Schneeclaus. Im Jahr 1992 war der 53-Jährige an einer Bushaltestelle
       mit einer Gruppe Skinheads aneinandergeraten, weil er Adolf Hitler als
       „größten Verbrecher“ bezeichnet hatte. Sie schlugen ihn tot. 
       
       Die Täter aus Hanau und Halle haben allein gemordet. So ganz allein sind
       sogenannte Einzeltäter*innen jedoch nie. Auch sie docken an Ideen und Werte
       an, die bereits bestehen. Sie tauschen sich mit anderen Menschen darüber
       aus – sei es in Chatgruppen oder im Café. Sie radikalisieren sich in einem
       bestimmten Milieu und unterliegen Einflüssen aus der Gesellschaft. So
       bestand die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) nicht nur
       aus einem Trio, sondern vielen Personen, die geholfen haben.
       
       Laut Verfassungsschutz ist rechte Gewalt im Norden weniger verbreitet als
       in anderen Teilen Deutschlands: In Brandenburg fanden 2018 die meisten
       Übergriffe von Rechtsextremen statt, nämlich 4,7 pro 100.000
       Einwohner*innen. In Bremen registrierte der Verfassungsschutz dagegen die
       wenigsten Taten mit 0,29 pro 100.000 Einwohner*innen. Auch in Hamburg,
       Niedersachsen und Schleswig-Holstein ist die Zahl vergleichsweise niedrig.
       
       ## Was kann man tun?
       
       Am Unsicherheitsgefühl von Menschen aus Einwandererfamilien, jüdischen und
       muslimischen Gemeinden oder Sinti und Roma ändert das wenig. Deshalb stellt
       sich die Frage, was die Mehrheitsgesellschaft tun kann, um gruppenbezogene
       Menschenfeindlichkeit zu bekämpfen.
       
       Forschung zeigt: Widerstand gegen rechtsextreme Einstellungen im sozialen
       Umfeld ist elementar. Er kann dazu führen, dass Menschen rechten
       Einstellungen weniger zustimmen. Das gilt für Jugendliche ganz besonders.
       Denn sie sind noch auf der Suche nach ihrer Identität, und dabei
       manifestieren sich erste politische Einstellungen. Konkret heißt das: Etwas
       sagen, wenn eine Kolleg*in einen verächtlichen Kommentar über „die Türken“
       macht. Widersprechen, wenn der Onkel auf der Familienfeier über „die
       Flüchtlinge“ schimpft. Nicht weghören, wenn Gruppen pauschalisiert und
       abgewertet werden. Schlicht: Menschenfeindlichkeit keinen Raum geben.
       
       Den ganzen Schwerpunkt zur Bedrohung von rechts lesen Sie in der taz am
       Wochenende am Kiosk oder [4][hier].
       
       6 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Gruppenbezogene_Menschenfeindlichkeit
 (DIR) [2] /Kommunalpolitiker-ueber-rechte-Hetze/!5655077
 (DIR) [3] https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/
 (DIR) [4] /e-Paper/Abo/!p4352/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sabrina Winter
       
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