# taz.de -- Autoritarismus-Studie der Uni Leipzig: Der Hass bleibt
       
       > Rechtsextreme Einstellungen gehen zurück, zeigt eine neue Studie. Doch
       > Ressentiments gegen Migranten und andere Minderheiten halten sich
       > hartnäckig.
       
 (IMG) Bild: Knapp ein Drittel äußert sich rassistisch. AfD-Demo im Oktober in Berlin
       
       Berlin taz | Corona, Ukrainekrieg, Inflation – die Krisen nehmen kein Ende.
       Und sie verunsichern die Bevölkerung. Dennoch ist die Zufriedenheit mit der
       Demokratie in Deutschland weiter hoch und der Anteil von Personen mit
       rechtsextremem Weltbild in der Bevölkerung so gering wie lange nicht, zeigt
       die aktuelle Autoritarismus-Studie der Universität Leipzig. Dennoch: Viele
       Menschen in der Gesellschaftsmitte haben weiterhin Ressentiments gegen
       Migrant:innen, Muslime oder Sinti und Roma.
       
       Bereits seit 2002 findet die Erhebung alle zwei Jahre statt, anfangs unter
       dem Titel „Mitte-Studie“. Sie gehört zu den meistrezipierten
       Einstellungsstudien hierzulande und wird von der grünen-nahen Böll-Stiftung
       und der Otto-Brenner-Stiftung mitfinanziert. Befragt wurden diesmal 2.522
       Personen im Frühjahr dieses Jahres.
       
       Die Ergebnisse wurden am Mittwoch vorgelegt und muten zunächst erfreulich
       an. So zeigten sich 94,3 Prozent der Befragten von der Idee der Demokratie
       überzeugt – der Wert stieg im Vergleich zur [1][Erhebung vor zwei Jahren]
       leicht an. Und auch der Anteil der Personen mit geschlossenem
       rechtsextremem Weltbild ist deutlich gesunken, auf 2,7 Prozent – in
       Ostdeutschland waren es 2020 noch 9,5 Prozent. Von einer „guten Nachricht“
       sprechen die Studienleiter Oliver Decker und Elmar Brähler. Angesichts
       dieser Zahlen sei „gesellschaftspolitischer Alarmismus“ nicht angebracht.
       
       Aber sie betonen auch, dass dies „nur das halbe Bild“ sei. Denn laut der
       Studie sind nur noch 57,7 Prozent der Befragten mit der aktuellen
       demokratischen Praxis in Deutschland zufrieden. Und deutliche 74,5 Prozent
       zeigten sich resigniert über ihre demokratischen Mitwirkungsoptionen:
       „Leute wie ich“ hätten keinen Einfluss auf das Regierungsgeschehen,
       erklärten sie. In Ostdeutschland stimmten dem 81,3 Prozent der Befragten
       zu.
       
       ## Knapp ein Drittel äußert sich rassistisch
       
       Auch negative Einstellungen gegenüber bestimmten gesellschaftlichen Gruppen
       trüben das Bild. So stimmten 27,4 Prozent der Befragten der Aussage voll
       oder überwiegend zu, dass „Ausländer“ nur hierherkommen, „um unseren
       Sozialstaat auszunutzen“. Fast ebenso viele sehen die Bundesrepublik „durch
       die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“. Und diese
       Zustimmungsraten stiegen zuletzt zumindest in Ostdeutschland leicht an.
       
       Auch negative Einstellungen gegen Muslime bleiben verbreitet – insbesondere
       in Ostdeutschland. Hier stimmen 46,6 Prozent der Befragten der Aussage
       „Muslime sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden“ voll
       oder überwiegend zu. Im Westen sind es 23,6 Prozent. Mehr als die Hälfte
       der Ostdeutschen hätte auch ein Problem damit, wenn Sinti und Roma sich in
       ihrer Nähe aufhielten – im Westen finden das immerhin noch 29,7 Prozent.
       
       Auch antisemitische Ressentiments sind weiterhin ein Problem. Die Studie
       konstatiert vor allem einen „Schuldabwehrantisemitismus“: So erklärten 61
       Prozent, man solle sich lieber gegenwärtigen Problemen widmen als
       Ereignissen, die mehr als 70 Jahre zurückliegen – also den Verbrechen
       Nazideutschlands. Viel Zustimmung gibt es auch für antifeministische
       Positionen. 27 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, Frauen, die
       „mit ihren Forderungen zu weit gehen“, müssten sich nicht wundern, wenn sie
       „wieder in ihre Schranken gewiesen würden“.
       
       Die Forscher:innen beunruhigt auch, dass vor allem junge Ostdeutsche
       zwischen 16 und 30 Jahren chauvinistische Positionen vertreten – mehr als
       in der restlichen Bevölkerung. Die negativen Befunde im Osten hätten aber
       vor allem mit den dortigen Lebensbedingungen zu tun: Hohe
       Autoritarismuswerte gingen mit hohen Arbeitslosenquoten, niedrigem
       Frauenanteil oder geringer Präsenz von Geflüchteten vor Ort einher.
       Allesamt Strukturmerkmale, die im Osten häufiger anzutreffen sind als im
       Westen.
       
       ## Coronakrise verfestigt Polarisierung
       
       Bezogen auf [2][die Coronakrise] kommt die Studie zu ambivalenten
       Ergebnissen. So habe die „Verschwörungsmentalität“ in der Bevölkerung in
       den vergangenen zwei Jahren abgenommen, von 38,4 auf 25 Prozent.
       Gleichzeitig verfestige sich eine Polarisierung: Auf der einen Seite
       stünden 13 Prozent Impfgegner:innen, auf der anderen 19 Prozent der
       Befürworter:innen der Corona-Schutzmaßnahmen, die wiederum starke
       Ressentiments zur Gegenseite habe.
       
       Letzteres werde bisher oft übersehen, konstatiert die Studie. Denn auch ein
       Teil der Maßnahmenunterstützer:innen zeige autoritäre Züge, indem
       er strikt auf die Einhaltung der Maßnahmen poche und Ungeimpften
       „autoritär-aggressiv“ gegenübertrete.
       
       Diese Polarisierung deutet sich nun auch in der Positionierung zum
       [3][Krieg in der Ukraine] an. Hierzu konnte nur eine Online-Nachbefragung
       stattbefinden. Aber auch hier zeigten Unterstützer:innen von
       Waffenlieferungen an die Ukraine und auf der anderen Seite
       Russlandsympathisant:innen eine generell höhere Neigung zu
       autoritären Aggressionen, so die Studie.
       
       Bei allen positiven Befunden geben die Forscher:innen damit keine
       Entwarnung. Auch wenn geschlossener Rechtsextremismus auf dem Rückzug sei,
       blieben autoritäre Ressentiments bestehen – die sich nun anderweitig
       kanalisierten. Für Rechtsextreme biete das letztlich sogar noch mehr
       Möglichkeiten, in der Mitte der Gesellschaft Anschluss zu finden, warnen
       die Autor:innen.
       
       9 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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