# taz.de -- Rechtsstaatlichkeit in der EU: Noch reichlich Luft nach oben
       
       > Die EU-Kommission legt einen Bericht zum Rechtsstaat in den
       > Mitgliedsstaaten vor. Vor allem an Ungarn gibt es wieder viel Kritik,
       > aber nicht nur.
       
 (IMG) Bild: Noch sind Kundgebungen wie diese von Critical Mass in Ungarn möglich
       
       Brüssel taz | Ungarn und die Slowakei bereiten der EU-Kommission wachsende
       Sorgen, weil sie es mit dem Rechtsstaat nicht so genau nehmen. Auch in
       Deutschland gebe es Luft nach oben, heißt es im neuen
       Rechtsstaatlichkeitsbericht, den die Brüsseler Behörde am Mittwoch
       vorgelegt hat.
       
       So seien die deutschen Lobbyregeln nicht strikt genug. Bundesminister und
       parlamentarische Staatssekretäre könnten nach Dienstende zu schnell die
       Seiten wechseln und für Konzerne arbeiten. Auch müsse das Auskunftsrecht
       der Presse gegenüber Behörden gestärkt werden.
       
       Das sind jedoch nur Peanuts im Vergleich zu dem, was die [1][EU-Kommission]
       Ungarn vorwirft. Unter der Regierung von Viktor Orbán gebe es ein
       „systemisches Problem“ mit den Grundrechten, sagte Justizkommissar Didier
       Reynders. Brüssel spricht nicht weniger als acht Empfehlungen aus.
       
       Ungarn müsse „solide Nachweise“ über das Vorgehen gegen Korruption liefern.
       Zudem müsse Budapest die „redaktionelle Unabhängigkeit der
       öffentlich-rechtlichen Medien“ stärken und Gesetze aufheben, die die Arbeit
       von zivilgesellschaftlichen Organisationen einschränken.
       
       ## Fördermittel auf Eis gelegt
       
       Bereits vor einem Jahr hatte Reynders dem Land, [2][das aktuell den
       EU-Vorsitz hat], „sehr große Abweichungen bei der Rechtsstaatlichkeit“
       bescheinigt. Die EU-Kommission hatte deshalb verschiedene Verfahren gegen
       Ungarn eingeleitet und Fördermittel in Milliardenhöhe auf Eis gelegt.
       
       Allerdings hatte Kommissionschefin Ursula von der Leyen im Dezember 10
       Milliarden Euro an Ungarn ausgezahlt – trotz der Probleme. Darauf
       angesprochen, erklärte Reynders, dies sei kein Widerspruch. Budapest habe
       mit Brüssel vereinbarte „Meilensteine“ erfüllt.
       
       Verwirrend fielen auch die Erklärungen zur Slowakei aus. So kritisiert die
       EU-Kommission ein Gesetz zum Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
       Anprangern will sie das Land aber nicht. Man sei im Gespräch mit Premier
       Robert Fico, hieß es. Die EU-Kommission hatte zuletzt positive Signale nach
       Bratislava gesendet und EU-Gelder freigegeben – womöglich um Fico positiv
       zu stimmen. Auch Italien und Griechenland wurden geschont. So hielt die
       Kommission einen kritischen Bericht zur Medienfreiheit zurück.
       
       Das sei normal, dafür habe man den Rechtsstaats-Check, erklärte
       Vizepräsidentin Vera Jourova. Dieser enthalte auch Empfehlungen zur
       Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Italien. Auch beim
       „Predatorgate“ in Griechenland – ein Überwachungsskandal – habe man zügig
       reagiert.
       
       ## Objektiv und fair
       
       Kritiker glauben, dass von der Leyen ihren griechischen Parteifreund
       Kyriakos Mitsotakis schont. Auch auf Italiens postfaschistische
       Regierungschefin Giorgia Meloni habe sie Rücksicht genommen, um ihre
       Wiederwahl nicht zu gefährden.
       
       Die Kommission weist das zurück. Die Rechtsstaats-Berichte seien objektiv
       und fair. Für die fünfte Ausgabe habe man sich intensiver denn je mit den
       Regierungen der 27 Mitgliedsstaaten ausgetauscht, betonte Jourova. Dies
       habe auch Früchte getragen. In zwei Drittel der Fälle seien die
       Empfehlungen der Kommission befolgt worden.
       
       Kritik kam vom grünen Europaabgeordneten Daniel Freund. Die EU-Kommission
       habe es verpasst, frühzeitig auf negative Entwicklungen wie in Italien oder
       auch in der Slowakei zu reagieren. „Hier brauchen wir ein Umdenken von
       Ursula von der Leyen“, so Freund. Brüssel müsse rechtzeitig mit
       Finanzsanktionen gegensteuern.
       
       Noch schärfer äußerte sich der FDP-Parlamentarier Moritz Körner. „Solange
       von der Leyen Kritik an Rechtsstaats-Vergehen als politische Waffe
       einsetzt, um Abstimmungsergebnisse in ihrem Sinne zu beeinflussen, wird
       sich die Achtung der europäischen Werte nicht verbessern“. Es sei
       bezeichnend, dass die Präsentation des Rechtsstaats-Berichts auf die Zeit
       nach der Wahl verschoben wurde. [3][Von der Leyen wurde am vergangenen
       Donnerstag vom Europaparlament in Straßburg in ihrem Amt bestätigt]. Die
       FDP hatte nicht für die CDU-Politikerin gestimmt.
       
       24 Jul 2024
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
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