# taz.de -- Leistungen für Dublin-Flüchtlinge: Das eigentliche Problem übersehen
       
       > Die Ampel will Dublin-Geflüchteten alle Leistungen streichen. Doch das
       > wird nichts bringen, da die eigentlich zuständigen EU-Staaten
       > Abschiebungen verhindern.
       
 (IMG) Bild: Geflüchtete verlassen die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen am Standort Braunschweig, Oktober 2023
       
       Die Ampel-Koalition will Leistungen für Dublin-Flüchtlinge in vielen Fällen
       auf null reduzieren. Das ist einer der wesentlichen Punkte [1][des
       sogenannten Sicherheitspakets, das die Ampel-Koalition am
       Donnerstagnachmittag vorstellte].
       
       Von Dublin-Flüchtlingen spricht man, wenn ein Flüchtling nach den
       Dublin-Regeln der EU Anspruch auf ein Asylverfahren in einem anderen
       EU-Staat hat, insbesondere weil er dort erstmals EU-Boden betrat. Dann muss
       er in diesen Staat zurückkehren.
       
       Die Koalition hat nun beschlossen, dass Asylsuchende in Deutschland keinen
       Anspruch mehr auf Sozialleistungen haben, sobald der eigentlich zuständige
       Staat der Rücküberstellung zugestimmt hat. Justizminister Marco Buschmann
       (FDP) hofft, dass Betroffene dann freiwillig in das zuständige Land
       ausreisen.
       
       Buschmann hatte bereits Ende 2023 gemeinsam mit FDP-Chef Christian Lindner
       gefordert, dass Dublin-Flüchtlinge nur noch die Fahrkarte in den
       zuständigen EU-Staat erhalten sollen.
       
       ## Bett, Brot und Seife ist bereits aktuelle Praktik
       
       Manche Medien berichten nun, dass ausreisepflichtige Dublin-Flüchtlinge nur
       noch „Bett, Brot und Seife“ bekommen sollen. Das ist wohl ein
       Missverständnis. Die Reduzierung der Leistungen für ausreisepflichtige
       Dublin-Flüchtlinge auf Essen, Unterkunft sowie „Körper- und
       Gesundheitspflege“ ist bereits derzeitige Rechtslage. Nur bei besonderen
       Umständen können auch weitergehende Leistungen für den persönlichen Bedarf
       gewährt werden. Diese bereits 2015 eingeführte Kürzungsmöglichkeit wird von
       den Ausländerbehörden auch genutzt.
       
       Bei der nun geplanten Reform geht es tatsächlich um einen völligen
       „Ausschluss“ der Leistungen. Wie dies in der Praxis dann aussehen wird, ist
       allerdings noch offen. Faktisch wird wohl niemand hungern müssen, aber dann
       vielleicht nur noch Sachleistungen für Obdachlose erhalten. Aber das ist
       derzeit noch Spekulation.
       
       ## Wahrscheinlich rechtmäßig
       
       Die Organisation Pro Asyl hat die Pläne der Koalition massiv kritisiert,
       sie seien „absehbar verfassungswidrig“. Zu Recht weist Pro Asyl darauf hin,
       dass Sozialleistungen nicht zur bloßen Abschreckung gestrichen oder
       willkürlich gekürzt werden dürfen.
       
       Allerdings geht es hier nicht um abstrakte Abschreckung, sondern um
       Durchsetzung der geltenden Dublin-Regeln. Flüchtlinge haben danach in der
       EU zwar Anspruch auf ein Asylverfahren, können sich aber den Zielstaat
       nicht aussuchen. Es dürfte daher nicht verfassungswidrig sein, Asylsuchende
       darauf zu verweisen, dass sie in anderen EU-Staaten Anspruch auf Ernährung
       und Unterkunft haben.
       
       So hat das Gericht bereits 2022 in einem anderen Fall erklärt, dass der
       Gesetzgeber von Asylsuchenden durchaus verlangen kann, „an der Überwindung
       ihrer Hilfebedürftigkeit selbst aktiv mitzuwirken oder die Bedürftigkeit
       gar nicht erst eintreten zu lassen“. Dazu passt auch die Entscheidung des
       Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV-Sanktionen von 2019. Danach können
       die Sozialleistungen ausnahmsweise vollständig versagt werden, wenn die
       „Aufnahme einer angebotenen zumutbaren Arbeit“ abgelehnt wird. Denn damit
       habe es der Bedürftige in der Hand, seine menschenwürdige Existenz selbst
       zu sichern.
       
       ## Die Reform wird kaum etwas ändern
       
       Das eigentliche Problem [2][ist das Dublin-System selbst], wonach
       Deutschland fast nie für Asylverfahren zuständig wäre, weil es keinerlei
       EU-Außengrenzen hat. Das ist offensichtlich ungerecht und es ist deshalb
       gut nachvollziehbar, dass die EU-Staaten, die an den EU-Außengrenzen
       liegen, das Dublin-System unterlaufen, wo es geht.
       
       Da die Streichung der Sozialleistungen für Dublin-Flüchtlinge zu Recht an
       die konkrete Aufnahmebereitschaft des zuständigen EU-Staats geknüpft ist,
       wird es also wohl auch künftig viele Dublin-Flüchtlinge geben, die in
       Deutschland bleiben können und auch versorgt werden – weil nicht sie die
       Überstellung verhindern, sondern der zuständige EU-Staat.
       
       31 Aug 2024
       
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