# taz.de -- Flussausbau für den Klimaschutz: Baggern, Normen, Stauen
       
       > Binnenschifffahrt gilt als klimafreundlich. Um mehr Verkehr auf deutsche
       > Flüsse zu bekommen, werden sie umgebaut. Das hat oft einen hohen Preis.
       
 (IMG) Bild: Zwischen der Schleuse Straubing und der Eisenbahnbrücke Bogen wird die Donau ausgebaggert
       
       Berlin taz | Hinter Straubing ist die Donau auf etwa 70 Kilometern noch
       nicht in ein genormtes Korsett gezwängt, es gibt Überschwemmungsflächen,
       Altarme und fast natürliche Ufer. Noch. Denn seit 2020 läuft der
       Donauausbau. Zwischen Straubing und Vilshofen [1][sollen die
       Schifffahrtsverhältnisse verbessert werden]. Sogenannte Buhnen, kleine
       Dämme quer zur Fließrichtung, werden in den Fluss gebaut, Ufer befestigt,
       die Sohle wird ausgebaggert. 600 Millionen Euro sind für den ersten
       Bauabschnitt veranschlagt, die Kosten insgesamt sollen sich auf mehr als
       eine Milliarde Euro belaufen.
       
       Auch die Elbe darf nicht bleiben, wie sie ist. Containerschiffe werden
       immer größer. [2][Da muss der Fluss eben angepasst werden, wenn die Schiffe
       den Hamburger Hafen erreichen sollen]. Die jüngste Vertiefung – die achte –
       soll in diesem Jahr beendet werden, rund 800 Millionen Euro hat das
       gekostet. Auch weiter oben droht dem Fluss Ungemach: Derzeit verhandeln
       Deutschland und Tschechien ein neues Regierungsabkommen zur Schiffbarkeit.
       In Tschechien ist die Elbe bis Usti bereits mit Staustufen kanalisiert, bei
       Děčín soll nun eine neue gebaut werden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung
       ist bereits abgeschlossen.
       
       Dass die Flüsse schiffbarer werden sollen, wird auch mit Klimaschutz
       begründet. Eine auf dem Fluss transportierte Tonne Fracht verursacht für
       sich zunächst weniger CO2, als wenn sie auf der Straße transportiert würde.
       „In der Gesamtbetrachtung schneidet die Wasserstraße aber schlechter ab,
       wenn sie dafür ausgebaut werden muss“, sagt Steffi Lemke, bündnisgrüne
       Bundestagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt und Mitglied der
       Parlamentariergruppe „frei fließende Flüsse“. In dieser haben sich
       Abgeordnete der Union, der SPD, Linkspartei, FDP und Grünen
       zusammengeschlossen, um parteiübergreifend zu agieren. „Dort, wo die Flüsse
       ausgebaut wurden, zahlen wir heute einen hohen Preis“, sagt Lemke. Allein
       für die Renaturierung der Havel werden 30 Millionen Euro bis 2024 fällig,
       „vom Schaden für die Natur ganz zu schweigen“.
       
       [3][Jetzt soll die Oder drankommen]. „Die Bundeswasserstraßenverwaltung hat
       eine strategische Umweltverträglichkeitsprüfung für den Ausbau
       eingeleitet“, sagt Dirk Treichel, Leiter des Nationalparks Unteres Odertal,
       die polnische Seite hat den Ausbau bereits für „umweltverträglich“ erklärt.
       Das Land Brandenburg hat dagegen Widerspruch eingelegt, „die polnischen
       Behörden haben die Folgen des Ausbaus der Oder nur auf der polnischen Seite
       betrachtet“, sagt Treichel. Eine Antwort aus Polen steht noch aus.
       
       ## Öko kein definiertes Ziel
       
       Tatsächlich war es die deutsche Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe,
       die 2014 im Auftrag der polnischen und deutschen Schifffahrtsverwaltungen
       ein sogenanntes Stromregulierungskonzept erarbeitete. „Eine Verbesserung
       des ökologischen Potenzials der Grenzoder“ war „kein definiertes Ziel“,
       heißt es darin. Vielmehr soll der Fluss für die Schifffahrt vertieft
       werden, um fast das ganze Jahr über 1,80 Meter Wassertiefe aufzuweisen.
       
       Dafür müsse es neue Buhnen geben, mit einer „Neigung von 1:10, beidseitig“
       – das heißt hier: Steinwälle sollen wie Stachel vom Ufer in den Fluss
       ragen, um ihn an den Rändern zu bremsen und in der Mitte zu beschleunigen.
       Ein Korsett, das die Oder schneller fließen und sich tiefer eingraben
       lässt, damit sie möglichst ganzjährig schiffbar bleibt. „Auf polnischer
       Seite plant man, im Herbst 2021 mit der Umsetzung von Baumaßnahmen zu
       beginnen“, teilt die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt mit:
       „Hierzu liegt bereits die Genehmigung vor und das Vergabeverfahren hierzu
       läuft.“
       
       „Wenn Polen seine Pläne umsetzt, dann wird das den Nationalpark dauerhaft
       schwer schädigen“, sagt Nationalparkleiter Treichel. Fließe die Oder
       tiefer, werde das letzte Wasser aus den Auen gezogen, die dann vertrocknen
       und vernichtet werden. Das Untere Odertal ist Deutschlands einziger
       Auennationalpark.
       
       Doch nicht nur im Nationalpark soll die 162 Kilometer lange Grenzoder
       ausgebaut werden, auch bei Frankfurt, bei Küstrin und südlich von Schwedt.
       „Die Buhneninstandsetzung in Reitwein ist bereits fertiggestellt“, erklärt
       die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt. Nach dem Oderhochwasser
       1997 hatte die Weltbank Polen umfangreiche Mittel zum Hochwasserschutz
       zugesprochen, die nun endlich verbaut werden sollen. „Jeder Euro ist gut
       investiert“, sagt Kapitän Leszek Kiełtyka aus Stettin, fünf Schubkähne und
       zwei Motorfrachtschiffe gehören seiner Firma. Seit 40 Jahren befährt er die
       Oder und sieht im Ausbau die Zukunft seines Berufsstandes. Nach dem Ausbau
       könnten gut 28 Millionen Tonnen Fracht im Jahr auf dem Fluss transportiert
       werden, nahezu doppelt so viel wie jetzt.
       
       ## Milliarden für die Schiffbarkeit
       
       Grundlage für die Pläne ist ein deutsch-polnisches Regierungsabkommen von
       2015. „Der Ausbau verstößt gegen europäisches Naturschutzrecht“, sagt
       Lemke. Aber die deutsche Regierung versuche sich um den Oderausbau
       „irgendwie rumzumogeln“. Tatsächlich könnte nur ein neuer Vertrag den
       Oderausbau noch verhindern. Doch die deutsch-polnischen Beziehungen sind
       angespannt, die regierende PiS-Partei gilt als schwieriger
       Verhandlungspartner.
       
       Außerdem gibt es neuerdings einen Staatsvertrag zwischen Tschechien und
       Polen: Geplant ist ein Oder-Elbe-Donau-Kanal, der die Ostsee mit dem
       Schwarzen Meer verbinden soll. Das tschechische Verkehrsministerium legte
       Ende 2018 eine Machbarkeitsstudie vor, nach der das Gesamtprojekt fast 600
       Milliarden Kronen (22 Milliarden Euro) kostet, Ende 2020 stellte die
       Regierung von Premierminister Andrej Babiš die ersten 15 Milliarden Kronen
       (550 Millionen Euro) zur Verfügung, mit der die Oder vom tschechischen
       Ostrava bis zur polnischen Grenze schiffbar gemacht werden soll.
       
       Tatsachen schaffen, um daraus Notwendigkeiten abzuleiten: Solch ein
       Vorgehen ist typisch für die Flussausbauer. „In den 90er Jahren wurde der
       Hafen Halle mit 60 Millionen Euro ausgebaut“, sagt Lemke. Dabei können
       schon mittlere Binnenschiffe Halle gar nicht erreichen. Die letzte der
       sechs Saalestaustufen war nämlich im Zweiten Weltkrieg nicht mehr gebaut
       worden. Der DDR fehlten die Mittel und nach der Wende lag die Baustelle im
       Biosphärenreservat Mittelelbe.
       
       Zwar versuchten die Ausbaufans trotzdem immer wieder, die Staustufe
       durchzusetzen; sogar ein 100 Millionen Euro teurer Seitenkanal schaffte es
       in den aktuellen Bundesverkehrswegeplan 2030. Mit ihrem Eintritt in die
       Landesregierung Sachsen-Anhalts setzten die Bündnisgrünen vor fünf Jahren
       dem Kapitel aber ein Ende. Die Stadt Halle musste Jahrzehnte die
       Millionenverluste ihrer Hafen GmbH tragen bevor sie 2018 abgewickelt
       wurde. Heute ist das Hafenbecken an einen Fischzüchter verpachtet.
       
       ## Die Auslöschung des Stints
       
       Doch nicht nur ökonomisch sind die Flussbaupläne ein Wagnis, auch
       ökologisch sind sie gefährlich. Vor der letzten Runde der Elbvertiefung bei
       Hamburg hatten Umweltschützer gewarnt, der Mündungstrichter werde
       verschlicken. „Das hatte das Bundesamt 2017 ausgeschlossen, aber genauso
       ist es jetzt gekommen“, sagt der grüne niedersächsische Umweltpolitiker
       Stefan Wenzel.
       
       [4][Viele Elbfischer hätten wichtige Fanggründe verloren], der Stint, einst
       wichtigster Fisch, sei im Naturschutzgebiet Elbe und Inseln nahezu
       ausgelöscht. „Die gesamte Be- und Entwässerung des Marschlandes,
       insbesondere des Obstanbaugebietes ‚Altes Land‘ ist in Gefahr“, so Wenzel,
       die Deichverbände würden Alarm schlagen. „Jetzt soll der Schlick der
       aktuellen Vertiefungskampagne in der Nordsee bei Cuxhaven verklappt
       werden.“ Wenzel hält das für rechtswidrig.
       
       Zudem setzt der Klimawandel den Flüssen immer stärker zu, Weser, Elbe und
       auch der Rhein führten in den letzten Jahren oft so wenig Wasser, dass die
       Schifffahrt zum Erliegen kam. Die Schwarze Elster, ein 179 Kilometer langer
       Nebenfluss der Elbe, trocknete 2018 in Brandenburg genauso aus, wie die
       Dreisam vor Freiburg im Breisgau. Deshalb wird vielerorts viel Geld
       investiert, um Wasser wieder länger in der Landschaft zu halten.
       Beispielsweise an der Spree, ihr Ausbau vor mehr als 100 Jahren wird an
       vielen Stellen rückgängig gemacht, die Altarme werden wieder zum normalen
       Flussbett.
       
       Nach dem Bundesverkehrswegeplan 2030 sollen 24,5 Milliarden Euro in die
       deutschen Wasserstraßen verbaut werden: knapp 400 Millionen Euro etwa in
       die Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe, 48 Millionen in die
       Flussvertiefung des Mains zwischen Wipfeld und Limbach, mehr als 36
       Millionen in die Vertiefung der Außenems, 10 Millionen in die Anpassung der
       Mittelweser. Ob die Pläne umgesetzt werden, wird auch von dem Ausgang der
       nächsten Bundestagswahl abhängen.
       
       Seit Anfang Juni gilt ein neues „Gesetz zum wasserwirtschaftlichen Ausbau
       der Bundeswasserstraßen“. Es verpflichtet die Behörde, beim Flussausbau die
       Ziele der Wasserrahmenrichtlinie zu berücksichtigen. Mehr Ökologie also.
       Hans-Heinrich Witte, der Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und
       Schifffahrt, erklärt:
       
       „Das neue Gesetz ermöglicht uns, die Bundeswasserstraßen aus einer Hand
       umweltfreundlich weiterzuentwickeln. Bei all unseren Projekten spielt der
       Umweltschutz eine bedeutende Rolle. Wir stellen uns nicht nur auf die
       Folgen des Klimawandels ein, sondern tragen durch umweltfreundliche
       Antriebe und Technologien wesentlich zum Umweltschutz bei. Ausbauprojekte
       wie z. B. die Abladeoptimierung des Mittelrheins gewährleisten auch bei
       Niedrigwasser bessere Transportbedingungen.“
       
       19 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] /Folgeprobleme-der-Elbvertiefung/!5765250
 (DIR) [3] /Protest-gegen-Naturzerstoerung-in-Polen/!5756792
 (DIR) [4] /Archiv-Suche/!5779000&s=stint&SuchRahmen=Print/
       
       ## AUTOREN
       
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