# taz.de -- Abschiebung von Afghan:innen: Aufnahmezusage ist nicht gleich Aufnahmezusage
       
       > Gefährdete Afghan:innen sind ausschließlich durch Aufnahmezusagen nach
       > dem Bundesaufnahmeprogramm geschützt. Das hat jetzt ein Gericht
       > entschieden.
       
 (IMG) Bild: Nach langer Wartezeit sind mehrere Menschen aus Afghanistan mit Aufnahmezusage in Deutschland angekommen, Hannover, am 1.9. 2025
       
       BERLIN taz | Ein ehemals hochrangiger afghanischer Richter hat [1][keinen
       Anspruch auf ein Visum nach Deutschland]. Die einst erhaltene
       Aufnahmezusage sei rechtlich nicht verbindlich, entschied jetzt das
       Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg in einem Eil-Beschluss. Der
       Ex-Richter hatte eine Zusage aus dem falschen Aufnahmeprogramm.
       
       Nach dem überstürzten Abzug der Bundeswehr 2021 hat Deutschland über 36.000
       Menschen aus Afghanistan aufgenommen, darunter rund 20.000 ehemalige
       Ortskräfte der Bundeswehr und anderer deutscher Organisationen. Über 2.000
       Afghan:innen warten aber noch in Pakistan. Sie verließen
       [2][Afghanistan, weil sie eine Aufnahmezusage Deutschlands] erhalten
       hatten.
       
       Die [3][deutsche Botschaft in Pakistan], die für die Abwicklung der
       Ausreise nach Deutschland zuständig ist, hatte die entsprechenden
       Aktivitäten jedoch wegen des pakistanisch-indischen Konflikts zeitweise
       eingestellt. Zudem stoppte die neue schwarz-rote Bundesregierung alle
       Aufnahmeprogramme, um die Zusagen neu zu prüfen. In Pakistan leben die
       Afghanen in Guesthauses, die Deutschland finanziert, doch droht ihnen die
       Abschiebung nach Afghanistan. Vor wenigen Tagen wurden bereits 210 Personen
       abgeschoben.
       
       Seit Ende Juni [4][klagen immer mehr Afghan:innen] mithilfe deutscher
       Anwält:innen beim Verwaltungsgericht (VG) Berlin und berufen sich auf
       die deutsche Aufnahmezusage. Doch das VG Berlin und vor allem das
       übergeordnete OVG Berlin-Brandenburg differenzieren nach Art des
       Aufnahmeprogramms.
       
       ## Alte Programme und informelle Zusagen
       
       Wer eine [5][Zusage des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan] (BAP) hat,
       klagte meist mit Erfolg. Hier habe die Bundesrepublik eine verbindliche
       Zusage gemäß Paragraf 23 Aufenthaltsgesetz gegeben. Diesen
       bestandskräftigen Verwaltungsakt könne sie nicht einfach aus politischen
       Gründen widerrufen. Das OVG bestätigte dies Ende August.
       
       Anders sieht es mit den drei anderen Programmen aus: dem
       [6][Ortskräfte-Programm, der Übergangsliste, die dem BAP vorausging, und
       der noch früheren Menschenrechts-Liste]. Hier handelte es sich um ältere
       Programme, bei denen die Aufnahmezusagen eher informell gegeben wurden.
       Laut OVG waren die Aufnahme-Entscheidungen hier „Ausdruck autonomer
       Ausübung des außenpolitischen Spielraums des Bundes“.
       
       Es handelte sich um humanitäre Aufnahmen nach Paragraf 22 des
       Aufenthaltsgesetzes. Die Erklärung der Aufnahmebereitschaft sei hier „eine
       Maßnahme mit bloß innerbehördlichem Charakter, die Einzelnen subjektive
       Rechte nicht vermittelt.“ Feinheiten des deutschen Verwaltungsrechts, die
       nun über Existenzen entscheiden.
       
       Es kommt also für die rechtliche Qualität der Aufnahmezusage nicht auf den
       Grund der Aufnahme an, das heißt, ob es um Ortskräfte oder um engagierte
       und deshalb gefährdete Personen geht. Entscheidend ist vielmehr, ob die
       Zusage im Rahmen des neueren Bundesaufnahmeprogramms oder eines der älteren
       Programme erfolgte. Der Ex-Richter, der nun nicht nach Deutschland kommen
       kann, stand auf der sogenannten Übergangsliste.
       
       ## Tausende mit Zusagen sitzen fest
       
       Ende Mai saßen laut Bundesregierung 2.384 Personen mit deutschen
       Aufnahmezusagen in Pakistan fest. 1.245 gehörten zum
       Bundesaufnahmeprogramm, 772 hatten Zusagen im Rahmen des Übergangsprogramms
       erhalten, 70 Personen gehörten zur Menschenrechts-Liste und 297
       [7][Afghan:innen waren ehemalige Ortskräfte deutscher Organisationen].
       Familienangehörige sind in den Zahlen bereits enthalten.
       
       Die Klagen beim VG Berlin beziehen sich ganz überwiegend auf Personen, die
       BAP-Zusagen haben, weil hier die Erfolgschancen am größten sind.
       Tatsächlich gab es bereits einige [8][Dutzend erfolgreiche Urteile].
       Teilweise drohte das VG der Bundesregierung sogar Zwangsgeld an. Hinzu
       kommen rund 15 Fälle, bei denen die Sicherheitsüberprüfung noch nicht
       abgeschlossen war. Hier wurde die Bundesrepublik jedoch verpflichtet, das
       Verfahren möglichst schnell zu beenden.
       
       Auch im Charterflugzeug, mit dem am heutigen Montag rund 50 [9][Personen
       aus Afghanistan eingeflogen] wurden, saßen fast ausschließlich Personen mit
       einer BAP-Zusage. „Alle hatten ihre Einreise beim VG Berlin erstritten“,
       sagte Matthias Lehnert, der zu den rund zwanzig Anwält:innen gehört, die
       die Klagen vorbereiten und einreichen.
       
       Dutzende weiterer Verfahren sind am VG Berlin anhängig. Das VG Berlin will
       demnächst genaue Zahlen nennen. Ständig kommen aber neue Verfahren hinzu,
       sobald die Helfer der [10][NGO „Luftbrücke Kabul“ in Pakistan] die
       Dokumente zusammengestellt haben.
       
       Für Personen aus den falschen Aufnahmeprogrammen bleibt nun wohl nur der
       Weg zum Bundesverfassungsgericht. Sie müssten dort die Verletzung von
       Vertrauensschutz geltend machen.
       
       1 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Einreise-von-Afghaninnen/!6110853
 (DIR) [2] /Asylpolitik-in-Grossbritannien/!6106588
 (DIR) [3] /Aufnahmeprogramm-Afghanistan/!6109641
 (DIR) [4] /Gefluechtete-aus-Afghanistan/!6106313
 (DIR) [5] /Taliban-und-Bildung-in-Afghanistan/!6108673
 (DIR) [6] /Abschiebungen-nach-Afghanistan/!6103468
 (DIR) [7] /Abschiebungen-nach-Afghanistan/!6104951
 (DIR) [8] /Afghaninnen-mit-Aufnahmezusage/!6105057
 (DIR) [9] /Abschiebung-trotz-Aufnahmezusage/!6107054
 (DIR) [10] /Afghanistan-Protestcamp-in-Berlin/!6107255
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Afghanische Flüchtlinge
 (DIR) Afghanistankrieg
 (DIR) Bundeswehreinsatz
 (DIR) Taliban
 (DIR) Abschiebung
 (DIR) Oberverwaltungsgericht
 (DIR) GNS
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Migration
 (DIR) Aufnahmeprogramm
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Innensenatorin Iris Spranger
 (DIR) Friedrich Merz
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Abschiebungen nach Afghanistan: Afghanisches Konsulats-Personal schmeißt hin
       
       Um nach Afghanistan abschieben zu können, lässt Dobrindt Taliban-Vertreter
       ins Land. Aus Protest kündigt nun das bisherige Konsulatspersonal in Bonn.
       
 (DIR) Aufnahme gefährdeter Afghan*innen: Dobrindts Tricksereien untergraben den Rechtsstaat
       
       Das Innenministerium versucht die Einreise gefährdeter Afghan*innen zu
       verhindern. Selbst in Fällen, wo ihr Visarecht gerichtlich bestätigt ist.
       
 (DIR) Brief an Botschafterin in Pakistan: Von Frauen zu Frau
       
       Afghanische Frauen aus dem Aufnahmeprogramm haben sich an die Botschafterin
       in Pakistan gewendet. Ein Hilferuf, um dem Taliban-Regime zu entgehen.
       
 (DIR) Offener Brief an den Kanzler: Hilferuf aus Afghanistan
       
       200 Afghanen mit deutscher Aufnahmezusage bitten Friedrich Merz in einem
       Brief um Einreise nach Deutschland. Sie fürchten Folter und Hinrichtungen.
       
 (DIR) Abschiebungen nach Afghanistan: Aus den Augen, aus dem Sinn
       
       Unter den jüngst nach Afghanistan abgeschobenen 81 Personen befanden sich
       auch vier aus Berlin. Deren weiteres Schicksal interessiert den Senat
       wenig.
       
 (DIR) Abschiebungen nach Afghanistan: Organisierte Verantwortungslosigkeit
       
       Die Bundesregierung erweckt den Anschein von Geschäftigkeit bei der
       Aufnahme gefährdeter Afghan*innen in Deutschland. De facto tut sie
       nichts.
       
 (DIR) Abschiebung trotz Aufnahmezusage: Pakistan schiebt Afghanen mit deutscher Aufnahmezusage ab
       
       Über 2.000 Afghan*innen sitzen in Pakistan fest, obwohl Deutschland
       zugesagt hat, sie aufzunehmen. Nun schob Pakistan erstmals rund 40 von
       ihnen ab.