# taz.de -- EU-Regeln für Fluggesellschaften: Wer Kondensstreifen verursacht, soll künftig zahlen
       
       > Da die künstlichen Wolken die Erwärmung fördern, müssen Fluglinien nach
       > Vorgabe der EU bis März erstmals ihren Beitrag dokumentieren.
       
 (IMG) Bild: Laut Umweltbundesamt tragen Kondensstreifen etwa gleichermaßen zum Treibhauseffekt bei wie das CO₂, das der Flugverkehr ausstößt
       
       Kondensstreifen tragen zur Erwärmung der Erde bei. Deswegen sollen
       Fluglinien nach dem Willen der EU künftig angehalten werden, je nach
       Wetterverhältnissen Flugrouten zu wählen, die weniger Kondensstreifen
       erzeugen.
       
       Die Streifen bilden sich wetterabhängig – nämlich dann, wenn bei niedrigen
       Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit das Wasser an den Abgaspartikeln
       kondensiert und sich Eiskristalle bilden. Bei sehr feuchter Umgebung können
       die Kondensstreifen über Stunden bestehen bleiben und zu Eiswolken
       heranwachsen, Zirruswolken genannt. „Je nach Ort und Tageszeit können
       langlebige Kondensstreifen eine kühlende oder wärmende Wirkung auf die
       Atmosphäre haben, wobei der wärmende Effekt wohl überwiegt“, räumt auch die
       deutsche Luftverkehrswirtschaft ein.
       
       Nach Erkenntnissen des Umweltbundesamtes tragen die Kondensstreifen in der
       Summe etwa gleichermaßen zum Treibhauseffekt bei [1][wie das CO₂, das der
       Flugverkehr ausstößt]. Im Einzelfall kann bei entsprechender Wetterlage die
       Wirkung der Streifen den Effekt des CO₂ sogar um ein Vielfaches
       übersteigen. Daher will die EU-Kommission die Bildung von Kondensstreifen
       mittelfristig in den Emissionshandel integrieren und hat dafür [2][das
       Konzept NEATS entwickelt], das Non-[3][CO₂] Aviation Effects Tracking
       System.
       
       Der NEATS-Prozess hat bereits begonnen, indem Berichtspflichten eingeführt
       wurden. Seit Januar müssen die Airlines für innereuropäische Flüge auf
       Basis der Wetterbedingungen in den durchflogenen Luftschichten das Ausmaß
       der Kondensstreifenbildung dokumentieren. Ab 2027 gilt das für alle Abflüge
       aus der EU. Ende März 2026 müssen die Unternehmen ihren ersten
       Jahresbericht für 2025 vorlegen.
       
       ## Luftverkehrswirtschaft kritisiert die Vorgaben
       
       Basierend auf dieser Erfassung sollen die Fluglinien künftig anhand der
       aktuellen Wetterbedingungen ihre Flugroute so optimieren, dass möglichst
       wenig Kondensstreifen entstehen. Der Bundesverband der Deutschen
       Luftverkehrswirtschaft (BDL) nennt den Vorstoß der EU „ambitioniert, aber
       nicht praxistauglich“, zumal „belastbare wissenschaftliche Daten“ fehlten.
       Die heute verfügbaren Systeme zur Modellierung von Nicht-CO₂-Effekten
       hätten bislang nicht ausreichend nachgewiesen, „inwiefern die Ergebnisse
       dieser Modelle tatsächlich der realen Klimawirkung eines Fluges
       entspricht“.
       
       Genau daran arbeiten jetzt Wissenschaftler. D-KULT heißt ein
       Forschungsprojekt, das am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
       noch bis Ende des Jahres läuft. Die Abkürzung steht für „Demonstrator Klima
       und Umweltfreundlicher Lufttransport“. Im Rahmen des Projekts entwickeln
       Wissenschaftler Optimierungsverfahren, um CO₂-, Nicht-CO₂-Emissionen und
       Lärm zu minimieren, wobei zugleich auch die Kosten möglichst gering
       gehalten und die Anforderungen des Luftverkehrs berücksichtigt werden
       sollen.
       
       „Es handelt sich um ein Optimierungsproblem mit Zielkonflikten“, heißt es
       beim DLR. Im Rahmen eines europaweit bislang einmaligen Feldversuchs wurden
       2024 mehr als 100 reguläre Flüge deutscher Fluggesellschaften umgeleitet,
       mit dem Ziel, Kondensstreifen bestmöglich zu vermeiden.
       
       „Ein wichtiges Ziel des Projekts bestand darin, den Prozess mit allen
       beteiligten Akteuren organisierbar zu machen“, sagt Atmosphärenphysikerin
       Sigrun Matthes vom DLR. Das sei gelungen. Aus meteorologischer Sicht müsse
       aber noch manches verbessert werden. Vor allem werde die Feuchte in der
       oberen Troposphäre, also dort, wo die Kondensstreifen entstehen, in den
       Wettermodellen bisher noch ungenügend berücksichtigt, weil sie für die
       klassische Wetterprognose nicht entscheidend sei.
       
       ## Vermeidung der Kondensstreifen durch Routenänderungen
       
       Die nächste große Aufgabe bestehe dann darin, ein System zu entwickeln, das
       die Klimawirkung der erzeugten Kondensstreifen so quantifiziert, dass sie
       dadurch in die Flugroutenplanung integriert und damit effizient vermieden
       werden können. Die Klimawirkung könnte anschließend auch in den
       Emissionshandel integriert werden.
       
       In welchem Maße bei den Versuchsflügen die Bildung von Kondensstreifen
       tatsächlich reduziert wurde, ist unterdessen noch nicht zu erfahren.
       Bedenken von Kritikern, die lange Umwege und womöglich erhöhten
       Kerosinverbrauch fürchten, hält die DLR-Wissenschaftlerin entgegen: „Es
       geht dabei um Routenänderungen von maximal wenigen Minuten.“
       
       Der BDL unterdessen sieht in dem Erfassungs-, Berichts- und
       Verifizierungssystem für Nicht-CO₂-Effekte im Luftverkehr bislang
       allerdings noch eine Art „Black Box“. Die verwendeten Daten, Modelle und
       Instrumente seien bisher „nicht ausreichend auf ihre Genauigkeit geprüft“
       worden, schreibt der Verband in einer Stellungnahme.
       
       Zudem sei die Datenerfassung sehr komplex. Die Airlines müssten die „Daten
       ihrer Flüge selbst mit hohem Aufwand sammeln und speichern, um sie später
       in NEATS einpflegen zu können“. Hinzu komme, dass das Vermeiden von
       bestimmten Gebieten im dicht beflogenen europäischen Luftraum „zu massiven
       Kapazitätsengpässen führen“ könne.
       
       Während die Argumente der Branche, dass es wissenschaftliche Unsicherheiten
       gebe und dass der Abwicklungsaufwand groß sei, zumindest derzeit nicht ganz
       von der Hand zu weisen sind, wirkt eine andere Kritik des BDL an dem System
       hingegen etwas hilflos: Die „Vermeidung von Nicht-CO₂-Effekten“ müsse „vor
       der Bepreisung“ stehen, formuliert der Verband – und ignoriert so, dass
       [4][die Bepreisung ja gerade das Ziel hat, die Kondensstreifen zu
       vermeiden].
       
       24 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
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