# taz.de -- „Letzte Verteidigungswelle“: Jungnazis als Terroristen angeklagt
> Junge Rechtsextreme formierten sich als „Letzte Verteidigungswelle“. Nun
> klagt sie die Bundesanwaltschaft an – wegen Terrorismus und versuchter
> Morde.
(IMG) Bild: In Altdöbern blieb nur eine Brandruine: Blick in das von den Rechtsextremen angezündete Kulturhaus „Kultberg“
Die rechtsextreme Gruppe war sehr jung, einer ihrer beschuldigten Anführer
erst 15 Jahre alt. Im Mai hatte die Bundesanwaltschaft die Truppe, die im
Internet als „Letzte Verteidigungswelle“ (LVW) firmierte, [1][hochgenommen
und fünf ihrer Mitglieder festnehmen lassen]. Drei weitere saßen schon
zuvor in Haft. Nun hat die oberste Ermittlungsbehörde vor dem
Oberlandesgericht Hamburg Anklage gegen die Gruppe erhoben: wegen Bildung
einer terroristischen Vereinigung.
Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft bestätigte die Anklage. Nach
taz-Informationen wirft die Behörde der Gruppe vor, sich spätestens im
April 2024 zusammengefunden und zu schweren Straftaten verabredet zu haben
– die teils als versuchte Morde gewertet werden. Vor allem mit Gewalttaten
gegen Migrant*innen habe die LVW gegen eine vermeintliche „Überfremdung“
ankämpfen wollen. Auch politische Gegner und die LGBTQ+-Bewegung hätten im
Visier gestanden.
Besprochen wurde sich dazu in einer internen Chatgruppe, dem „Generalchat“.
Postuliertes Ziel der Gruppe war es, das „eigene Land zurückzuerobern“.
Über sich selbst schrieben die Jung-Neonazis, sie seien „die Welle, die den
Dreck aus unserem Land spült“. Sinniert wurde darüber, eine Gewaltspirale
in Gang zu setzen, um damit die „weiße Rasse“ zu erhalten und die liberale
Demokratie abzuschaffen.
## Ein „Propagandaminister“ und eine „Gestapo“
Die taz hatte Anfang April mit als erste auf die „Letzte
Verteidigungswelle“ [2][öffentlich aufmerksam gemacht] und auch nach den
Festnahmen [3][in Altdöbern (Brandenburg) und Wismar
(Mecklenburg-Vorpommern) recherchiert, wo die mutmaßlichen Anführer
lebten]. Auch laut aktueller Anklage sollen die Wismarer Gruppengründer
Jason R. und Benjamin H., 18 und 16 Jahre alt, die „Rädelsführer“ gewesen
sein, ebenso wie der 15-jährige Altdöberner Lenny M., der in der Gruppe als
„Propagandaminister“ fungiert, für sie Videos erstellt und Neumitglieder
geprüft haben soll.
Die anderen festgenommenen Mitglieder kommen aus Thüringen, Sachsen und
Hessen. Bis auf den jüngsten Beschuldigten – den 14-jährigen Ben-Maxim H.,
der der Leiter der gruppeneigenen „Gestapo“ gewesen sein soll – sitzen alle
weiterhin in Haft. Die Ziele der Gruppe waren hochtrabend: Perspektivisch
wollte sie bis zu 400 Mitglieder aufbauen.
Die „Letzte Verteidigungswelle“ schritt auch bereits zur Tat. So soll Lenny
M. mit einem zweiten Gruppenmitglied im Oktober 2024 [4][in Altdöbern ein
Kulturhaus, den „Kultberg“, angezündet haben], das aus ihrer Sicht von
Linken betrieben wurde. Das Gebäude brannte vollständig nieder, es entstand
ein Schaden von 550.000 Euro. Nur durch Glück geriet nicht das angrenzende
Wohnhaus in Brand, in dem die Betreiberfamilie schlief.
Die Bundesanwaltschaft wertet die Tat deshalb als versuchten Mord. In einem
Video soll Lenny M. die Tat angekündigt, seine Mitstreiter mit „Sieg Heil
Kameraden“ gegrüßt und zu ähnlichen Taten aufgefordert haben. Der
beschuldigte Mitanführer Benjamin H. soll die Tat mitgeplant, der jüngste
Beschuldigte Ben-Maxim H. eine Rede dafür geschrieben haben.
Zwei andere Mitglieder sollen wiederum im Thüringer Schmölln im Januar 2025
nachts eine Geflüchtetenunterkunft mit einer Feuerwerksbatterie attackiert
haben. Das Ziel war auch hier laut Anklage, das Haus in Brand zu setzen –
was aber misslang. Dennoch sieht die Bundesanwaltschaft auch diese Tat als
versuchten Mord.
Ein weiterer Angriff auf eine Unterkunft in Senftenberg soll im Februar
bevorgestanden haben, dafür hatte der sächsische „Gauleiter“ Devin K. schon
Sprengkörper beschafft. Zunächst war die Rede von zwei Kugelbomben, es war
aber wohl ein verbotener Feuertopf. Die Tatausführung scheiterte, weil der
21-Jährige zuvor festgenommen wurde. Die Anklage wertet die Tat als
Verabredung zum Mord.
## Neuer Vorwurf: Straftaten als „Pedo Hunter“
Und die Gruppe soll noch mehr Straftaten begangen haben als bisher bekannt.
Die Anklage wirft einigen LVW-Mitgliedern nach taz-Informationen auch vor,
sich ab August 2024 bis zu den Festnahmen in vier Fällen als selbsternannte
„[5][Pedo-Hunter]“ mit vermeintlichen Pädophilen verabredet und diese dann
misshandelt und teils schwerer verletzt zu haben. Einem Betroffenen wurden
Geld und das Handy abgenommen. Zudem sollen Lenny M. und Devin K. auch
einen 13-Jährigen bedroht haben, weil dieser nach ihrer Ansicht zu wenig
Respekt vor ihrer Gruppe gezeigt habe.
Die Straftaten waren fester Bestandteil der Gruppe: So soll eine Aufnahme
in die LVW daran gekoppelt gewesen sein, eine rechte Straftat begangen zu
haben – eine Körperverletzung, ein gespraytes Neonazi-Graffiti oder
eingeworfene Fenstern einer Geflüchtetenunterkunft. Bewerber sollten die
Taten filmen und der Gruppenführung übersenden. Bei Mitgliedern wurde dann
später wiederum eine Bewaffnung mit Messern, Schlagringen,
Schreckschusspistolen oder Böllern angeordnet.
Ab dem kommenden Frühjahr sollen die Angeklagten dann vor dem
Oberlandesgericht Hamburg stehen. Dort wird nun über die Zulassung der
Anklage beraten – und ob der Prozess öffentlich oder nichtöffentlich
geführt wird. Bei Jugendlichen finden Prozesse stets hinter verschlossenen
Türen statt. Da hier aber mit den älteren Beschuldigten auch Heranwachsende
angeklagt sind, könnte der Prozess auch öffentlich geführt werden. Möglich
wäre dann ein teilweiser Ausschluss der Öffentlichkeit, wenn es um die
Jugendlichen geht.
Nach taz-Informationen ist zumindest der beschuldigte Gruppenanführer und
Altdöberner Lenny M. inzwischen in einem Aussteigerprogramm. Gerichte
hielten seinen Haftbefehl dennoch aufrecht: Weil seine Einbindung in die
rechtsextreme Szene so eng sei und die zu erwartende Strafe so hoch, dass
ein zu großes Fluchtrisiko bestehe.
18 Dec 2025
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## AUTOREN
(DIR) Konrad Litschko
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