# taz.de -- Galerie Nord in Berlin-Mitte: Vor dem Nichts
       
       > Nach 21 Jahren verliert der Kunstverein Tiergarten seine Räume. Statt auf
       > langfristige Arbeit wird in den kommunalen Galerien auf kurzfristige
       > Projekte gesetzt.
       
 (IMG) Bild: Nächtliche Außenansicht der Galerie Nord während der Ausstellung „Exzentrische 80er“, Lichtinstallation von Penelope Wehrli
       
       „Macht macht Macht verrückt“ steht auf einem großen Plakat an der Fassade
       des Brüder-Grimm-Hauses in Moabit. Anna, Charlotta, Emilia, Freya, Kaya,
       Rosa, Selma, Tabea, Vincent und Claire, Schüler:innen von der
       Hansa-Grundschule, haben im Rahmen des Projektes „Akte K: Das Kriterium“
       Plakate entworfen, die sich mit Themen wie „Unrecht“, „Du entscheidest“,
       „Anderssein“ und „Macht“ auseinandersetzen.
       
       Ende November gingen die Kinder mit ihren selbst gestalteten Plakaten an
       die Öffentlichkeit und trugen sie in einer Prozession durch die Straßen
       Moabits. Endpunkt war die [1][Galerie Nord] im Brüder-Grimm-Haus. Seit
       sechs Jahren verbindet die Hansa-Grundschule mit dem Kunstverein
       Tiergarten, der die Galerie Nord betreibt, eine enge Kooperation.
       
       Barbara Frieß, Kulturbeauftragte der Schule, zählt über 25 Kunstprojekte
       auf, die in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Tiergarten und verschiedenen
       KünstlerInnen in der Galerie realisiert wurden. Doch bis auf Weiteres ist
       „Akte K: Das Kriterium“ das letzte Projekt, das die Hansa-Schule in der
       Galerie Nord realisieren kann.
       
       Der Kunstverein Tiergarten muss die Räume, die sich in kommunaler
       Trägerschaft befinden, zum Jahresende verlassen. Der Verein wurde 2004 in
       enger Absprache mit dem Bezirksamt Berlin-Mitte gegründet. Die gemeinsame
       Idee war, die Galerie Nord mit einem Verein aus engagierten AnwohnerInnen
       zu betreiben, um so ein sichtbares Zeichen zu setzen gegen die Schließung
       von kommunalen Galerien.
       
       ## 1.300 Künstler:innen in 20 Jahren
       
       Das Bezirksamt beauftragte die künstlerische Leitung. Veronika Witte, seit
       2017 Programmverantwortliche, entwickelte 2018 die Reihe
       „Grenzgängerinnen“, die spartenübergreifend arbeitende Künstlerinnen
       vorstellte. 2024, zum 20-jährigen Bestehen des Kunstvereins Tiergarten,
       stemmte sie zusammen mit Ulrike Riebel und Julia Heunemann, den
       Vorstandsvorsitzenden des Vereins, die Jubiläumsausstellung RE:VISION, die
       die über 1.300 KünstlerInnen, die in zwei Jahrzehnten in den Galerieräumen
       ausgestellt hatten, in einer Rauminstallation zusammenführte.
       
       Julia Heunemann sitzt vor einem der großen Fenster, die den Blick freigeben
       auf die Turmstraße und ihren nie stockenden Menschenfluss. Und die
       gleichzeitig eine Einladung sind, nach drinnen zu schauen auf die Kunst.
       Die vorerst letzte Ausstellung des Kunstvereins entstand in Kooperation mit
       dem Heritage Art Space in Hanoi. Neben dem Fenster klebt eine großformatige
       Fotografie eines Mehrfamilienhauses in Vietnam, daneben steht eine
       verspielte Miniaturausgabe des Gebäudes mit prägnanten Infos zu seinen
       BewohnerInnen.
       
       „Formal ist die Entscheidung des Bezirksamts Mitte, die Räume
       neuauszuschreiben, nicht zu beanstanden“, sagt Heunemann. Aber sie findet:
       „Das Bezirksamt Mitte hätte die legal vorhandenen Ermessensspielräume
       nutzen können, um die Projektförderung zu verlängern. Das wurde nicht in
       Betracht gezogen.“
       
       Der Kunstverein Tiergarten kooperierte neben der Hansa-Grundschule mit
       weiteren Moabiter Schulen und der VHS Mitte. Barbara Frieß von der
       Hansa-Grundschule erzählt von dem Vertrauen, das sich in den vergangenen
       Jahren zwischen Schule und Kunstverein entwickelt hat. „So eine
       Partnerschaft entsteht nicht von heute auf morgen. Das braucht Zeit“, sagt
       Frieß.
       
       ## Lücke im Schulleben
       
       Dass der Kunstverein Tiergarten die Galerie Nord nicht weiter betreiben
       kann und die dortigen Workshops künftig wegfallen, in denen die Kinder mit
       zeitgenössischer Kunst und KünstlerInnen in Kontakt kommen, reiße „eine
       Riesenlücke in unser Schulleben“, konstatiert Frieß.
       
       Der Kunstverein Tiergarten hatte sich noch an der Ausschreibung der
       Galerieräume beteiligt. Doch schließlich gewann der Verein
       parallelgesellschaft e. V. den Wettbewerb, ein KünstlerInnenkollektiv,
       bekannt durch die gleichnamige Lesebühne in Neukölln. In Moabit war das
       Kollektiv bislang nicht aktiv. Es übernimmt mit einem Zehnmonatsvertrag den
       größeren Teil der Räume. Für den zweiten, kleineren Teil, seit Kurzem
       gelabelt als „Galerie Nord / Studio“, sucht das Bezirksamt vier
       Ausstellungsprojekte für das nächste Jahr und hat dazu einen Open Call
       ausgeschrieben.
       
       Schaut man sich die Struktur der übrigen kommunalen Galerien in Mitte
       genauer an, fällt auf, dass die künstlerische Leitung seit Jahren nur noch
       auf Honorarbasis, in der Regel auf ein Jahr befristet, ausgeschrieben wird.
       Nicht nur in der Galerie Nord, auch in der Galerie Wedding, der
       Klosterruine und dem [2][Kunst Raum Mitte] kündigen sich signifikante
       Umstrukturierungen an. So favorisiert der Fachbereich Kunst, Kultur und
       Geschichte an allen vier Standorten kurzfristige kuratorische Projekte.
       
       Dass es auch anders geht, sieht man im Bezirk Spandau. Dort wurden in den
       letzten Jahren in den kommunalen Galerien KuratorInnenstellen in
       Festanstellung geschaffen. Vergleicht man die Zuwendungen an den
       Kunstverein Tiergarten und diekünstlerische Leitung der Galerie Nord (über
       Honorarvertrag) in diesem Jahr mit den ausgeschriebenen Summen für die
       Galerie Nord und Galerie Nord /Studio 2026 (zusammen 90.000 Euro), dann
       sind das circa 30.000 Euro Mehrkosten im nächsten Jahr.
       
       Wie ist diese Ausgabensteigerung vor dem Hintergrund der massiven
       Kulturkürzungen im Doppelhaushalt 2026/27 zu verstehen? In einer
       Presseerklärung verkündete Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger
       (Grüne): „Die Galerie Nord soll zu einem offenen Begegnungsraum werden, der
       Kunst, Stadtgesellschaft und Kiez gleichermaßen einbezieht.“ Genau so einen
       Raum hatte der Kunstverein Tiergarten in der Galerie Nord längst
       geschaffen.
       
       25 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katja Kollmann
       
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