# taz.de -- Debatte um Wahlen in Ukraine: Wahlen? Aber sicher
       
       > Trump drängt die Ukraine zu Neuwahlen, Präsident Selenskyj spielt den
       > Ball zurück an die USA und Europa: Wahlen ja, aber nur mit
       > Sicherheitsgarantien.
       
 (IMG) Bild: Vielsagender Blick: Selenskyj am Montag in London
       
       Endlich findet jemand mal wieder klare Worte zur Lage in der Ukraine –
       Donald Trump sei Dank. Nach ein paar Floskeln über den Mut und Kampfgeist
       des Landes, des ukrainischen Volkes und des Militärs kam der US-Präsident
       zur Sache: Russland sei derzeit eindeutig in der stärkeren
       Verhandlungsposition. Und in der Regel siege dann irgendwann die Gewalt,
       sagte er am Dienstag [1][in einem Interview mit dem US-Portals Politico.]
       Und überhaupt: Jetzt sei die Zeit für Wahlen gekommen, da es schon lange
       Zeit keine mehr gegeben habe. „Ich weiß nicht, wer gewinnen wird,
       vielleicht Selenskyj, aber das ukrainische Volk sollte eine Wahl haben. Sie
       reden von Demokratie, aber jetzt ist ein Punkt erreicht, dass die Ukraine
       keine Demokratie mehr ist“, sagte Trump.
       
       Er arbeitet sich nicht zum ersten Mal an dieser Frage ab und betet damit
       ein Narrativ des Kreml nach, das dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr
       Selenskyj – seit 2019 im Amt – jegliche Legitimität abspricht. Das tat auch
       Russlands Präsident Wladimir Putin in der vergangenen Woche wieder, als er
       sich zu dem sogenannten US-Friedensplan in 28 Punkten vor indischen
       Journalisten äußerte. Die Unterzeichnung von Dokumenten mit der aktuellen
       ukrainischen Führung sei sinnlos. Diese habe einen strategischen Fehler
       begangen, dass sie sich aus Angst Wahlen verweigere.
       
       Nicht zuletzt die jüngsten Einlassungen Trumps dürften Selenskyj dazu
       bewogen haben, sich zu der Frage von Wahlen zu äußern. Mittlerweile ist es
       auch bei führenden Oppositionspolitiker*innen, wie Ex-Staatschef Petro
       Poroschenko und der früheren Regierungschefin Julia Timoschenko Konsens,
       dass derzeit keine Wahlen abgehalten werden sollten.
       
       Doch dann die Überraschung: Selenskyj, bis Mittwoch noch auf
       Europa-Tournee, beantwortete am Dienstagabend Fragen von ukrainischen
       Journalist*innen in einem Chat. [2][Demnach könnte sich die Ukraine
       innerhalb eines Zeitraums von 60 bis 90 Tagen auf Wahlen vorbereiten.]
       Dafür sei es jedoch notwendig, dass die USA und die europäischen Staaten
       Sicherheitsgarantien abgäben, um eine Durchführung von Wahlen überhaupt zu
       ermöglichen. Von einem vorherigen Waffenstillstand ist in diesem
       Zusammenhang explizit nicht die Rede.
       
       ## Wahlen nicht mit geltendem Recht vereinbar
       
       Hinzu kommt, dass das Parlament entsprechende Änderungen an der geltenden
       Gesetzeslage vornehmen muss. Denn das aktuelle Wahlgesetz verbietet die
       Abhaltung von Wahlen, solange das Kriegsrecht gilt. Das ist seit dem 24.
       Februar 2022 der Fall. Zum letzten Mal wurde das Kriegsrecht am 21. Oktober
       2025 um weitere 90 Tage verlängert. Die Kritik, den politischen
       Institutionen in der Ukraine mangele es an Legitimität, ist nicht ganz
       unberechtigt – zumal unklar ist, wie lange dieser Krieg noch dauern wird.
       Regulär hätten Parlamentswahlen im Oktober 2023 sowie Präsidentenwahlen im
       März 2024 stattfinden müssen.
       
       Allerdings wirft das die Frage auf, wie unter diesen Vorzeichen überhaupt
       Wahlen organisiert werden können, die demokratischen Standards entsprechen.
       
       Das beginnt bei der Erstellung der Wähler*innenverzeichnisse. Laut
       UN-Angaben haben seit dem Kriegsbeginn 2022 rund 5 Millionen
       Ukrainer*innen in anderen europäischen Ländern Zuflucht gesucht.
       Teilweise ist nicht bekannt, wo sie sich derzeit aufhalten. Hinzu kommen
       circa bis zu 3,8 Millionen Binnenflüchtlinge (Stand: Ende 2024/Anfang
       2025).
       
       Wie diese Menschen erfassen und wie viel Zeit bräuchte es dafür? Auch das
       Militär stellt wahltechnisch ein Problem dar. Wie sollen Soldat*innen
       zum Beispiel im Donbass abstimmen – ein Gebiet, wo sich gerade jetzt die
       Kämpfe in einer entscheidenden Phase befinden. Was ist mit den
       Ukrainer*innen in von Russland völkerrechtswidrig besetzten ukrainischen
       Gebieten? Sie sind der Möglichkeit, an den Wahlen teilzunehmen, beraubt.
       
       Auch dieser Umstand würde die Legitimität der Abstimmung nicht nur
       erheblich infrage stellen, sondern könnte auch als Anerkennung des
       derzeitigen Status quo gewertet werden. Last but not least: Es braucht
       einige Fantasie, sich Ukrainer*innen vorzustellen, die im Bombenhagel
       ihre Stimme abgeben. Russland macht keinerlei Anstalten, einem
       Waffenstillstand zuzustimmen – es sei denn zu seinen Bedingungen.
       
       Derzeit laufen Verhandlungen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden.
       
       Laut Selenskyj befindet sich ein Friedensplan in 20 Punkten, an dessen
       Überarbeitung Kyjiw, seine europäischen Verbündeten und Vertreter der USA
       mitgewirkt hätten, in der Finalisierungsphase. Er solle Washington zeitnah
       übergeben werden, genauso wie zwei Dokumente zu Sicherheitsgarantien und
       dem Wiederaufbau der Ukraine nach einem Friedensschluss. Laut der
       Washington Post schlägt Washington unter anderem ein Szenario nach
       koreanischem Vorbild für die Ukraine vor.
       
       So soll es eine entmilitarisierte Zone von Donezk bis Cherson geben, wobei
       beide Seiten, ähnlich wie Nord- und Südkorea, ihre Gebietsansprüche
       behalten. Die USA würden Sicherheitsgarantien nach Nato-Vorbild anbieten,
       die Kyjiw vom US-Kongress absegnen lassen will. Wie sich Moskau dazu
       verhalten wird, könnte an einem Statement von Russlands Außenminister
       Sergei Lawrow vom Mittwoch abzulesen sein. Trump sei der einzige westliche
       Regierungschef, der die Ursachen des Krieges in der Ukraine verstehe und
       die Notwendigkeit ihrer Behebung anerkenne, sagte Lawrow. Jetzt werde der
       Höhepunkt dieser ganzen Geschichte erreicht.
       
       10 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.politico.com/news/2025/12/09/trump-dasha-burns-interview-europe-immigration-ukraine-00682016
 (DIR) [2] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!6136902
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Wolodymyr Selenskyj
 (DIR) Demokratie
 (DIR) Russland
 (DIR) Donald Trump
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Krieg in der Ostukraine: Zwischen Beschuss und Blackouts
       
       Die letzte große ukrainische Stadt im Donbass liegt nur 15 Kilometer von
       der Front entfernt. Trotz Angriffen und Blackouts läuft das Leben weiter.
       
 (DIR) Gipfeltreffen in London: Vier Freunde für Europa
       
       Großbritannien, Frankreich und Deutschland demonstrieren bei einem Treffen
       mit Selenskyj Zusammenhalt – eine Reaktion auf die US-Sicherheitsstrategie.
       
 (DIR) Anton Hofreiter zum Ukraine-Krieg: „Die Ukraine kann den Deal nicht annehmen“
       
       Der 28-Punkte-Plan von Trump und Putin werde nicht zum Frieden führen, sagt
       der Grüne Anton Hofreiter. Die Alternative: mehr Ukraine-Hilfen aus der EU.