# taz.de -- Jahresendkonferenz mit dem Kremlchef: Märchenstunde mit Wladimir Putin
       
       > Russlands Präsident stellt sich Fragen handverlesener Bürger*innen.
       > Moskau habe den Krieg gegen die Ukraine nicht begonnen, sei aber zum
       > Frieden bereit.
       
 (IMG) Bild: Putin vor seiner jährlichen Pressekonferenz und Bürgerfragestunde am Gostinny Dvor
       
       Moskau taz | Seine Memoiren zu schreiben plant Wladimir Putin vorerst
       nicht. Das versicherte der russische Präsident am Freitag zum Ende seiner
       alljährlichen Veranstaltung „direkter Draht“. Vielleicht ist das die beste
       Nachricht dieses Tages. Der Mann im Kreml liebt es, seine immer
       gleichlautenden Thesen aufzuwärmen und seinen Auftritten hören ohnehin sehr
       viele Menschen zu.
       
       So fanden Übertragungen seiner ganze viereinhalb Stunden andauernden 22.
       Jahresabschlusspressekonferenz, bei der auch ausgewählte russische
       Bürger:innen Fragen stellen durften, auch in Schulen und anderen
       staatlichen Einrichtungen statt.
       
       Eingangs wollte die Moderatorin Jekaterina Beresowskaja wissen, wie es um
       die Verhandlungen zur [1][Beilegung des bewaffneten Konflikts mit der
       Ukraine] stünde. Putins Antwort: Auf Seiten der Ukraine sehe er keinerlei
       Anzeichen für eine Bereitschaft dazu. Allerdings deuteten gewisse Signale
       darauf hin, dass Kyjiw bereit sei, in einen Dialog zu treten.
       
       Der Kreml sei dazu sowieso bereit und wolle den Konflikt auf friedliche
       Weise beenden, sobald die Ursachen beseitigt seien. Seine Vorstellungen
       dazu habe er im Juni 2024 im russischen Außenministerium festgehalten. Die
       Ukraine, zur Erinnerung, solle ihre Streitkräfte aus den Gebieten Donezk,
       Luhansk, Saporischschja und Cherson komplett abziehen, also aus
       Landesteilen, die russische Truppen gar nicht besetzt haben.
       
       ## Die Laune steigt
       
       Putins Laune stieg sichtbar, als er von den Erfolgen seiner Armee
       berichtete. Bald werde Liman im Donezker Gebiet vollständig eingenommen und
       auch andernorts gehe es an der Front voran. In Sumy und Charkiw solle eine
       „Sicherheitszone“ geschaffen werden.
       
       Um von vermeintlichen Erschießungen von Zivilisten durch ukrainische
       Einheiten bei der russischen Einnahme von Sewersk zu berichten, wurde extra
       ein mit Orden dekorierter Offizier der russischen Armee in die erste Reihe
       gesetzt. Der allerdings tat sich schwer, seinen Text ohne Hilfe des
       Moderatorenteams aufzusagen.
       
       Ob Moskau sich schuldig an dem weiteren Tod von Menschen fühle, sollte
       Putin Donald Trumps Friedensplan ablehnen? Diese Frage eines Journalisten
       des US-amerikanischen Senders NBC war vermutlich ernst gemeint.
       
       Doch Putins Antwort war in höchstem Maße zynisch und verlogen: „Wir sehen
       uns nicht für den Tod von Menschen verantwortlich, weil wir den Krieg nicht
       begonnen haben.“ Von Ablehnung könne sowieso keine Rede sein, mit den USA
       habe man sich im Sommer [2][beim Präsidententreffen in Alaska] im
       Wesentlichen geeinigt.
       
       ## Westliche Gegenspieler
       
       [3][Einziges Zugeständnis: Putin wolle darüber nachdenken, Angriffe im
       Inneren der Ukraine einzustellen, sollte es zu Wahlen kommen, um deren
       sicheren Ablauf zu gewährleisten]. Auch sollte es sich auf russischem
       Gebiet aufhaltenden ukrainischen Staatsangehörigen möglich sein, ihre
       Stimme abzugeben, damit die Ukraine eine „legitime Staatsführung“ erhalte.
       
       In der Welt des Wladimir Putin könnte es so friedlich zugehen, zum Wohl
       aller, wären da nicht Russlands westliche Gegenspieler. Diese die
       Kriegsrealität komplett auf den Kopf stellende Botschaft war nicht zu
       überhören. Der Ball liege jetzt im Feld der ukrainischen Führung und vor
       allem der europäischer Sponsoren Kyjiws.
       
       Die hatte Putin zwei Tage zuvor als „Jungsauen“ beschimpft – ein Jargon,
       den sich bislang nur Ex-Präsident Dmitrij Medwedjew zueigen gemacht hat.
       Eine belarussische Journalistin hatte Gefallen an dem Begriff gefunden und
       Putin am Freitag dafür ausdrücklich gelobt. Der ruderte jedoch leicht
       zurück, er habe niemand Konkretes damit gemeint.
       
       Aber wen er im Blick hatte, ist auch ohne Namensnennung klar: [4][Die
       Verantwortlichen in Brüssel, die „Raub“ an russischem Vermögen begehen
       wollen, aber sich in der Europäischen Union nur auf halbe Sachen, wie einem
       zinslosen Kredit an die Ukraine, einigen können].
       
       ## Reichlich Erfahrung
       
       Putin triumphiert angesichts europäischer Uneinigkeit und kündigt an, die
       eigenen Interessen zu verteidigen. Darin hat der Kreml ja mittlerweile
       reichlich Erfahrung, siehe Putins Erzählung darüber, wer den Krieg in der
       Ukraine begonnen hat.
       
       Apropos Krieg: Das Jahr 2026 steht unter dem Motto der Einheit aller Völker
       Russlands. Russland mache in dieser Hinsicht, so Putin, alles richtig,
       besonders jetzt, wo die Bevölkerung während der „militärischen
       Spezialoperation“ zusammengeschweißt sei. „Was macht es für die Menschen
       schon für einen Unterschied, welcher Religion jemand angehört, wenn sie
       unter Beschuss stehen?“, fragte er.
       
       In Russland läuft alles prima, so hört sich Putins Erzählung an. Es geht
       nicht stets bergab, sondern bergauf: Die Wirtschaft verzeichnet Zuwächse,
       die Reallöhne steigen. Geht man ins Detail, trifft das indes fast
       ausschließlich auf die Rüstungsindustrie zu.
       
       ## Freudige Nachricht
       
       Etwa zur Halbzeit von Putins Auftritt dann die freudige Nachricht: Die
       Zentralbank senkt den Leitzins von 16,5 auf 16 Prozent. Einige Nöte und
       Sorgen der Bevölkerung kamen beim „direkten Draht“ ebenfalls zur Sprache,
       wie hohe Preissteigerung für Lebensmittel, die Erhöhung der Mehrwertsteuer
       und diverse Defizite bei Sozialleistungen. Eine um ihre Wohnungen betrogene
       Gruppe aus Mariupol hatte sich hingegen vergeblich um Gehör bemüht und war
       schon im Vorfeld abgewiesen worden.
       
       BBC-Korrespondent Steve Rosenberg glänzte mit der Frage, ob Putin Russlands
       Zukunft so sehe wie die Gegenwart, wo abweichenden Meinungen hart bestraft
       würden. Repressionen gegen „ausländische Agenten“? So etwas gäbe es nicht,
       aus Putins Mund klingt allein der Gedanke abwegig. Das „Agentengesetz“ sei
       keine russische Erfindung und anders als in den USA sei auch keine
       Strafverfolgung vorgesehen.
       
       Man müsse nur ausländisches Einkommen angeben. Putin, der sich so gern
       kenntnisreich gibt, irrt an dieser Stelle. Ausländisches Einkommen ist laut
       Gesetz keine Voraussetzung, um als „ausländischer Agent“ zahlreichen
       Beschränkungen unterworfen zu sein. Aber in der Welt des Wladimir Putin
       sind Fakten Chefsache und haben mit der Realität nur wenig gemein.
       
       19 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Friedensverhandlungen-fuer-die-Ukraine/!6138810
 (DIR) [2] /Treffen-zwischen-Trump-und-Putin/!6114395
 (DIR) [3] /Wahlen-in-der-Ukraine/!6132229
 (DIR) [4] /Ueberraschende-Einigung/!6139940
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Vera Bessonova
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Wladimir Putin
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Russland
 (DIR) GNS
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt USA unter Trump
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Zerstörte Infrastruktur in der Ukraine: Das elektrische Herz
       
       Russische Drohnen haben in Odessa ein Umspannwerk zerstört, 130.000 waren
       ohne Strom. Was es bedeutet, im Krieg die Infrastruktur am Laufen zu
       halten.
       
 (DIR) Infrastruktur in der Ukraine: Zehn Stunden Strom am Tag
       
       Der Ukraine steht ein schwieriger Winter bevor. Russland versucht, die
       Stromversorgung des Landes in zwei Teile zu spalten.
       
 (DIR) +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Keine direkten Gespräche zwischen Russland und Ukraine
       
       Derzeit sind keine direkten Gespräche zwischen Russland und der Ukraine
       geplant. Am Samstag sprachen USA und Russland in Florida über ein
       Kriegsende.
       
 (DIR) +++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Ukraine-Gespräche gehen in die nächste Runde
       
       Was vergangene Woche in Berlin zwischen den USA, Europäern und der Ukraine
       besprochen wurde, wird nun in Miami mit Russland diskutiert. Ausgang offen.
       
 (DIR) Krieg in der Ukraine: Informationsschlacht um Kupjansk
       
       Russische Truppen wollen die ostukrainische Stadt Kupjansk eingenommen
       haben. Die ukrainische Armee spricht demgegenüber von einer erfolgreichen
       Gegenoffensive.
       
 (DIR) Steve Witkoff: Putins Mann in Berlin
       
       Zu den Ukraine-Verhandlungen schickt Trump seinen Sondergesandten. Dem
       werfen sogar Republikaner Interessenkonflikte vor. Was ist das für ein Typ?
       
 (DIR) Debatte um Wahlen in Ukraine: Wahlen? Aber sicher
       
       Trump drängt die Ukraine zu Neuwahlen, Präsident Selenskyj spielt den Ball
       zurück an die USA und Europa: Wahlen ja, aber nur mit Sicherheitsgarantien.