# taz.de -- Schulstreik gegen die Wehrpflicht: Fridays for Kriegsdienstverweigerung
> Bundesweit gehen Schüler:innen am Freitag gegen Zwangsmusterung und
> Wehrpflicht auf die Straße. Was bei der neuen Fridays-Bewegung anders
> wird.
(IMG) Bild: Viele junge Leute haben wenig Lust, fürs Vaterland zu sterben
Die Fridays sind zurück! In ganz Deutschland werden am kommenden Freitag
wieder Schüler:innen den Unterricht bestreiken. Dieses Mal wird es aber
nicht vorrangig um die Klimakrise gehen – sondern darum, nicht vom Staat
für dessen Kriege verheizt zu werden. In über 80 Städten haben sich
[1][Schulstreiks gegen die Wehrpflicht] angemeldet. In Berlin beginnt die
zentrale Kundgebung ab 8 Uhr am Platz der Republik.
Hintergrund ist der neue Wehrdienst. [2][Ab kommenden Jahr sollen alle
18-Jährigen einen Fragebogen bekommen], den Jungen verpflichtend ausfüllen
müssen. Ab dem Geburtenjahrgang 2008 sollen dann alle Jungen verpflichtend
gemustert werden. Wenn sich so nicht genügend junge Männer mit Cash und
Abenteuer locken lassen, könnte ein Zwangsdienst folgen – etwa in Form
eines Losverfahrens, das entscheidet, wer für das Vaterland verpflichtet
wird. Verweigert werden könnte dann wohl nur noch der Dienst an der Waffe.
Fan von solchen Ideen sind in Deutschland vor allem diejenigen, die von
einem solchen Zwangsdienst gar nicht betroffen wären. Während insbesondere
[3][sehr alte Leute die Wehrpflicht befürworten, wird sie von jungen
Menschen breit abgelehnt]. Schon jetzt haben [4][Tausende Menschen
vorsorglich beim Familienministerium Anträge auf Kriegsdienstverweigerung]
gestellt. Laut der Jugendtrendstudie sind 81 Prozent der Gen-Z-ler nicht
bereit, für „ihr“ Land zu sterben.
Das ist kaum verwunderlich. Persönliche Betroffenheit war schon immer ein
ziemlich guter Garant für die Produktion von Antikörpern gegen die
Illusion, die Interessen von Staat und Nation seien identisch mit den
eigenen. Denn wer eine gute Rente im Eigenheim genießt, dem mag die Idee
Deutschland eine Ersatzbefriedigung bieten. Doch wen der Staat wirklich zum
Kämpfen und Sterben drängen will, der hinterfragt schon eher, was
eigentlich Sinn und Zweck des Staates im Kapitalismus ist, und ob man
diesem Staat wirklich das eigene Leben in die Hand geben will.
Zu erwarten ist, dass nun von den üblichen Stellen die üblichen Argumente
aufgewärmt werden, die schon gegen die Klima-Fridays gebetsmühlenartig
angebracht worden sind: Die Kinder (und plötzlich werden sie wieder Kinder
sein, nicht mehr Erwachsene, die bereit für den Krieg sind) seien doch naiv
oder würden von Erwachsenen instrumentalisiert, wird es heißen, zumindest
jedenfalls sei doch das Mittel des Schulstreiks falsch.
Versucht werden wird damit nicht nur, den jungen Leute ihre Mündigkeit
abzusprechen, sondern auch, sie zu spalten. Indem an die Gemäßigten
appelliert wird, man werde ihnen zuhören, wenn sie nur einen Schritt auf
den politischen Betrieb zugehen, werden sie von den Radikalen isoliert.
## Kein Bock mehr auf Appellpolitik
Bei den Fridays for Future hat das ziemlich gut geklappt. Die Bewegung hat
sich entlang der Achse Luisa Neubauer / Greta Thunberg aufgespalten.
Während die Neubauer-Sektion den Weg der moralischen Appelle und durch die
Institutionen geht, hat sich der Thunberg-Flügel dem globalen Kampf gegen
den fossilen Kapitalismus und Imperialismus verschrieben. Dass nur noch die
eine Sektion in die Talkshows eingeladen wird, ist kein Zufall.
Doch gerade wegen des Staatsversagens in der Klimakrise und gegen den
Faschismus haben viele junge Leute keine Lust mehr auf Appellpolitik. Und
auch gesellschaftlich darf mit mehr Gegenwind gegen die
Wehrpflichtverweigerer gerechnet werden, als bei den Klimas, deren Anliegen
in Lob ertränkt wurde. Die Ausgangsbedingungen der neuen Fridays for
Kriegsdienstverweigung sind deshalb anders.
Das muss nichts Schlechtes sein. Gerade, wenn es von Beginn an zu einem
härteren Konflikt kommt, wird deutlich werden, dass das Gerede von der
nationalen Gemeinschaft eben in letzter Instanz doch auf Zwang beruht.
Damit würde der Staat selbst zeigen, dass die Militarisierung der
Gesellschaft eben keine Verteidigung der Demokratie darstellt – sondern im
Gegenteil eine Bedrohung für diese ist.
30 Nov 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://schulstreikgegenwehrpflicht.com/#schulstreik-gegen-wehrpflicht
(DIR) [2] /Wehrpflicht/!6129462
(DIR) [3] https://www.zeit.de/politik/ausland/2025-10/wehrdienst-umfrage-mehrheit-befuerwortet-wehrpflicht?utm_source=chatgpt.com
(DIR) [4] /Vorauseilende-Absage-an-den-Wehrdienst/!6130697
## AUTOREN
(DIR) Timm Kühn
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