# taz.de -- Bundeswehr trainiert für den Ernstfall: Operation Aufmerksamkeit
> In der Berliner U-Bahn-Station Jungfernheide spielte die Bundeswehr
> vergangene Nacht ein Sabotage-Szenario durch. Eine Warnung und Werbung
> zugleich.
(IMG) Bild: Soldaten der Bundeswehr im U-Bahnhof Jungfernheide in der Nacht zum 19. November in Berlin
Mitten in der Nacht sind aus dem U-Bahn-Tunnel der Station Jungfernheide im
Norden von Berlin-Charlottenburg erschreckende Schreie zu hören. Gleich
werden diese von den Befehlen des Militärs übertönt. Schnell nacheinander
schallen mehrere Schüsse mit Platzpatronen durch den Bahnhof. Auf den
Gleisen, inmitten des Rauchs einer Nebelmaschine, hält ein U-Bahn-Zug
Richtung Jakob-Kaiser-Platz mit eingeschalteten Scheinwerfern. Nacheinander
dringen Soldaten der Bundeswehr in den Wagen. „Dürfen wir auch mal nach
vorne?“, fragt eine Radioreporterin aus dem Publikum.
Sie streckt ihr Mikrofon durch die auf die Actionszene gerichtete
Kamerawand ihrer Kolleg:innen. Auf der Seite der Schienen drängen sich etwa
50 Journalist:innen am Absperrband, um den inszenierten Einsatz der
Bundeswehr zu verfolgen.
Seit drei Tagen stehen 250 Soldaten des „Wachbataillons Berlin“ Gewehr bei
Fuß – und an den Schultern. Zum zweiten Mal übt die Heeresgruppe ihre
Operation „Bollwerk Bärlin“ auf dem Polizeitrainingsgelände „Fighting City“
in Ruhleben und auf dem Gelände des ehemaligen Chemiewerks Rüdersdorf.
In diesem dritten, von der Bundeswehr ausgearbeiteten Szenario haben die
Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) einen guten Grund für ihre Verspätung. Auf
der U7 sei es zu einer Sabotage gekommen, so der ausgedachte Übungsfall.
Der Verkehr steht still, ein Triebwagen hält mitten im Übungstunnel
Jungfernheide. Ziel für das Militär ist es, den Waggon zu betreten, die
verletzten Personen auf den Bahnsteig zu evakuieren und die Saboteure
festzunehmen.
## Wer hat den Verkehr sabotiert?
Auf dem Bahnsteig der U-Bahn-Station lehnen die evakuierten Soldaten der
Operation an den Säulen. „Mein Bein, mein Bein …“, ruft einer von ihnen
zwischen zwei schmerzverzerrten Röchelgeräuschen. Durch die zerrissenen
Gitterstäbe erblickt man eine Plastikprothese, die aussieht wie ein
gebrochenes Bein.
Ein Soldat mit geschminkten blauen Flecken unter den Augen wird von seinen
Kollegen inmitten von ausgebreiteten Verbänden versorgt. Drei Meter von ihm
entfernt liegt ein Scharfschütze auf dem Boden und hat den Finger auf dem
Abzug seiner Waffe. Der Gewehrlauf zeigt auf die Journalisten, die ihn
fotografieren. Die Szene wirkt wie aus einem durchschnittlichen
Blockbuster. Noch ein Stück weiter auf dem Bahngleis erklärt der 23-jährige
Bastian-Jerome, einer der 35 eingesetzten Soldaten, den Kameras, warum er
zunächst gezögert hatte, zur Polizei zu gehen, und sich dann für die
Bundeswehr entschied.
Die Bundeswehr sagte zwar nicht, wer den Verkehr sabotiert haben soll;
Hintergrund für die Operation dürfte jedoch die „anhaltend angespannte
sicherheitspolitische Lage in Europa“ seit Beginn des [1][russischen
Angriffskriegs gegen die Ukraine] sein. Die Relevanz eines solchen
Szenarios für Berlin liege darin, dass „man nicht ignorieren darf, was 900
km entfernt von Berlin passiert“, betont der Wachbataillon-Kommandeur
Oberstleutnant Maik Teichbärger am Bahngleis. Ziel dieser Simulation sei
auch, ein Signal zu senden, dass die Bundeswehr verteidigungsbereit und
-fähig sei.
## Im Kontext der Wehrpflichtdebatte
Ein weiterer politischer Kontext ist die [2][Wehrpflicht-Debatte].
Vergangene Woche einigten sich Union und SPD schließlich, weiterhin auf
Freiwilligkeit zu setzen, aber auch auf eine [3][flächendeckende Musterung]
sowie Zielwerte für die Truppen-Aufstockung. Parallel dazu berichtete die
Neue Osnabrücker Zeitung Anfang der Woche über eine [4][Rekordzahl von
3.034 Anträgen auf Kriegsdienstverweigerungen] bis Ende Oktober 2025 – fast
die Hälfte davon von Reservisten und Soldaten. So hoch war die Zahl zuletzt
bei der Abschaffung der Wehrpflicht im Jahr 2011.
Dass kein nicht-mediales Publikum an diesem Abend eingeladen und auch
keines der Trainings zur Tageszeit öffentlich ist, habe rein praktische
organisatorische Gründe. „Beim nächsten Mal“ werde es öffentliche Trainings
geben, verspricht der Presseoffizier. Bei einem solchen Medieninteresse sei
die Öffentlichkeit nicht berücksichtigt worden, versichert der
Presseoffizier des Bataillons, obwohl ein Aktionsort wie eine
U-Bahn-Station etwas Besonderes sei.
Ob es hier auch darum geht, für die Rekrutierung zu werben? Dies sei immer
wieder ein „Nebeneffekt“ der medialen Berichterstattung über
Militärübungen.
19 Nov 2025
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## AUTOREN
(DIR) Gabrielle Meton
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