# taz.de -- Wohnungslosigkeit in Berlin: „Nicht auf unserem Rücken“
> Wegen eines Streits zwischen dem Bezirksamt Neukölln und einem
> Heimbetreiber sollen 50 Wohnungslose ausziehen. Die fordern ihren
> Verbleib.
(IMG) Bild: Ein Banner am Balkon fragt: „Sind wir zu Weihnachten obdachlos?“
In Neukölln geht der Streit um das mögliche Ende einer
Wohnungslosenunterkunft in der Saalestraße 17–18 weiter. Alle dort lebenden
Wohnungslosen sollen zum Auszug gezwungen werden, weil das Bezirksamt
Neukölln die Zusammenarbeit mit dem Betreiber der Unterkunft, der
Sunshinehouse GmbH, beenden will. Von den Bewohner*innen hört man: Das
Bezirksamt werfe der GmbH vor, seit 2022 Leistungen für Sozialarbeit in
Rechnung gestellt zu haben – diese habe jedoch nie stattfgefunden.
Die Bewohner*innen haben sich zur Initiative „Saale bleibt“
zusammengeschlossen, um gemeinsam mit der [1][Union für Obdachlosenrechte]
(UfO) dafür zu kämpfen, dass der Konflikt zwischen Bezirksamt und Betreiber
nicht auf ihre Kosten geht: „Wir finden es richtig, dass gegen
Geschäftemacherei mit dem Schicksal von uns Obdachlosen vorgegangen wird.
Aber nicht auf unserem Rücken! Wir sind die Leidtragenden einer
Auseinandersetzung, für die wir nichts können“, sagt Bewohnerin Sabine zur
taz.
„Uns wird ja auch vorgeworfen, dass wir hier schon zu lange wohnen, aber wo
sollen wir denn sonst hin?“ Seit 11 Jahren wohne sie bereits in dem Heim.
Sie sitzt im Rollstuhl und hat einen Hund, seit Langem suche sie vergeblich
nach einer für sie bezahlbaren Wohnung, die ihren Bedrüfnissen gerecht
wird. Sie ist eine von vielen Wohnungslosen, die aufgrund des Mangels an
sozialem Wohnraum viel länger in Wohnungslosenheimen leben müssen, als
eigentlich vorgesehen.
## Sorgen um die Zukunft
Dass die Bewohner*innen jetzt alle raus sollen, will sie nicht
hinnehmen. Der Neuköllner Sozialstadtrat Hannes Rehfeldt (CDU) habe ihnen
zwar versprochen, alle enstprechend ihrer Bedürfnisse in eine passende
Alternativunterkunft zu verweisen. Die Bewohner*innen sind aber
skeptisch, ob das funktionieren wird: Von 55 Menschen mussten bereits 5
ausziehen, einer davon habe Probleme beim Gehen und lebe jetzt im 5. Stock
einer Unterkunft ohne funktionierenden Aufzug, erzählt Sabine.
Der drohende Auszug und die damit verbundene Unsicherheit belaste die noch
verbleibenden Wohnungslosen sehr, sagt Sabine. Auch ihr ist die emotionale
Belastung anzusehen. Einige seien drogenabhängig und durch den Stress
rückfällig geworden. In den vergangenen Jahren sei ein Gemeinschaftsgefühl
unter den Bewohner*innen entstanden, das in einer
Wohnungslosenunterkunft wie dieser nicht selbstverständlich sei.
Die Forderungen von „Saale bleibt“ und UfO richten sich an alle
Konflikparteien: Sozialstadtradt Rehfeldt soll den Bewohner*innen den
Verbleib in der Unterkunft erlauben, unabhängig vom Betreiber. Der wiederum
soll den Widerstand gegen das Bezirksamt aufgeben und die Übergabe an einen
nicht profitorientieren, gemeinnützigen Träger ermöglichen. Auch HKS
Wohnheime GmbH, der Eigentümer der Immobilie, soll auf den Wechsel zu einem
neuen Träger hinwirken, indem er die Zusammenarbeit mit der Sunshinehouse
GmbH beendet.
25 Nov 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://ufo-berlin.org/
## AUTOREN
(DIR) Anselm Mathieu
## TAGS
(DIR) Wohnungslosigkeit
(DIR) Wohnungsnot
(DIR) Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
(DIR) Wohnungslose
(DIR) Schwerpunkt Armut
(DIR) wochentaz
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Wohnstatistik 2024: Über eine Million Menschen sind mittlerweile wohnungslos
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe ermittelt einen Anstieg
von elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
(DIR) Bekämpfung von Wohnungslosigkeit: Kommt das Zuhause für alle?
Bis 2030 soll niemand mehr wohnungslos sein müssen. Ist das realistisch?
Wie geht es denjenigen, die keine Wohnung haben? Protokolle von
Wohnungslosen.
(DIR) Stadtforscherin über Wohnungslosigkeit: „Manche müssen Körperfunktionen timen“
Wer auf der Straße lebt, für den ist vieles schwerer. Für effektive
Gegenstrategien fehlt der politische Wille, sagt Andrea Protschky.