# taz.de -- Messerangriff am Holocaust-Denkmal: „Er sah ihn als Juden an und wollte ihn deswegen töten“
       
       > Im Februar verletzte Wassim Al M. im Stelenfeld des Holocaust-Denkmals
       > einen spanischen Touristen schwer. Am Donnerstag begann der Prozess gegen
       > ihn.
       
 (IMG) Bild: Der Angeklagte Wassim Al M. sitzt zu Prozessbeginn im Saal des Kriminalgerichts Moabit
       
       Ein Schnitt von hinten quer durch den Hals, dann noch ein Stich ins Gesicht
       und die Hand. Es war ein brutaler Angriff, [1][der am 21. Februar den
       spanischen Touristen Iker B.M. im Stelenfeld des Berliner
       Holocaust-Mahnmals traf]. Nur knapp konnten Ärzt*innen das Leben des
       30-Jährigen retten. Am Donnerstag begann vor dem Berliner Kammergericht der
       Prozess gegen den mutmaßlichen Täter Wassim Al M.
       
       Im Gerichtssaal wirkt der Angeklagte klein und schmächtig. Auf seinem Platz
       kauert er, schützt sein Gesicht vor den Fotograf*innen mit einer Mütze
       und einem Schal, den er bis über die Nase zieht. Im weiteren Verlauf nickt
       er, wenn sich jemand direkt an ihn wendet, ansonsten bleibt er regungslos
       und schaut auf den Boden, auch als die Generalbundesanwaltschaft die
       Anklage verliest. Die lautet auf versuchten Mord. Die Vorsitzende Richterin
       deutet gleich zu Beginn an, dass auch eine Verurteilung wegen gefährlicher
       Körperverletzung hinzukommen könnte.
       
       Die Ankläger*innen sehen das Motiv in einer islamistischen Ideologie
       und Antisemitismus. Dass Iker B. M. kein Jude ist, ändert daran nichts. Der
       Tourist war zufällig vor Ort, um das Mahnmal zu besichtigen. „Der
       Angeklagte sah den Geschädigten als Juden an und wollte ihn aus diesem
       Grund töten“, sagte Oberstaatsanwalt Michael Neuhaus am Donnerstag zur
       versammelten Presse. „Er war der Ansicht, eine Art religiösen Auftrag zu
       haben.“ Kurz vor der Tat soll Al M. ein Foto von sich an Mitglieder der
       Terrorgruppe IS geschickt und sich als Mitglied angeboten haben. Nach der
       Tat soll er „Allahu Akbar“ gerufen haben.
       
       Wann Al M. sich radikalisierte, ist unklar. Sicher ist, dass er im
       syrischen Al-Hasaka geboren wurde und 2023 als unbegleiteter minderjähriger
       Geflüchteter über die Türkei nach Deutschland kam. Das Bundesamt für
       Migration und Flüchtlinge Bamf sprach ihm einen Schutztitel samt
       befristetem Aufenthaltstitel zu.
       
       ## Strafmaß noch offen
       
       Bis zu seiner Festnahme lebte er in einem Geflüchtetenheim in Leipzig. Vor
       der Tat war er nicht straffällig geworden. Ob er Mitwisser oder Helfer
       hatte, ist unklar. Weitere Festnahmen gab es bislang nicht.
       
       Nach seinem Angriff gelang Al M. zunächst die Flucht, wohin, ist nicht ganz
       klar. Drei Stunden später stellte er sich Polizist*innen, die in der Nähe
       des Mahnmals ermittelten. Seine Hände waren noch blutverschmiert, berichten
       Medien. In seinem Rucksack fanden die Beamt*innen einen Koran und die
       Tatwaffe – ein 16 Zentimeter langes Messer, das er eigens für die Tat im
       Internet bestellt haben soll. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.
       
       Für das Strafmaß wird entscheidend sein, ob Al M. nach Jugend- oder
       Erwachsenenstrafrecht verurteilt wird. Mit 19 Jahren gilt er als
       Heranwachsender, bei denen je nach Reifegrad entschieden wird, welches
       Strafrecht zur Anwendung kommt. Maßgeblich ist dafür die Bewertung der
       Jugendgerichtshilfe, die im Verlauf des Prozesses angehört wird. Sollte das
       Gericht Erwachsenenstrafrecht anwenden, droht ihm bei einem Schuldspruch
       wegen versuchten Mordes lebenslange Haft. Nach Jugendstrafrecht liegt die
       Höchststrafe bei 15 Jahren.
       
       Am Donnerstag sagten erste Zeugen aus. Ein Polizist, der am 21. Februar vor
       der nahegelegenen amerikanischen Botschaft Wache hielt, berichtete, er habe
       am frühen Abend Rufe gehört. Kurz darauf fand er den schwerverletzten Iker
       B. M., der sich mit Hilfe von Passanten aus dem Stelenfeld geschleppt
       hatte. Der Tourist hielt sich die Hände an den Hals. Dem sei es „nicht so
       gut“ gegangen, berichtet der Beamte. Kollegen hätten dann erste Hilfe
       geleistet, bis der Krankenwagen eintraf. Den Täter habe er nicht gesehen,
       so der Zeuge.
       
       ## Opfer leidet bis heute unter den Folgen des Anschlags
       
       Ähnliches sagte ein weiterer Polizist aus. Er fuhr den ersten Polizeiwagen,
       der am Tatort eintraf, nachdem ihre Kolleg*innen vom Objektschutz der
       amerikanischen Botschaft Alarm gegeben hatten. Vor Gericht berichtet der
       Polizist von einer „klaffenden offenen Wunde“ am Hals des Opfers. Eine
       Blutspur habe zum Tatort im Stelenfeld geführt. „Wir haben gewartet, ob er
       überlebt.“
       
       Die Tat erregte wenig öffentliche Aufmerksamkeit, wohl auch wegen der
       Bundestagswahl zwei Tage später. Beobachter*innen zogen Parallelen zu
       einer ganzen Reihe von Taten durch Geflüchtete, die sich in den Monaten vor
       dem Angriff am Mahnmal ereignet hatten. [2][So hatte Anfang 2024 ein
       afghanischer Geflüchter aus islamistischer Motivation heraus einen
       Polizisten getötet], der den Auftritt eines rechtsextremen Politikers
       absicherte. [3][Im Sommer des gleichen Jahres folgte dann der islamistische
       Messerangriff von Solingen mit drei Toten,] für den ein syrischer
       Geflüchteter verurteilt wurde. Anfang Februar 2025 kam es schließlich zu
       einer Auto-Attacke auf eine Demonstration in München mit zahlreichen
       Verletzten. Auch hier ist der Tatverdächtige ein Geflüchteter, dem ein
       islamistisches Motiv vorgeworfen wird.
       
       Das Opfer von Berlin, Iker B. M., leidet bis heute unter den Folgen des
       Angriffs. Sein Anwalt spricht am Donnerstag von „schweren Einschränkungen“,
       einer Nervenschädigung, deren Heilung ungewiss sei, und einer
       Posttraumatischen Belastungsstörung. „Er kann noch nicht wieder am normalen
       Leben voll teilnehmen“, schildert er. Auch arbeiten könne der
       Ernährungswissenschaftler bislang nicht. Im Dezember soll Iker B. M. selbst
       vor Gericht aussagen. Ein Urteil wird Ende Januar erwartet.
       
       20 Nov 2025
       
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