# taz.de -- Bretonische Spezialität: Alles in Salzbutter
> In der Bretagne ist das Meer nie weit. Und auch die Butter, eine ständig
> verwendete Zutat in der Region, schmeckt danach.
(IMG) Bild: Butter ist in der Bretagne ein Statement
Bei einem Abendessen in der Hafenstadt Brest fragte ich den Koch, ob er aus
der Gegend komme. „Je ne suis pas un breton pur beurre“, antwortete er. Er
sei kein Bretone aus „purer Butter“. Der Vater stamme aus der Gegend, die
Mutter aus dem Elsass, wo er die ersten Lebensjahre verbracht hatte. Also:
Kein waschechter Bretone, kein breton pur beurre.
Butter spielt [1][in der Bretagne] eine gewichtige Rolle. 12 Kilo werden
hier pro Kopf und Jahr verzehrt, mehr als doppelt so viel wie in
Deutschland und auch 4 Kilo mehr als im restlichen Frankreich, wo man ja
ebenfalls nicht an Butter spart. 22 Kilo Butter, zum kunstvoll verzierten
Block geformt, werden der Jungfrau Maria alljährlich in der bretonischen
Gemeinde Spézet dargebracht. Ein jahrhundertealter Brauch, den es früher
vielerorts gab. Und noch eine dritte Zahl: 500 Gramm, statt wie bei uns
250, wiegen die Butterbarren, die meist in den bretonischen Supermärkten
liegen – leider ungeeignet, wenn man wie ich mit dem Auto unterwegs ist.
Ich stibitze mir meist die kleinen Päckchen, die man zum Abendessen im
Restaurant bekommt.
Ein Grund, warum ich die Bretagne so sehr liebe, ist die stete Nähe zum
Meer, das hier nie weiter als eine Stunde Fahrt entfernt ist. Es dauerte,
bis ich auch das grüne Hinterland entdeckte und damit den Grund für die
bretonische [2][Butterliebe]: das gemäßigte und niederschlagsreiche
Atlantikklima bietet ideale Bedingungen für die Weidewirtschaft. Allerdings
ist es in der Bretagne auch ziemlich feucht. Schlecht, um Käse zu lagern.
Um Milch dennoch als Handelsgut transportierbar zu machen, wurde sie zu
Butter verarbeitet. Durch die Zugabe von Salz verlängerte sich die
Haltbarkeit. An der Südküste wurde es bereits zur Eisenzeit geerntet. Bis
heute ist beurre salé der bretonische Standard. Rund 80 Prozent der in der
Bretagne konsumierten Butter sind gesalzen. Ich mag sie mittlerweile viel
lieber als die ungesalzene.
Das Faible für gesalzene Butter hat auch politische Gründe. Früher war Salz
zur Konservierung von Lebensmitteln unverzichtbar, also erhob das
französische Reich Mitte des 14. Jahrhunderts eine Salzsteuer. Doch damals
war die Bretagne noch ein unabhängiges Herzogtum, von der Steuer nicht
betroffen und daher großzügig im Umgang [3][mit Salz]. Erst 1532 wurde sie
offiziell an die französische Krone angegliedert. Die Bretonen sind stolz
auf ihre eigene Geschichte und Kultur, die sie – Nachfahren keltischer
Einwanderer – vom Rest des Landes unterscheidet. Der Genuss von beurre salé
ist somit auch ein Statement: Wir sind anders als ihr und ganz französisch
werden wir nie.
Kein Mahl, kein morgendlicher Gang zum Bäcker, bei dem ich nicht daran
erinnert werde. Alles wird hier in viel (Salz-)Butter gebraten, geschmort
oder geschwenkt und eine Dessertkarte ohne caramel au beurre salé ist
praktisch nicht existent. Mein Favorit: „Bretonisches Tiramisu“ mit
Karamell und bretonischen Keksen. Auch die sind natürlich mit reichlich
Butter versetzt, wie alle Backwaren hier. Oft sind sie so fettig, dass die
Tüte schon nach wenigen Minuten glasig glänzt.
Da ist der berühmte Kouign-amann, ein von einer Karamellkruste überzogenes
blätterteigähnliches Gebäck, das in jeder Boulangerie verkauft wird.
Manchmal bekommt man ihn auch mit dem in der Bretagne beliebten
Buchweizenmehl, was mir persönlich besser schmeckt.
Allgegenwärtig ist auch der gâteau breton, der „bretonische Kuchen“ (man
mische sechs Eigelb mit 250 Gramm Mehl, 250 Gramm Zucker und 250 Gramm
Salzbutter), sowie seine kleinen Verwandten, die bereits erwähnten palets
bretons. Diese Kekse werden überall in Biscuiterien verkauft, meist
schmucklosen Bauten an Überlandstraßen. Umso bunter geht es innen zu, wo
sich verzierte Dosen mit verschiedenen Keksen stapeln. Sie sind inzwischen
mein [4][Standardmitbringsel] für die Daheimgebliebenen.
Die berühmteste Butter der Bretagne kommt indes aus Saint-Malo, wo der
Buttermachersohn und -enkel Jean-Yves Bordier Mitte der 1980er Jahre einen
kleinen Butterladen übernahm und zur globalen Marke ausbaute. Köche und
Genießerinnen in aller Welt kochen mit seiner Butter, die nach
traditioneller Methode von Hand geknetet und geformt wird. Produzenten wie
er sind in der Bretagne heute die Ausnahme, aber es gibt sie noch:
Butterenthusiasten, die auf ihren Weiden alte Rinderrassen wie Pie Noir und
Froment du Léon halten und deren Milch zu fassgestampfter Rohmilchbutter
verarbeiten, die je nach Jahreszeit verschieden schmeckt.
Das finale Produkt wird gerne aromatisiert. Dass sie als Amuse-bouche
serviert wird, war aber auch mir neu, bis ich kürzlich im
Michelin-besternten La Table de La Butte in Plouider war. Vor dem Essen
schob ein Kellner den eigens designten Butterwagen herein, trug uns die
Kreationen des Abends vor und formte uns – gemäß unserer Bestellung –
kleine Butternocken mit Algen, fermentierter Zucchini, Buchweizen, lokalen
Wildkräutern.
Wer noch mehr Restauranttipps braucht, dem sei das größte bretonische
Gastromagazin ans Herz gelegt. Sein Name lautet: Pur Beurre.
29 Nov 2025
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## AUTOREN
(DIR) Verena C. Mayer
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