# taz.de -- Lehramtsstudium in Berlin: Koalition kürzt eigene Erfolge
       
       > Vor den Haushaltsverhandlungen kritisiert ein Bündnis Kürzungen in der
       > Lehrer*innnenausbildung. Studis bemängeln die Studienbedingungen schon
       > jetzt.
       
 (IMG) Bild: Kurz vor dem Unterricht – auf den Lehramtsstudent*innen in Berlin sich nur schlecht vorbereitet fühlen
       
       taz | Was Kevin Gumprecht aus seinem Lehramtsstudium erzählt, klingt
       innovativ und spannend. Von „Lernreisen“ berichtet er, bei denen
       Student*innen aus Berlin verschiedene Reformpädagogische Schulen in
       Deutschland besuchen, um sich anzugucken, wie sie arbeiten. Er erzählt von
       Treffen, bei denen sich Student*innen mit der Frage auseinandersetzen,
       was gute Schule ist und wie sie als Lehrer*in sein wollen und ihre
       Praxiserfahrungen an Schulen reflektieren.
       
       Und dann gebe es noch das Programm „Lets Play Schule“. „Dafür führen
       Student*innen und Referendar*innen eine Woche lang Projekte an
       einer Schule durch und übernehmen so komplett den Unterricht, damit die
       dort arbeitenden Lehrer*innen sich in der Zeit intensiv mit
       Schulentwicklung befassen können“, erzählt er.
       
       Der Witz dabei: All das ist kein offizieller Teil seines Studiums, sondern
       [1][ehrenamtlich vom Verein Kreidestaub] organisiert, dem Gumprecht selbst
       angehört. In dem Verein haben sich Lehramtsstudent*innen
       zusammengeschlossen, um neue Lernformate auszuprobieren, um Schule zu
       verändern und „Impulse für eine zeitgemäße Ausbildung“ von Lehrer*innen
       zu setzen.
       
       „Wir organisieren uns selbst das, was wir brauchen“, sagt Gumprecht, und er
       betont, dass sie das eigentlich von den Hochschulen erwarten. Doch [2][der
       Uni-Alltag sei für ihn frustrierend]. „Ich muss als angehender Sportlehrer
       einen Schwimmkurs machen, der seit mehreren Semestern immer ausgebucht ist.
       Ohne den Kurs kann ich aber die folgenden Module nicht belegen, und dann
       auch nicht mein Studium abschließen“, sagt er. Auch auf die Korrektur von
       Hausarbeiten würden sie teils ein ganzes Jahr warten. „Aktuell kann ich das
       Studium nicht empfehlen“, sagt Gumprecht.
       
       ## „Krass verunsichert“
       
       Seminare seien meist groß und unübersichtlich. „Bei mehr als 30 Personen
       kann ich nicht über meine Eindrücke und Zweifel nach einem Schulpraktikum
       sprechen“, sagt Gumprecht, dabei sei gerade das enorm wichtig. „Auch Themen
       wie Resilienz oder Demokratiebildung sind in unserem Studium nicht
       vorgesehen“, sagt er. „[3][Wir sind krass verunsichert], ob wir den Beruf
       am Ende überhaupt professionell, also kindgerecht und und zeitgemäß,
       ausführen können.“
       
       Deshalb empört es ihn, dass die Koalition nun weitere Kürzungen
       vorantreibt. Konkret geht es um die vom Senat aufgesetzten Sonderprogramme
       „Beste Lehrkräftebildung“ und „Steigerung Lehramtsabsolvierende“. Für diese
       waren ursprünglich im Haushalt 19 Millionen Euro vorgesehen.
       
       Ersteres gibt es seit 2020, maßgeblich [4][vorbereitet vom damaligen
       Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach] (SPD), der nun Spitzenkandidat
       der SPD für die Abgeordnetenhauswahl 2026 werden möchte. Die Programme
       sollten es den Unis ermöglichen, mehr Studienplätze fürs Lehramt zu
       schaffen.
       
       Finanziert werden daraus etwa Professor*innen für Querschnittsthemen,
       zum Beispiel zur Medienbildung oder Demokratiebildung, aber auch Stellen
       für Prüfungsbüros, Tutor*innen und „Maßnahmen gegen Studienabbruch“. Das
       Programm „Steigerung Lehramtsabsolvierende“ hielt Mittel bereit, um etwa
       Lehramtsstudent*innen zu gewinnen und um das Lehramtsstudium
       strukturell weiterzuentwickeln.
       
       ## Am Freitag im Hauptausschuss
       
       Doch nach Informationen von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft
       (GEW) und der Initiative „Schule muss anders“ sollen beide Programme
       ersatzlos gestrichen werden. So jedenfalls sehe es die Tischvorlage vor,
       über die der Hauptausschuss am Freitag in der zweiten Lesung des
       Wissenschaftshaushalts entscheiden soll.
       
       „Die Begründung ist, dass diese Kürzung über die Hochschulverträge
       aufgefangen werden kann“, sagt Philipp Dehne von Schule muss anders.
       „Allerdings [5][werden die Hochschulverträge gleichzeitig um hunderte
       Millionen Euro gekürzt], wir befürchten, dass diese Mittel für die
       Ausbildung von Lehrer*innen damit verloren gehen“, sagt er.
       
       Die Bildungsverwaltung hatte bereits vorgeschlagen, beide Programme auf 12
       Millionen zu kürzen. Von Mitarbeiter*innen an der FU habe er bereits
       gehört, dass Stellen, die aus den Sonderprogrammen finanziert werden, zum
       Januar auslaufen, sagt ne. „Das ist eine bildungspolitische Katastrophe,
       findet er.
       
       Zu [6][Beginn des aktuellen Schuljahres sei unter den neu eingestellten
       Kolleg*innen] nicht mal jede*r fünfte Lehrer*in voll ausgebildet
       gewesen. Mehr als die Hälfte des Bedarfs sei durch befristet beschäftigte
       Lehrer*innen gedeckt, die unter sehr prekären Bedingungen arbeiteten und
       etwa in den Sommerferien kein Gehalt erhielten.
       
       ## Bedarf an Lehrer*innen bleibt hoch
       
       Gleichzeitig zeigt [7][eine aktuelle Prognose, dass der Bedarf an
       Lehrer*innen in Berlin auch in den kommenden Jahren hoch] bleibt: Bis
       2030 müssen demnach jährlich mehr als 4.000 Vollzeitstellen neu besetzt
       werden. Auch danach nimmt der Bedarf kaum ab. Berlin kann sich auch nicht
       auf Vorhersagen sinkender Schüler*innenzahlen ausruhen. Denn nicht
       zuletzt der Großangriff Russlands gegen die Ukraine hat gezeigt, wie
       schnell solche Voraussagen hinfällig sind.
       
       „Schwarz-rot bringt mit diesem Änderungsantrag nicht nur den vom
       Vorgängersenat angestoßenen, dringend benötigten Kapazitätsausbau zum
       Erliegen. Neben Maßnahmen zu Studierendengewinnung, werden auch solche zur
       Verbesserung der Studienqualität den Streichungen zum Opfer fallen, z.B.
       Projekte zur besseren Verzahnung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik oder
       der Ausbau von sogenannten Lehr-Lern-Laboren an der FU“, kritisiert
       Franziska Brychcy, bildungspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im
       Abgeordnetenhaus. „Dadurch werden absehbar noch weniger Studierende ihr
       Studium erfolgreich zum Abschluss bringen, obwohl das Land nach wie vor
       händeringend Lehrkräfte sucht“, sagt sie.
       
       Schule muss anders, GEW und der Verein Kreidestaub fordern daher, dass
       Berlin die Sonderprogramme „Beste Lehrkräftebildung“ und „Steigerung
       Lehramtsabsolvierende“ weiterführt und ausfinanziert. Sie wollen auch, dass
       das Ziel von 2.500 Lehramtsabsolvent*innen pro Jahr in den
       Hochschulverträgen erhalten bleibt und die Senatsverwaltung für Bildung
       transparenter als bisher den tatsächlichen Mangel an Lehrer*innen
       darstellt. Der Ausbau der Strukturen habe erst nach Jahren kleine Erfolge
       in Form einer leicht gestiegenen Zahl von Absolvent*innen gebracht.
       Kürzungen wiederum wirkten sofort, und machten diese Arbeit zunichte.
       
       13 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.kreidestaub.net/
 (DIR) [2] /Kritik-an-Berliner-Lehrkraeftebildung/!5827762
 (DIR) [3] /Lehrermangel/!5943187
 (DIR) [4] https://www.tagesspiegel.de/wissen/mehr-geld-und-personal-fur-berliner-unis-4173238.html?icid=in-text-link_5417758
 (DIR) [5] /Kuerzungen-im-Landeshaushalt/!6099093
 (DIR) [6] /Schulstart-in-Berlin/!6110992
 (DIR) [7] http://www.parlament-berlin.de/adosservice/19/Haupt/vorgang/h19-1681.E-v.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uta Schleiermacher
       
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