# taz.de -- Kita und Schule in Berlin: Schüler*innen werden durchgetestet
       
       > Mit einer neuen Strategie will die Bildungssenatorin Leistungen von
       > Schüler*innen verbessern. Sie setzt dafür auf Deutsch, Mathe und
       > Tests.
       
 (IMG) Bild: Erste Leseübungen in der Kita: Berlin will Schüler*innen künftig individuell fördern – dafür sollen sie regelmäßig getestet werden
       
       An der Pusteblume-Grundschule in Hellersdorf gehört es für die
       Schüler*innen dazu, jeden Tag 10 Minuten zu rechnen. Ab der 3. Klasse
       machen sie das in Zweierteams, wobei ein*e Schüler*in gut im Rechnen ist
       und eine*r Schwierigkeiten hat. „In den Teams unterstützen sie sich dann
       gegenseitig“, erzählt Konrektorin Jacqueline Tuchlinsky. Die Schule setzt
       damit das sogenannte Matheband um, das die Leistungen der Schüler*innen
       verbessern soll.
       
       Denn: Berlins Schüler*innen sollen besser werden in Deutsch und Mathe.
       Dies betont Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) am Mittwoch in
       der Pusteblume-Grundschule, sie stellt dort ihre neue „Strategie zur
       Steigerung der Bildungsqualität“ vor. Diese soll zum kommenden neuen
       Schuljahr greifen, also ab August 2026.
       
       Mit der Strategie setzt die Bildungssenatorin auf drei Maßnahmen: Sie will
       erstens verbindliche Kompetenztests einführen, um schnell zu erkennen,
       welche Schüler*innen Förderbedarf haben. Die Ergebnisse sollen jetzt neu
       zentral gesammelt und ausgewertet werden. Bisher waren sie innerhalb der
       einzelnen Schulen geblieben, die Bildungsverwaltung konnte keine
       gesammelten Erkenntnisse daraus gewinnen.
       
       Unterricht und Förderung möchte die Senatorin gleichzeitig „wirksamer“
       machen. Dazu sollen [1][Maßnahmen wie das Lese- und Matheband] ausgeweitet
       werden, und die an den Startchancen-Schulen etablierten Fachleitungen für
       Deutsch und Mathe sollen weitere Maßnahmen verbindlich erarbeiten. Außerdem
       setzt sie auf mehr Zusammenarbeit zwischen Kitas, Schulen, Familien,
       Jugendhilfe und weiteren Partnern.
       
       ## Startchancen-Programm eingebunden
       
       Auch die Pusteblume-Grundschule ist [2][Teil des Startchancen-Programms,
       ein Bundesprogramm, das Schulen mit einer hohen Anzahl an benachteiligten
       Schüler*innen fördert]. „Es wird ein langer und steiniger Weg werden.
       Aber ich bin ganz optimistisch, dass wir die Trendwende hinbekommen, das
       sind wir den Schülern schuldig“, meint die Schulleiterin, die gleichzeitig
       Mitglied im Qualitätsbeirat ist und die Strategie mitentwickelt hat.
       
       Die Senatorin will damit erreichen, dass deutlich mehr Kinder als bisher in
       Berlin die Mindeststandards – und perspektivisch sogar die Regelstandards –
       erreichen. Die Qualitätsstrategie soll daher schon in der Kita ansetzen.
       Hintergrund ist, dass Schüler*innen in Berlin bei Vergleichstests gerade
       in Deutsch und Mathe vergleichsweise schlecht abschneiden.
       
       Die neue Qualitätsstrategie sei ein Meilenstein für Berlin, sagt die
       Senatorin: Denn es habe in der Vergangenheit nicht an Einzelmaßnahmen und
       Reaktionen auf schlechte Ergebnisse gemangelt, Günther-Wünsch spricht von
       „Projektitis“. Aber Schüler*innen könnten nicht anhand von „reaktiven
       Verhaltensweisen“ ihre Leistungen verbessern, sagt sie. „Wir müssen von
       Anfang an sehen, dass wir jedes Kind bestmöglich individuell begleiten“,
       betont die Senatorin.
       
       Faktisch werden Kinder und Jugendliche in der Zukunft damit in jedem Jahr
       einmal getestet. Denn nicht nur die Vergleichstests in der 3. und in der 8.
       Klasse sollen verbindlich werden. Günther-Wünsch will in der 4. und in der
       9. Klasse „Vera-Re-Tests“ machen, also Tests ein Jahr nach den Vera-Tests.
       In den Klassen 5, 6 und 10 will sie eigene Diagnosetests einsetzen. Auch in
       der Kita soll der Entwicklungsstand von Zweieinhalbjährigen und von
       Viereinhalbjährigen anhand von „Meilensteinen“ überprüft werden.
       
       ## Führt Maßnahmen zusammen
       
       Günther-Wünsch führt damit von ihr bereits etablierte Werkzeuge und
       Maßnahmen zusammen. Die Daten aus den Tests wertet das [3][von ihr neu
       gegründete Berliner Landesinstitut für Qualifizierung und
       Qualitätsentwicklung an Schulen (BLIQ)] aus. Auch ihr Fokus auf die
       Kernkompetenzen fließt in die Strategie ein sowie ihr [4][Bemühen um
       bessere Übergänge, etwa von der Kita in die Schule]. Die an den
       Startchancen-Schulen schon verbindlich eingeführten Lese- und Mathebänder
       werden ausgerollt.
       
       An der Pusteblume-Schule machen sie mit dem intensiven Lese- und
       Mathetraining schon gute Erfahrungen. „Da ziehen alle mit. Das Lesen gehört
       zu den Ritualen der Kinder und sie fordern es auch ein“, sagt Konrektorin
       Tuchlinsky. „Die Leseflüssigkeit hat sich verbessert“, berichtet sie und
       freut sich. Aber sie bedauere, dass die Schüler*innen teilweise noch
       nicht verstehen würden, was sie lesen. Doch der Lesefluss gilt als wichtige
       Voraussetzung für das Leseverständnis, das will die Schule nun im nächsten
       Schritt verbessern.
       
       Aus der Opposition hingegen kam Kritik. „Noch mehr flächendeckende
       Lernstandserhebungen allein werden die Bildungsqualität nicht erhöhen“,
       sagt Franziska Brychcy, bildungspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion
       im Abgeordnetenhaus. „Die wichtigsten Einflussfaktoren auf den
       Lernfortschritt sind die Qualifikation der Lehrkräfte sowie mehr Zeit für
       individuelle Förderung der Schüler*innen und Beziehungsarbeit“, betont
       sie.
       
       Doch ausgerechnet bei der Ausbildung der Lehrer*innen nehme die
       Koalition nun „katastrophale Einschnitte“ vor. So würden die
       Sonderprogramme für Lehrkräftebildung im Umfang von insgesamt 38 Millionen
       Euro im kommenden Doppelhaushalt 2026/27 komplett gestrichen. Damit rücke
       das Ziel, rund 3.000 neue Lehrer*innen pro Jahr auszubilden, in weite
       Ferne. Brychcy kritisierte außerdem, dass der alleinige Fokus auf die
       Kernkompetenzen in Deutsch und Mathematik unzureichend sei.
       
       Auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert den
       Ansatz der Bildungsverwaltung. „Um die Bildungsqualität zu verbessern,
       brauchen wir nicht noch mehr Daten und noch mehr Schulverträge, sondern
       [5][deutlich bessere Arbeitsbedingungen für die Pädagog*innen] in den
       Kitas und Schulen“, sagt Gökhan Akgün, Vorsitzender der GEW Berlin. „Die
       pädagogischen Anforderungen sind immer weiter gestiegen, ohne dass weitere
       Ressourcen bereitgestellt wurden.“ Die Strategie der
       Senatsbildungsverwaltung setzt auf Output-Steuerung und verpflichtende
       Erhebungen vom Kita-Alter bis in die beruflichen Schulen. „Das
       psychosoziale Wohlbefinden der Schüler*innen sollte deutlich mehr
       Beachtung finden. Nur wer sich wohlfühlt mit sich und seiner Umgebung, der
       kann gut lernen“, sagt Akgün.
       
       12 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
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