# taz.de -- Umgang mit Gewalt gegen Frauen: Selbstkritik ist immerhin ein Anfang
       
       > Ja, es gibt Fortschritte beim Kampf gegen häusliche Gewalt. Doch wenn
       > sich die Union nicht permanent verweigern würde, wären wir schon viel
       > weiter.
       
 (IMG) Bild: Von der Politik muss deutlich mehr kommen, Frauendemo am 8.3.2025 in Berlin
       
       Noch Mitte der 1970er Jahre gab es in Deutschland keine Anlaufstelle für
       Frauen, die vor teils schlimmsten Misshandlungen durch ihre Partner
       flüchten mussten. Erst 1976 öffnete das erste autonome Frauenhaus in
       Westberlin. Es behauptete sich gegen massiven Widerstand von Öffentlichkeit
       und Ehemännern. Heute, knapp 50 Jahre später, ist die Situation eine
       andere. Rund 400 Frauenhäuser gibt es bundesweit.
       
       Seit 2018 gilt hierzulande die Istanbul-Konvention, das Übereinkommen des
       Europarats gegen Gewalt gegen Frauen. Im Februar wurde das
       [1][Gewalthilfegesetz] verabschiedet, das zum ersten Mal einen bundesweiten
       Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für gewaltbetroffene Frauen und ihre
       Kinder festhält. Voraussichtlich ab 2032 soll der gelten – ein historischer
       Schritt. Und trotzdem: Fast 266.000 Opfer häuslicher Gewalt gab es 2024 in
       Deutschland, mehr als 70 Prozent davon Mädchen und Frauen – und das
       Dunkelfeld ist immens. 191 Mädchen und Frauen kamen durch häusliche Gewalt
       zu Tode. 2022 konnten bis zu 15.000 schutzsuchende Frauen nicht in
       Frauenhäusern aufgenommen werden.
       
       Nun zeigte sich Bundesinnenminister Dobrindt (CSU) bei der [2][Vorstellung
       der Gewaltzahlen vergangene Woche ungewohnt selbstkritisch]. „Tut die
       Politik ausreichend viel, um Frauen vor Gewalt zu schützen?“, fragte
       Dobrindt und gab sich gleich selbst die Antwort: „Da muss deutlich mehr
       kommen.“
       
       Selbstkritik ist ein Anfang – vor allem von MinisterInnen der
       Unionsfraktion. Während ihre SPD-Kollegin, Justizministerin Stefanie Hubig,
       bereits einen Gesetzentwurf zum Einsatz der elektronischen Fußfessel und zu
       K.-o.-Tropfen vorgelegt hat, Verschärfungen im Sorge- und Umgangsrecht
       ankündigt und verbale sexualisierte Gewalt unter Strafe stellen will, kommt
       von der Unionsseite wenig bis nichts.
       
       ## Seit der 70er hat sich viel getan
       
       Deren Verweigerungshaltung ist auch ein Grund, warum der Schutz vor Gewalt
       keine wesentlich größere Rolle im Koalitionsvertrag spielt. Warum wird von
       UnionsministerInnen der Länder gegen manche Pläne Hubigs mobil gemacht? Und
       warum ziehen sich solche Länder aus der Finanzierung der Hilfestruktur
       zurück?
       
       Seit Mitte der 70er Jahre hat sich viel getan. Aber die Kontinuität, dass
       Männer ihre Frauen und Kinder schlagen und umbringen und die Taten als
       „Familiendrama“ ins Private geschoben werden, existiert noch. Gewalt gegen
       Mädchen und Frauen als gesamtgesellschaftliches Problem zu begreifen, ist
       noch immer nicht angekommen. Da ist mehr nötig, als einmal jährlich
       Betroffenheit am Tag gegen Gewalt gegen Frauen zu zeigen.
       
       25 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Zum-Tag-gegen-Gewalt-gegen-Frauen/!6128745
 (DIR) [2] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2025/11/lagebilder-nov.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patricia Hecht
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Istanbul-Konvention
 (DIR) Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
 (DIR) Schwerpunkt Femizide
 (DIR) Stefanie Hubig
 (DIR) Gewalt gegen Frauen
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Kolumne Prinzip Hoffnung
 (DIR) Schwerpunkt Femizide
 (DIR) Gewalt gegen Frauen
 (DIR) Schwerpunkt Femizide
 (DIR) Lettland
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Protest gegen Femizide in Südafrika: Warum Hoffnung eine politische Strategie ist
       
       Hoffnung ist kein Luxusgut, sondern nötig, um das politische Geschehen zu
       beeinflussen. Erfolgreiche Proteste gegen Femizide in Südafrika beweisen
       das.
       
 (DIR) Demo zum Tag gegen Gewalt an Flinta*: Nur noch 13 Femizide, dann ist Weihnachten
       
       Tausende demonstrieren in Berlin gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Die
       Zahl der gewaltbetroffenen Flinta* hat einen neuen Rekordwert erreicht.
       
 (DIR) Tag gegen Gewalt an Frauen: Verwaltete Gewalt
       
       Übergriffe auf Frauen nehmen zu, Frauenhäuser sind überlastet. Das
       Gewalthilfegesetz soll helfen, doch was hat sich seit dem Beschluss im
       Februar geändert?
       
 (DIR) Tag gegen Gewalt gegen Frauen: Solidarität ist männlich
       
       Patriarchale Gewalt findet nur selten gesamtgesellschaftliche Beachtung.
       Dabei betrifft sie uns alle. Wie können Männer feministisch handeln?
       
 (DIR) Menschenrechte in Lettland: Riga zieht sich aus Istanbul-Konvention zurück
       
       Eine Mehrheit im Parlament stimmt für einen Austritt Lettlands aus dem
       Frauenschutzabkommen des Europarates. Jetzt ist der Präsident am Zug.