# taz.de -- VS geht gegen Linken-Abgeordneten vor: Der Wächter wird selbst zur Gefahr
       
       > Der Hamburger Verfassungsschutz will Deniz Celiks Kritik an der Behörde
       > juristisch verbieten. So schützt man keine Demokratie, so untergräbt man
       > sie.
       
 (IMG) Bild: Soll eine Unterlassungserklärung abgeben: Deniz Celik (Linke) während einer Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft im Rathaus
       
       Es ist ein Lehrstück darüber, wie dünnhäutig staatliche Macht werden kann,
       wenn sie selbst zum Thema wird: Der Hamburger Verfassungsschutz (VS) will
       den [1][Linken-Abgeordneten Deniz Celik] mit juristischen Mitteln zum
       Schweigen bringen.
       
       Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion soll eine
       Unterlassungserklärung abgeben, dass er den VS nicht mehr als Behörde
       bezeichnet, die „immer wieder durch den Schutz rechter Netzwerke
       aufgefallen ist“. Andernfalls drohe ein Gerichtsverfahren.
       
       In einer [2][Pressemitteilung der Fraktion] zu geplanten Regelabfragen der
       Stadt beim Verfassungsschutz hatte Celik geschrieben: „Wer künftig im
       öffentlichen Dienst arbeiten will, soll erst durch das Nadelöhr des
       Verfassungsschutzes – eines Inlandsgeheimdienstes, der sich demokratischer
       Kontrolle weitgehend entzieht und durch Vertuschung, V-Leute-Skandale und
       immer wieder auch durch den Schutz rechter Netzwerke aufgefallen ist.“
       
       Diese Einschätzung ist keine schrille Meinung, sondern lässt sich
       historisch belegen – eben etwa durch die [3][Rolle des Verfassungsschutzes
       im gescheiterten NPD-Verbotsverfahren], durch das Agieren im NSU-Komplex
       und die [4][Vernichtung von Akten im Nachgang der NSU-Morde].
       
       Dass der Inlandsgeheimdienst nun mit juristischen Schritten gegen einen
       gewählten Parlamentarier vorgeht, ist politisch hochproblematisch und
       berührt die Grenze zum Eingriff in das freie Mandat – und damit in den
       demokratischen Kernbereich parlamentarischer Arbeit.
       
       Denn Abgeordnete sind ja nicht dazu da, der Exekutive zu gefallen, sondern
       sie zu kontrollieren. Wenn eine Behörde Kritik an sich selbst als
       „unzulässig“ erklärt, zeugt das nicht von juristischer Souveränität,
       sondern von einem autoritären Reflex.
       
       Denn juristisch mag das Schreiben aus der Innenbehörde als präventiver
       Rechtsschutz bezeichnet werden – politisch ist es ein
       Einschüchterungsversuch. Wenn die Exekutive versucht, über Kanzleien
       Einfluss auf die Rede eines gewählten Abgeordneten zu nehmen, verwischt die
       Grenze zur Legislative und damit das Prinzip der Gewaltenteilung. Das
       sendet ein gefährliches Signal: Wer den Sicherheitsapparat kritisiert,
       riskiert eine Abmahnung.
       
       Das hat [5][einen „chilling effect“] – der demokratische Diskurs kühlt aus:
       Wenn Abgeordnete überlegen müssen, ob sie sich Kritik leisten können, bevor
       sie eine Pressemitteilung schreiben, ist etwas gründlich falsch. Und was
       heute einen Parlamentarier trifft, kann morgen Journalist:innen,
       Wissenschaftler:innen oder Aktivist:innen treffen.
       
       Eine Institution, die sich selbst als Wächter der Demokratie versteht,
       reagiert auf Kritik wie ein beleidigter Monarch. Statt transparent auf
       berechtigte Vorwürfe zu reagieren, wird die juristische Keule geschwungen.
       Das erinnert mehr an Machtinstinkt als an Verfassungstreue.
       
       ## Vor allem Linke im Visier
       
       Tatsächlich zeigen zahlreiche Untersuchungsausschüsse und Studien: Der VS
       hat über Jahrzehnte rechte Strukturen verharmlost oder gedeckt, während
       [6][linke Bewegungen überproportional beobachtet wurden]. Diese Schieflage
       ist kein Zufall, sondern Ausdruck einer Organisationskultur, die sich über
       Feindbilder stabilisiert – und so selbst Teil des Problems wird. Dass diese
       Geschichte nicht aufgearbeitet, sondern verdrängt wird: Das ist das
       eigentliche Sicherheitsrisiko.
       
       Geschaffen wurde der Verfassungsschutz, um autoritäre Entwicklungen zu
       verhindern. Heute agiert er oft wie eine Behörde, die sich demokratischer
       Kontrolle entzieht und Kritik als Angriff begreift. Für eine ohnehin unter
       Druck stehende Demokratie ist das ein gefährlicher Trend.
       
       6 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] https://www.linksfraktion-hamburg.de/regelanfrage-im-oeffentlichen-dienst-linksfraktion-warnt-vor-rueckkehr-der-berufsverbote/
 (DIR) [3] /NPD-Verbotsverfahren-in-Karlsruhe/!5283459
 (DIR) [4] /14-Jahre-NSU-Prozess/!6122841
 (DIR) [5] https://www.hiig.de/wp-content/uploads/2016/09/der-abschreckungseffekt-auf-die-grundrechtsausuebung-staben-9783161548383_cc2.pdf
 (DIR) [6] /Bundesprogramm-Demokratie-leben/!6122313
       
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