# taz.de -- Sophie Rois an der Berliner Volksbühne: Eine schwere Geburt
       
       > Worum geht es hier eigentlich? Versuch einer Besprechung der Uraufführung
       > von „Proprietà Privata: Die Influencer Gottes kommen“ an der Volksbühne.
       
 (IMG) Bild: Sophie Rois und Inga Busch in „Proprietà Privata: Die Influencer Gottes kommen!“
       
       Am Anfang war das Wort, am Ende wohl nichts. Wie sich Christian Filips an
       der Inszenierung eines neuen Krippenspiels versucht, versuche ich mich an
       seiner Besprechung. Die muss schließlich mit dem arbeiten, was dem Publikum
       vorgesetzt wurde. Und das war eher der Versuch eines Krippenspiels, ohne
       Jesuskind, dafür mit kommunistischen Mönchen, die eindrucksvoll Vogel-,
       Ochsen- und Schafsgeräusche imitieren können.
       
       Vorab muss ich beichten: Ich habe nichts verstanden. Aber: Meine
       Sitznachbarn auch nicht. „Sophie Rois halt“, höre ich es murmeln und sehe
       Schultern zucken. Am U-Bahn-Eingang meint jemand, er glaube, er habe die
       Stelle verstanden, an der [1][Nonnen in Cargohosen] als neue Märtyrerinnen
       rekrutiert werden, also die Parallele, die hier angedeutet wurde. Die
       Stelle geht vielleicht fünf Minuten. Sind wir alle zu blöd? Wissen
       zumindest Sophie Rois, der Chor und der Regisseur, worum es in „Proprietà
       Privata“ eigentlich geht?
       
       Ich versuche, meinen Platz im intellektuellen Stall zu finden, zwischen
       Ochsen, Esel und jener Art von wohlmeinender Selbstgeißelung, die entsteht,
       wenn man nach zwei Stunden Lichtschaltertesten und Chorälen erkennt, dass
       die eigene Hirnkapazität offenbar nur für Adventskränze reicht. Vielleicht
       ist dieses Stück ja die Rache des modernen Dramas an allen, die behaupten,
       Kunst müsse „verständlich“ sein. Oder einfach ein Fiebertraum mit Budget.
       
       Ein Mysterienspiel also. Oder ein Meta-Mysterienspiel. Oder ein
       Meta-Meta-irgendwas-Spiel. Und ganz viel unmissverständliche Kapitalismus-
       und Kirchenkritik. [2][Die Volksbühne] meint es sogar so ernst mit der
       subversiven Kritik der Bürgerlichkeit, dass sie sich jeder Möglichkeit
       einer Theaterkritik entzieht.
       
       ## Zurück ins Mittelalter
       
       Der Technofeudalismus, so lerne ich, führt uns alle zurück ins Mittelalter,
       als Franz von Assisi das erste Krippenspiel aufführte und kein Gott zur
       Welt kam, sondern das moderne Drama. Außerdem wohl die Idee dieses Stückes,
       die Weihnachtsgeschichte und Privateigentum à la franziskanischem
       Mönchskommunismus zusammenzudenken. Damals in Umbrien spielen die Mönche
       fast alle Rollen selbst. Heute spielt Sophie Rois Franziskus und ich spiele
       die Kritikerin.
       
       Kommunistisches Theater bedeutet in der Praxis: Ein betender Mönch kniet
       neben einem Betonmischgerät, Rois erzählt von Engpässen an der A 555 und A
       1. Ein riesiger sprechender Rabe mit glitzernden Augen sitzt da auf der
       Bühne. Rois wird ihn später mit einem Gewehr abschießen und mit seinen
       Knochen und Federn um sich werfen. Dann wird er, inzwischen wieder von den
       Toten auferstanden, mit riesigen schwarzen Federflügeln umherfliegen und
       eine düstere Botschaft verkünden. Victoria’s Secret ist nett, aber waren
       Sie schon mal in der Volksbühne?
       
       Natürlich geht es auch inhaltlich um Privateigentum, Kapitalismus und
       Cloudkommunismus. Die heilige Klara ruft zur Hausbesetzung auf. Und wo
       Nonnen sind, liegen [3][Rosalías virale Lyrics] „Seine Angst ist meine
       Angst“ nicht fern. Passt auch gut, denn Hitchcocks Vögel werden an die Wand
       projiziert. Ich möchte bitte abgeholt werden. Stattdessen werde ich von
       oben gefilmt und ebenfalls an die Wand geworfen.
       
       In meinem Ohr ertönt ein hochfrequentes Piepsen, das wahrscheinlich Absicht
       ist, aber auch ein defekter Lautsprecher sein könnte. Dann gibt es doch
       noch etwas Tierquälerei light, als ein echter Esel in den Bühnenstall
       geführt wird. Sophie Rois und das Ensemble beten das „Hippietier“ an,
       raunen etwas von „Salami“ und hoffen auf die Erlösung.
       
       Zwei Stunden hat mich Sophie Rois angeschrien und mit ihrer Riesenzigarette
       bis in Reihe 16 vollgeräuchert. Am Ende war es eine schwere Geburt, dieses
       Krippenspiel, diesen Text zu schreiben, diesen Text zu lesen vermutlich
       auch. Jetzt sind wir alle davon erlöst.
       
       9 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Nonnen-beim-Skaten/!6123523
 (DIR) [2] /Ein-Tanzstueck-zum-Abschied/!6125951
 (DIR) [3] /Neues-Album-von-Superstar-Rosalia/!6123529
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Luca Klander
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Berliner Volksbühne
 (DIR) Bühne
 (DIR) Krippenspiel
 (DIR) Kapitalismuskritik
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Schaubühne Berlin
 (DIR) Tanz
 (DIR) Theater
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Yael Ronen an der Berliner Schaubühne: Halluzinationen als kultureller Zustand
       
       Yael Ronens „Sabotage“ an der Berliner Schaubühne ist eine überdrehte
       Gesellschaftsanalyse des deutschen Umgangs mit Juden, Israel und Gaza.
       
 (DIR) Ein Tanzstück zum Abschied: Am Ende tanzen die Skelette
       
       Constanza Macras und ihr Ensemble Dorky Park nehmen Abschied von der
       Volksbühne. „Goodbye Berlin“ spielt im Berlin der 1930er Jahre und der
       Gegenwart.
       
 (DIR) Neuer Intendant an der Volksbühne Berlin: Der, der Widerstand aushält
       
       Unter Frank Castorf war er Chefdramaturg und stellvertretender Intendant
       der Volksbühne. Nun soll Matthias Lilienthal die dortige Leitung
       übernehmen.