# taz.de -- Umgang mit ausländischen Straftätern: Handgeld für Ausreise
> Seit Jahren hält eine syrische Großfamilie die Stuttgarter Justiz auf
> Trab. Nach einem Deal mit der Landesregierung ist sie nun freiwillig
> ausgereist.
(IMG) Bild: Ein Mann der syrischen Großfamilie wegen versuchten Totschlags im Stuttgarter Gericht, Januar 2025
Schwere Körperverletzung, Raubdelikte, Bedrohung, Besitz von
Kinderpornografie und Messerattacken mitten in der Innenstadt. Insgesamt
160 teils schwerste Straftaten, begangen von elf Mitgliedern einer Familie
in Stuttgart, das war für Stuttgart jahrelang mehr als die unklaren
Probleme des Kanzlers mit dem Stadtbild.
Anfang der Woche meldete das baden-württembergische Justizministerium die
freiwillige Ausreise der syrischen Großfamilie, die ab 2015 von Aleppo nach
Deutschland gekommen war. Justizministerin Marion Gentges (CDU) verbucht
das als Ergebnis konsequenter Strafverfolgung und erfolgreicher Arbeit des
Sonderstabs „Gefährliche Ausländer“.
Der Sonderstab, der sich aus Vertretern der Polizei, Ausländerbehörden und
dem Landesamt für Verfassungsschutz zusammensetzt, hat durch intensive
Gespräche mit dem Familienoberhaupt Almudy H., 44, erreicht, dass dessen
Familie freiwillig nach Syrien ausreist. Abschiebungen nach Syrien sind
derzeit nicht möglich, so blieb aus Behördensicht nur die freiwillige
Ausreise ohne Rückkehroption. Denn dann droht den straffällig gewordenen
Familienmitgliedern, ihre Haftstrafen weiter verbüßen zu müssen.
Almudy H., seine Kinder und seine beiden Ehefrauen wollten nur gemeinsam
das Land verlassen, so die Behörden. Sie hätten dafür „auf ihren
asylrechtlichen Schutzstatus verzichtet“. Die Ausreise ist vom Sonderstab
organisiert und begleitet worden. Am Sonntag sind 13 Familienmitglieder in
Syrien angekommen, weitere waren bereits im vergangenen Jahr ausgereist,
drei Söhne befinden sich noch in Deutschland in Haft. Neben den Flugkosten
sind nach Angaben des Justizministeriums 1.350 Euro „Förderung“ pro
ausgereistem Familienmitglied ausgezahlt worden.
## Wegen Messerattacke in Haft
Der Sonderstab „Gefährliche Ausländer“ des Landes Baden-Württemberg besteht
derzeit aus 44 Beamten aus Ausländer- und Sicherheitsbehörden und ist
dezentral in den Regierungspräsidien organisiert. Er war 2018 nach der
Gruppenvergewaltigung einer Frau in Freiburg vom damaligen und heutigen
Innenminister Thomas Strobl (CDU) eingerichtet worden. Seitdem organisierte
er die Ausreise und Abschiebung von insgesamt 496 besonders schweren
Straftätern. Bisher ist Baden-Württemberg das einzige Land mit einem
solchen behördenübergreifenden Netzwerk.
Flüchtlingsinitiativen haben den Sonderstab schon wegen seines Titels in
der Vergangenheit als „stigmatisierend“ kritisiert. Bei der SPD-Opposition
stand er unter dem Verdacht, vor allem Symbolpolitik zu verkaufen. Zum
aktuellen Fall möchte sich der Landesflüchtlingsrat nicht äußern. Er habe
sich mit dem Fall der Familie H. nicht auseinandergesetzt.
Allerdings: Die kriminelle Energie von den männlichen Mitgliedern der
Familie H. teils schon im Kindesalter dürfte auch Kritiker nachdenklich
machen. Jahrelang beschäftigten die meist noch jugendlichen Täter Polizei
und Justiz in Baden-Württemberg. Trauriger Höhepunkt: zwei Messerattacken,
eine davon in der Stuttgarter Fußgängerzone. Die Brüder Khallil, Mohammed
und Jamil H. hatten im Juni letzten Jahres einen Mann niedergestochen, der
ihre Schwester „komisch angeschaut“ habe. Ein Jahr später wurden sie dafür
zu Haftstrafen zwischen vier und sechs Jahren verurteilt.
Auch sie sollen bald ausreisen. Allerdings erst, wenn sie einen „relevanten
Teil“ der Haft verbüßt haben, so Justizministerin Gentges. Die Ausreise
solle nicht die Strafe ersetzen.
22 Oct 2025
## AUTOREN
(DIR) Benno Stieber
## TAGS
(DIR) Stadtbild-Debatte
(DIR) Schwerpunkt Syrien
(DIR) Kriminalität
(DIR) Justiz
(DIR) Syrischer Bürgerkrieg
(DIR) Migration
(DIR) Demonstration
(DIR) Schwerpunkt Afghanistan
(DIR) Schwerpunkt Flucht
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Rückkehr ins syrische Bildungssystem: „Manche Schüler können keinen Satz auf Arabisch lesen“
Etwa 1,2 Millionen SyrerInnen sind bislang in ihre Heimat zurückgekehrt.
Manche Kinder stellt das vor große Herausforderungen.
(DIR) Migration: Zahl der Abschiebungen gestiegen
Im laufenden Jahr wurden bisher deutlich mehr Menschen abgeschoben als im
Vorjahr. Die meisten von ihnen wurden in die Türkei und nach Georgien
geflogen.
(DIR) Protest gegen rassistische Merz-Aussage: Tausende demonstrieren im Stadtbild
In Berlin gehen am Sonntagabend Menschen gegen die „Stadtbild“-Aussage des
Bundeskanzlers auf die Straße. Sie werfen Merz Rassismus vor.
(DIR) Migrationspolitik in der EU: 20 Staaten drängen auf mehr Abschiebungen nach Afghanistan
In einem Brief fordern die Staaten von der EU-Kommission mehr Möglichkeiten
zur Abschiebung nach Afghanistan. Auch Bundesinnenminister Dobrindt hat
unterzeichnet.
(DIR) Dobrindts Gipfel auf der Zugspitze: Innenminister wollen noch mehr Härte bei Asylpolitik
Schluss mit menschenrechtlichen Bedenken. Alexander Dobrindt berät mit
EU-Amtskolleg*innen über Drittstaatsverfahren und weitere Abschiebungen.