# taz.de -- Ausstellung über Renato Mordo: Gehetzt in Ruhm und Elend
> Renato Mordo war Regiestar der Weimarer Republik. Das Oldenburgische
> Staatstheater erinnert an sein Wirken, sein Exil und die Besatzung
> Griechenlands.
(IMG) Bild: Szenenbilder aus Renato Mordos gefeierter Inszenierung von Alban Bergs Oper Wozzeck am Hessischen Landestheater 1931
taz | Von den Nationalsozialisten bis nach Griechenland verfolgt entgeht er
den Vernichtungslagern nur knapp. Trotzdem hat der Regisseur,
Schriftsteller und Schauspieler Renato Mordo auch im Exil das Theater nie
aufgegeben. In der Weimarer Republik als Reformer gefeiert, ist er heute
weitgehend unbekannt.
Die Ausstellung „Jüdisch, griechisch, deutsch zugleich – ein Künstlerleben
im Zeitalter der Extreme“ hebt ihn aus dem Vergessen. Ursprünglich 2020
konzipiert, ist sie jetzt im Oldenburgischen Staatstheater zu sehen. Die
Stadt war Mordos erste große Station. Zahlreiche Fundstücke aus den
Oldenburger Archiven erweitern nun erstmals die Ausstellung, die seine
Biografie mit den politischen Umständen der Zeit verwebt, besonders der
deutschen Besatzung Griechenlands.
Mordo wird 1894 als Sohn jüdischer Eltern in Wien geboren. Der Vater stammt
aus Korfu, gibt Staatsbürgerschaft und Sprache an ihn weiter. Nach dem
Studienabschluss in seiner Geburtsstadt 1917 und einigen Zwischenstationen
übernimmt er 1920 mit nur 26 Jahren die Leitung des Landestheaters
Oldenburg, wie es damals noch hieß.
## Flucht nach Prag
Mordo ist damit der jüngste Theaterdirektor Deutschlands. Die Lokalpresse
ist schon vor Amtsantritt von seinen „reformatorischen Bestrebungen“
begeistert, wie ein Zeitungsausschnitt zeigt. Mordo enttäuscht sie nicht.
In nur drei Jahren prägt er das Theater nachhaltig. Er erweitert den
Spielplan, gründet die Opernsparte und bindet die Niederdeutsche Bühne an
das Haus. Eine antisemitische Hetzkampagne überschattet die Oldenburger
Zeit. Sie folgt auf Mordos Inszenierung von Arnold Zweigs Stück „Ritualmord
in Ungarn“, das den antisemitischen Prozess von Tiszaeszlár 1882 behandelt.
1923 beendet Mordo wegen Kompetenzstreitigkeiten sein Engagement in
Oldenburg und geht nach Darmstadt. Als sich 1932 die Machtübernahme der
Nationalsozialisten abzeichnet, emigriert er mit seiner Familie nach Prag,
wie viele Verfolgte zu dieser Zeit. Dort wirkt er erfolgreich als
Oberspielleiter am Neuen Deutschen Theater. Dem NS-Terror entgeht er jedoch
nur vorrübergehend.
Mordos Sohn Peter erinnert sich in seinen Memoiren an einen Besuch des
Oldenburger Politikers Franz Reyersbach. Mordo habe seinen ebenfalls
jüdischen Freund vor der Rückkehr nach Deutschland gewarnt – vergeblich:
„Kurze Zeit später erfuhren wir, Reiersbach war in ‚Schutzhaft‘ genommen
und dort ermordet worden. Das war das erste Opfer des Nationalsozialismus,
das wir kannten. Es sollten mehr werden.“
Der deutsche Überfall auf die Tschechoslowakei zwingt die Familie Mordo
1939 ein zweites Mal ins Exil, diesmal nach Athen. Bei der Ausreise
berauben die Nazis sie, wie alle fliehenden Juden, durch die
„Reichsfluchtsteuer“ ihres Vermögens.
Mordo baut die Griechische Nationaloper mit auf und verhilft dabei Maria
Callas zu ihrer ersten Solorolle. Auch nach der deutschen Besatzung 1941
gelingt es ihm vorerst, seine Arbeit fortzusetzen. 1944 holt ihn jedoch die
Hetzkampagne der 20er Jahre ein, wie ein späterer Brief an die Oldenburger
Politikerin Willa Thorade zeigt.
## Verfolgung in Griechenland
Mordo beschreibt, wie der Theaterkritiker Friedrich W. Herzog, gebürtiger
Oldenburger, ihn in einer griechischen NS-Zeitung wegen seines angeblich
„jüdisch infizierten Expressionismus“ angreift und er so ins Visier der
Polizeibehörden gerät. Kurz darauf verhaften die Nazis Mordo und
verschleppen ihn in das KZ Chaidari.
Insgesamt deportieren die Deutschen knapp 60.000 griechische Juden,
erweitert die Ausstellung den Blick. Zehntausende weitere Griechen fallen
deutschen Massakern zum Opfer, bis zu 450.000 sterben während der größten
Hungersnot in der Geschichte des Landes.
Mordo entgeht der Deportation in ein Vernichtungslager nur durch die
Befreiung Griechenlands wenige Monate später. Sein Martyrium verarbeitet er
in dem Stück „Chaidari“. Wegen seiner KZ-Haft gilt Mordo im vom Bürgerkrieg
gebeutelten Griechenland nun jedoch als Kommunist. So wird ihm 1947
gekündigt und er muss ein weiteres Mal emigrieren.
Mordo kehrt nach Engagements in der Türkei und Tel Aviv 1952 schließlich
nach Deutschland zurück, ans Stadttheater Mainz. Jüdische Remigranten hieß
die Bundesrepublik zu dieser Zeit aber keineswegs mit offenen Armen
willkommen. Mordos Antrag auf Entschädigung lehnt sie ab. Erst nach seinem
Tod 1955 erkennt Deutschland ihn als NS-Opfer an.
Mordos Biografie steht exemplarisch für das Schicksal vieler vertriebenen
jüdischen Künstler:innen, wie die Ausstellung mit dem ständigen Blick auf
den historischen Kontext eindrucksvoll zeigt. Zumindest Mordo erfährt 70
Jahre nach seinem Tod endlich eine gebührende Erinnerung.
21 Oct 2025
## AUTOREN
(DIR) Aljoscha Hoepfner
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