# taz.de -- Politisches Chaos in Madagaskar: Der Präsident ist weg, das Militär übernimmt
       
       > Nach wochenlangen Protesten und einer Spaltung des Militärs verlässt
       > Präsident Rajoelina das Land. Der meuternde Teil der Armee ergreift die
       > Macht.
       
 (IMG) Bild: Nach landesweiten Protesten ist der madagassische Präsident Andry Rajoelin zurückgetreten, im Oktober 2025
       
       Antananarivo/Berlin taz | Madagaskar steht am Rande des Abgrunds. Innerhalb
       weniger Tage ist ein Teil der Streitkräfte in den Aufstand getreten, das
       Militär hat sich gespalten und [1][Präsident Andry Rajoelina] hat das Land
       verlassen haben. Ein Militärputsch lag in der Luft – am Dienstag nachmittag
       verkündete der meuternde Teil der Streitkräfte die Machtübernahme.
       
       Oberst Michael Randrianirina, dessen Armeeeinheit sich am Wochenende gegen
       den Präsidenten gestellt hatte, [2][verkündete Rajoelinas Absetzung], die
       Suspendierung der Verfassung und aller Institutionen außer dem Parlament.
       Ein „Militärrat der Erneuerung“ werde zwei Jahre lang das Land regieren.
       
       Das ist das Ergebnis von mehreren Wochen regierungsfeindlicher Proteste,
       [3][angeführt von Madagaskars Jugend unter dem Banner „Gen Z“] (Generation
       Z), gegen die Verschlechterung der Strom- und Wasserversorgung. Rajoelinas
       letzte bestätigte offizielle Tätigkeit war ein Treffen mit
       Universitätsstudenten, denen er versicherte, dass die Regierung sich um
       ihre Sorgen kümmert.
       
       Madagaskars Krise ist kein Einzelfall. In zahlreichen afrikanischen Ländern
       geht die wütende Jugend auf die Straße, weil ihre ökonomischen
       Aufstiegschancen schwinden und die grundlegendsten Dienstleistungen immer
       unzuverlässiger werden.
       
       ## Im Hubschrauber von Frankreich „exfiltriert“
       
       Zu Beginn dieser Woche herrschte Konfusion über Rajoelians Aufenthaltsort.
       Hatte er Madagaskar verlassen? Hatte er sich in der französischen Botschaft
       in Antananarivo verkrochen? Befand er sich an einem sicheren Ort im Norden
       des Landes?
       
       Schließlich [4][vermeldete der französische Staatsrundfunk RFI],
       Frankreichs Luftwaffe habe den Präsidenten „exfiltriert“. Er soll zunächst
       auf die zu Frankreich gehörende Insel Réunion östlich von Madagaskar
       gebracht worden sein.
       
       Rajoelina hatte sich zunächst am Sonntag von einem ungenannten Ort zu Wort
       gemeldet und von einem „illegalen gewaltsamen Versuch der Machtergreifung“
       gesprochen. Dies folgte auf den öffentlichen Auftritt einer Militäreinheit,
       die sich mit der Protestbewegung solidarisierte und erklärte, sie werde
       keine Befehle befolgen, gegen diese vorzugehen.
       
       Madagaskars Militär war damit öffentlich gespalten. Eine Eliteeinheit steht
       auf der Seite der Öffentlichkeit, eine andere Fraktion auf der Seite des
       Präsidenten. Ein bewaffneter Machtkampf ist nicht ausgeschlossen.
       
       Die Spannungen im Militär erschwerten auch die geplante Ausstrahlung einer
       Rede des Präsidenten im Staatsfernsehen am Montagabend, weil Soldaten die
       TV-Anstalt enterten. Rajoelina verbreitete seine Ansprache schließlich
       mitten in der Nacht [5][über soziale Medien] und bestätigte, er befinde
       sich nach einem „Mordversuch“ an einem „sicheren Ort“.
       
       Einen Rücktritt, den viele in Madagaskar erwartet hatten, schloss der
       Präsident aus. „Es gibt nur eine Lösung der Probleme – nämlich, die in
       diesem Land geltende Verfassung zu respektieren“, sagte er und versprach
       unter anderem, Generatoren zu importieren, um die Stromkrise zu lösen. Am
       Dienstag löste er dann per Dekret das Parlament auf. Das hat nun offenbar
       die meutermden Militärs zum Gegenschlag motiviert.
       
       ## „Nichts funktioniert“
       
       „Das Land ist zerstört“, [6][hatten die Meuterer am Wochenende erklärt].
       „Das Leben der Bevölkerung ist durcheinander, weil nichts funktioniert
       wegen der Wasser- und Stromsperrungen“. Sie fügten hinzu: „Wir, das
       Militär, tun unsere Arbeit nicht mehr. Wir sind bloß noch Stiefellecker.
       Wir befolgen irrationale Befehle. Lasst uns zusammenkommen – Soldaten,
       Polizisten, Gendarmen – und uns weigern, uns kaufen zu lassen, um auf
       unsere Brüder und Schwestern und die Kinder unseres Volkes zu schießen.“
       
       Die Proteste begannen im September und Rajoelina löste die Regierung auf,
       aber das beruhigte die Lage nicht. Vielmehr erinnert die gespannte
       Situation jetzt an den Vorlauf des [7][Militärputsches 2009], der damals
       den gewählten Präsidenten Marc Ravalomanana stürzte und Andry Rajoelina an
       der Spitze einer „Hohen Übergangsautorität“ an die Macht brachte. Er zog
       sich 2014 zugunsten eines gewählten Nachfolgers zurück, wurde aber 2019
       selbst gewählt und 2023 wiedergewählt.
       
       Rajoelina wurde beim Putsch 2009 kurz vor seinem 35. Geburtstag Präsident.
       Jetzt sorgen diejenigen, die so alt sind wie Rajoelina damals, für das
       mögliche Ende seiner Karriere.
       
       Länderübergreifend weckt das Sorgen, denn seit August hält Rajoelina den
       rotierenden Vorsitz der Regionalorganisation des südlichen Afrika [8][SADC
       (Southern African Development Community)]. SADC duldet eigentlich keine
       Militärputsche in seinen Mitgliedern, kann dagegen aber auch wenig
       ausrichten. Zuletzt hatte 2017 das Militär in Simbabwe den
       Langzeitherrscher Robert Mugabe gestürzt, auch damals unter dem Jubel einer
       Protestbewegung.
       
       14 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Andry_Rajoelina
 (DIR) [2] https://x.com/RealTVMada/status/1978103953578393764
 (DIR) [3] /Proteste-in-Madagaskar/!6112805
 (DIR) [4] https://www.rfi.fr/fr/afrique/20251013-crise-%C3%A0-madagascar-le-pr%C3%A9sident-andry-rajoelina-a-%C3%A9t%C3%A9-exfiltr%C3%A9-par-un-avion-militaire-fran%C3%A7ais-info-rfi
 (DIR) [5] https://x.com/rianasoa/status/1977825275649134829
 (DIR) [6] https://x.com/africatodayMG/status/1977077261846163666
 (DIR) [7] /Praesident-tritt-zurueck/!5166128
 (DIR) [8] https://www.sadc.int/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mario Rajomazandry
 (DIR) Dominic Johnson
       
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