# taz.de -- Amelie von Wulffen und Jonas Lipps: Erwartungsfroh blicken sie auf uns herab
> Wo sollen wir denn hin mit den Emotionen? Im Kölnischen Kunstverein
> entwerfen Amelie von Wulffen und Jonas Lipps ortsgenaue, autobiografische
> Bildwelten.
(IMG) Bild: Projektmanagement Kindheit: Amelie von Wulffen, Installationsansicht Kölnischer Kunstverein, 2025
Die Bilder sind endgültig Wesen geworden bei Amelie von Wulffen. Manche
stehen derzeit wie eingefrorene Goblins in den nachkriegsmodernen Räumen
des Kölnischen Kunstvereins, andere sitzen oder liegen auf dem Boden. Ihre
Motive sind die zweitklassiger Hobby- und Souvenirmalerei, von der
Künstlerin gesammelt und in ihre eigene Arbeit gebracht.
Hier sind es Segelschiffe, Panoramen, Stillleben; mal mehr, mal weniger
schlechte Interpretationen bekannter Sujets wie wohl auch der Emotionen,
die sie hervorrufen sollen. Lose wird eine Vase zur Nase, eine Landschaft
zum Gesicht.
Dass diese Kunst nicht auf Bildschirmen oder bildschirmglatten Leinwänden
präsentiert wird, sondern auf gebatikten Stoffbahnen, messy auf ihren
Malgrund aufgebracht oder eben den Pappmaschee-Wesen auf Gesicht und Körper
gesetzt, macht den Unterschied ums Ganze.
[1][Künstlerin Amelie von Wulffen], Jahrgang 1966, weiß um die
transformative Kraft der Malerei, die verwandeln kann, gerade wenn sie sich
nicht um die perfekte Illusion schert.
Im Kölnischen Kunstverein gibt es jetzt einen wilden Parcours durch
verschiedene malerische Formate der Berlinerin: „Amelie von Wulffen, Jonas
Lipps“ heißt die von [2][Kunstvereinsdirektorin Valérie Knoll kuratierte]
Doppelausstellung. Querverbindungen ergeben sich in diesen separaten, sehr
eigenständigen Präsentationen auf je eigenen Etagen ganz nebenbei.
Bildvokabular von West-BRD geprägt
Im Erdgeschoss begegnet man neueren Arbeiten wie den dreidimensionalen
Bildwesen zwischen Malerei unterschiedlicher Jahrgänge und aktuellen
Riesenstoffbahnen. Familienporträts und Kindheitsszenerien vermischt von
Wulffen mit Medienbildern zu einer Art autofiktionalem Bildvokabular,
deutlich geprägt von der West-BRD.
Comictiere wie „Fix und Foxi“, kreiert vom einst überzeugten
Nationalsozialisten Rolf Kauka, Biene Maja und Heidi strahlen ihr Publikum
an, US-amerikanische Serien zwängen sich dazwischen.
In den Etagen darüber und darunter sind die [3][Malereien von Jonas Lipps].
Sie befinden sich etwa am entgegengesetzten Ende der Extrovertiertheit:
Eher kleinformatige Bilder, gezeichnet, aquarelliert, gemalt, mit
ausgewählten Papieren collagiert, oft spielen Textelemente eine Rolle.
Dazu einige skulpturale Arbeiten, wie die Armada an Rucksäcken, an denen
selbstgegossene Diddl-Figuren in schmutzigem Gummibeige baumeln. In einem
Glaskasten liegt ein Bausparfuchs und sonnt sich unter einer Solarlampe von
Ólafur Elíasson.
Einladend komische Gemengelage
Ein Konvolut der Spezifika hat der Berliner Künstler, Jahrgang 1979, hier
versammelt, und gerade in der Zusammenschau vermittelt es den Eindruck,
vieles davon habe seine zwingende Form gefunden. Manches scheint eher in
Richtung Insider-Gag zu gehen – die in sanftes Zwielicht getauchte
„POCO“-Schule oder der blau-weiß lackierte „POLICE-ICE“ mitsamt weiteren
möglichen Branding-Optionen für den bundesdeutschen ÖPNV ergeben aber schon
eine einladend komische Gemengelage.
Dabei ist bei all dem aufgeladenen, kribbeligen Inhalt nicht zu übersehen,
wie viel sich bei Lipps im Zeichnerischen, Malerischen abspielt, manchmal
auf nur wenigen Quadratzentimetern. Luzide Träume von Fernbusreisen der
Arm-Wrestler, grobe Albernheiten und zarte Skizzen.
Manches kann man sich auch gut als Rätselbild vorstellen: Wo geht der Weg
aus diesem krummen Maler-Labyrinth heraus? Wie viele Kitas hat der Künstler
im Bild versteckt? „Mondbär und Sonnenkäfer“, „Ev. Kindergarten ‚Erlöser‘“,
„Müggelzwerge“ und „Kids in Motion“: Schöner wird’s wirklich nicht. Und
präziser kann man dieses genaue Ostberliner Ortsgefühl, das hier Text-Bild
wird, vielleicht auch nicht fassen.
Proklamation des Un-Sinns
„Willkommen in unserer schönen Gemeinschaft“, kann man ganz oben eine Figur
aus einem abstrakten Panorama in einem gar nicht so willkommen heißenden
Szenario sagen sehen. Eine Skepsis gegenüber dem Kollektiv, den
Verheißungen der engagierten Kunst deutet sich an. Eine Proklamation des
Un-Sinns gegenüber der erstickenden Sinnsuche ist das hier allemal.
Gulliver, der ungenügende Mensch! Der kleine Wicht: In dieser Rolle
gefallen dem Künstler seine Protagonisten (sind es tatsächlich
ausschließlich Männer?) offenbar besonders gut.
Auf dem Rückweg noch einmal zu Amelie von Wulffen, deren Kunst ja
ihrerseits viel vom Projektmanagement Kindheit zu erzählen hat – die
bürgerliche Erfindung, in die man seitdem alles Mögliche reinprojizieren
kann.
Fun ist bekanntlich ein Stahlbad. Beide Künstler scheinen auch davon zu
berichten. In Amelie von Wulffens neuester Schau wird unablässig gestrahlt,
gegrinst, aus voller Brust gejauchzt und frohlockt – erwartungsfroh blicken
ihre Protagonistinnen (oft sind es weibliche Charaktere) von ihren Stoffen
und Vorhängen auf uns herab.
Wo sollen wir denn hin mit all den Emotionen und Bildern? Und man kommt
nicht umhin, darin eine Allegorie auf die Bilder ganz allgemein zu sehen.
Das Bildregime gebiert seine eigenen Monster.
15 Oct 2025
## LINKS
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(DIR) [3] /Ausstellungsempfehlung-fuer-Berlin/!5485672
## AUTOREN
(DIR) Katharina J. Cichosch
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dem Künstler.