# taz.de -- Analyse zur Waffenruhe in Gaza: Ein Durchbruch, aber noch kein Frieden
       
       > Wird der Waffenstillstand für Gaza von Dauer sein? Wird die Hamas ihrer
       > Entwaffnung zustimmen? Und wer soll Gaza regieren? Viele Fragen bleiben
       > offen.
       
 (IMG) Bild: In Chan Junis im Gazastreifen feiern Menschen am Donnerstag die Ankündigung einer Waffenruhe mit Israel, 9. Oktober 2025
       
       Kairo taz | Ein historischer Tag heißt es allerorten: Die erste Phase des
       Trumpschen Gaza-Friedensplans wurde von allen Seiten abgezeichnet. Und
       zweifelsohne ist die Einigung ein Durchbruch, wenngleich noch alles andere
       als ein wirklicher Friedensschluss. Nun muss die Hamas innerhalb von 72
       Stunden die Geiseln freilassen. Dieser Schritt wiederum soll von einem
       ersten israelischen Teilrückzug begleitet werden. Im Gegenzug sollen 2.000
       Palästinenser aus israelischen Gefängnissen freigelassen werden. Zusätzlich
       sollen die Hilfslieferungen in den Gazastreifen in großem Umfang und
       organisiert von der UNO wieder aufgenommen werden. Die Rede ist von
       mindestens 500 Lkws am Tag. Das ist in etwa das Volumen, das Gaza vor
       Kriegsbeginn täglich erreichte.
       
       Doch selbst in dieser nun vereinbarten ersten Phase – die Billigung durch
       das israelische Kabinett stand zu Redaktionsschluss noch aus – kann noch
       einiges schiefgehen. Die Menschen wollen wieder so schnell wie möglich
       zurück in ihre Häuser in Gaza-Stadt oder dem, was davon übrig ist. Die
       israelische Armee warnt die Palästinenser dagegen vor dieser Rückkehr,
       solange sie rund um die Stadt noch präsent ist. Das hat das Potenzial,
       leicht außer Kontrolle zu geraten.
       
       Auch die Suche nach einigen der Leichen der israelischen Geiseln dürfte
       sich nicht einfach gestalten. Ein Grund, warum inzwischen von einer
       türkisch-katarisch-ägyptischen sowie amerikanischen Taskforce die Rede ist,
       die bei der Suche der Leichen helfen soll. Ein anderes Thema sind die Namen
       der freizulassenden Palästinenser, über die bis zuletzt gestritten wurde.
       Laut einigen Berichten wurde der Deal gar verkündet, ohne dass diese Frage
       endgültig geklärt war.
       
       Eine der Forderungen der Hamas war es gewesen, [1][Marwan Barghouti]
       freizulassen. Der gehört zwar der konkurrierenden Fatah-Organisation an,
       aber er gilt als eine Führungsfigur, der sogar einem palästinensischen
       Staat vorstehen könnte. Bisher ist nicht klar, ob Barghouti, der zu einer
       mehrfach lebenslängliche Strafe verurteilt wurde, aus dem israelischen
       Gefängnis freigelassen wird. Barghoutis Frau Fadwa al-Barghouti soll auch
       in Scharm al-Scheich präsent sein, wo die Verhandlungen geführt werden, um
       dieser Forderung Nachdruck zu verleihen.
       
       Das entspräche ganz der weiteren Verhandlungslinie der Hamas, die
       argumentiert, dass sie bei den weiteren Runden nicht allein über die
       Zukunft Gaza mitbestimmen will. Vielmehr will man eine breitere
       palästinensische Basis einbeziehen, sprich die Fatah und auch die
       palästinensische Autonomiebehörde. Und da sind wir auch bereits da, wo es
       wieder wirklich kompliziert wird.
       
       Denn die wirklich kontroversen Themen sind für die weiteren Verhandlungen
       aufgespart. Und viele Palästinenser fürchten, dass man bei diesen
       strittigen Punkten gar nicht mehr anlangt, wenn die Geiseln erst einmal
       freigelassen sind und der israelische Premier Benjamin Netanjahu erneut
       eine Offensive auf Gaza starten könnte, um sein wichtigstes Kriegsziel zu
       erreichen: die Hamas auszuschalten.
       
       ## Das Projekt eines „Gaza-Friedensrats“
       
       Drei große Fragen gibt es also jetzt: Wird das alles so klappen, was für
       die erste Phase ausgemacht ist? Wird der Waffenstillstand von Dauer sein?
       Und schließlich, was geschieht in den weiteren Verhandlungen mit den vielen
       offenen Fragen über die Zukunft Gazas als Nächstes? Bei den weiteren
       Verhandlungen soll es um die Entwaffnung der Hamas gehen und die Frage, wer
       den Gazastreifen regiert, nachdem die Hamas bereits zugestimmt hat, die
       Verwaltung des Streifens aufzugeben. Denn hier ist im Trump-Plan von einem
       fast kolonial anmutenden Projekt eines „Gaza-Friedensrats“ die Rede: einer
       Art Aufsichtsrat unter dem Vorsitz Donald Trumps und einem Generaldirektor
       namens Tony Blair, dem britischen Ex-Premier. Wie dieser „Friedens-Rat“
       angelegt sein soll, wie lange er im Zweifel bestehen soll, das wird einer
       der großen Streitpunkte werden.
       
       Die arabischen Vermittler wie Katar und Ägypten und auch die Türkei haben
       klar gemacht: Sie wollen, dass die Macht so schnell wie möglich an
       palästinensische Technokraten und dann an die palästinensische
       Autonomiebehörde übergeben werden soll. Sie wollen nicht, dass sich in Gaza
       und im Westjordanland zwei völlig unterschiedliche Regierungsformen
       entwickeln. Denn nach ihrer Vorstellung soll das Ganze, wie im Trump-Plan
       allerdings nur sehr vage formuliert, in einen palästinensischen Staat
       münden. Und den gibt es nach der Vorstellung der Palästinenser und der
       arabischen Vermittler nur zusammen mit dem Westjordanland und Ostjerusalem.
       
       Netanjahu lehnt einen solchen Palästinenserstaat vehement ab. Und die Hamas
       lehnt ab, sich entwaffnen zu lassen, solange es einen solchen Staat nicht
       gibt. Insofern ist der jetzige Durchbruch tatsächlich einer, aber es ist
       eben auch nur der Anfang, ein historischer zwar, aber eben auch einer, der
       selbst schnell wieder zur Geschichte werden könnte.
       
       9 Oct 2025
       
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