# taz.de -- Bundestagung der CDA: Scharfe Analyse, moderate Forderungen
       
       > CDA-Chef Dennis Radtke will die CDU zur „Brandmauer gegen die AfD“
       > machen. Der Sozialflügel ist nett zu Jens Spahn, hat aber ein paar
       > kritische Fragen.
       
 (IMG) Bild: Dennis Radtke will die Brandmauer zur AfD aufrecht erhalten
       
       Frankfurt taz | Dennis Radtke schwingt die Faust in der Luft und ruft „Wer
       hat denn über seine Verhältnisse gelebt? Die Nachbarin von meinen Eltern,
       die mit 1000 Euro Rente über die Runden kommen muss, bestimmt nicht.“
       Radtke (46) ist Chef der CDA, der christlich-demokratischen Arbeiternehmer.
       Der Sozialflügel hat rund 30.000 Mitglieder, die CDU 360.000.
       
       Radtke kommt hörbar aus Wattenscheid, ist ein Freund klarer Aussprache,
       allerdings nicht so klar, dass er Kanzler Friedrich Merz auch namentlich
       erwähnt. Seine donnernde Rede ist auch eine Abrechnung mit dem abwesenden
       Kanzler, der kürzlich erklärte, wir hätten über unsere Verhältnisse gelebt
       und könnten uns den Sozialstaat nicht mehr leisten. Die CDA hatte Merz
       eingeladen, der hatte Besseres vor und will 2026 zur CDA kommen.
       
       Das bekannteste Gesicht des Sozialflügels ist Karl Joseph Laumann, (68),
       Arbeitsminister in NRW. 112 Delegierte im schicken Frankfurter IG Metall
       Haus nominieren ihn offiziell als Parteivize für den CDU-Parteitag im
       nächsten Februar.
       
       Laumann schlägt eine ähnliche Rhetorik an wie Radtke: klar, aber ohne
       Namen. „Wir sind keine konservative Partei, die einfach mal so macht“ so
       Laumann. Das zielt auf Carsten Linnemann, den forschen CDU-Generalsekretär,
       der machen, machen, machen für Politik hält. Die CDU, so Laumann und Radtke
       unisono, müsste nicht nur für innere und äußere, sondern auch für soziale
       Sicherheit stehen. Letzteres ist nicht (mehr) mit der Union verbunden.
       
       Das liegt auch an der Schwäche des Sozialflügels. Die Zeiten für die
       Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft waren schon mal besser. In der
       Regierung gibt es nur eine aktive Christsoziale, Serap Güler. Aber die ist
       als Staatsministerin im Auswärtigen Amt mit anderem beschäftigt. Bei
       Arbeit, Sozialem, Wirtschaft wurde die CDA schlicht übergangen. Auf das
       operative Regierungsgeschäft hat der Sozialflügel keinen Einfluss.
       
       Radtke, ein schwungvoller Redner, karikiert die herablassende Haltung in
       der Union gegenüber dem Sozialflügel. „Diese christlich depressiven
       Arbeitnehmer, die immer was zu meckern haben, der Vorsitzende mit seiner
       großen Klappe“ – mit solchen Bildern halte sich die CDU vom Leib, was die
       Arbeiternehmer benennen – nämlich existentielle Probleme der Demokratie.
       
       „Nur mit Migrationspolitik die AfD wieder kleinzubekommen“ sei ein Holzweg,
       so Radtke. Die Union solle nicht über Brandmauern reden: „Wir müssen die
       Brandmauer gegen die AfD sein“. Das zentrale Problem sei nicht
       Armutsmigration und die Schrottimmobilie in Gelsenkirchen, sondern etwas
       Fundamentaleres.: „Das Aufstiegsversprechen ist kaputt.“ Die soziale Krise
       sei „in der Mittelschicht angekommen“.
       
       Wohnen ist die neue soziale Frage, so steht es auch im CDA-Leitantrag.
       Radtke rundet seine Rede zwar mit der Hoffnung ab, dass Schwarz-Rot Erfolg
       haben muss. Seine Rede ist aber eine kritische Generalabrechnung mit 135
       Tagen CDU-Regierung. Nur ohne Namen. Und eine – für die programmatisch eher
       anspruchslose CDU – ziemlich radikale Problemskizze.
       
       Konkret allerdings bewegen sich die CDA-Forderungen im christdemokratischen
       Spektrum. Maß und Mitte. Unter dem Titel „Bezahlbares Wohnen ist soziale
       Gerechtigkeit“ widmet man sich mit Verve dem Erwerb von Eigentum. So soll
       die Grunderwerbssteuer für selbstgenutztes Eigentum wegfallen. Man will,
       Entbürokratisierung, ein Drittel aller Bauvorschriften streichen und auch
       Bau-Genossenschaften besser stellen.
       
       Die Maßnahmen zum Mieterschutz klingen etwas luftig: Man solle „prüfen“, ob
       wer zu hohe Mieten kassiert, Bußgeld zahlen muss. Immerhin: Sozialwohnungen
       sollen erst später aus der Sozialbindung fallen. Ob das reicht, um den aus
       dem Ruder gelaufenen Wohnungsmarkt wieder zu regulieren oder das zerstörte
       Aufstiegsversprechen zu reparieren?
       
       Jens Spahn kommt in der Kaffeepause. „Jens ist da, nehmt den Kuchen mit in
       den Saal“, so die eilige Ansage. Spahn verkörpert die Macht, die CDA eher
       nicht. Der Fraktionschef sieht die Bilanz der Regierung durchweg rosig.
       Merz habe Europa wieder zusammengeführt, man habe die Verteidigungsausgaben
       verdreifacht und so den Kollaps der Nato verhindert, illegale Migration um
       60 Prozent gesenkt. Jetzt wird mit weniger Steuern für Unternehmen und
       Investitionen das Wachstum angekurbelt.
       
       Der Ton bleibt freundlich, Spahn bekommt auch donnernden Applaus als er die
       AfD als „fünfte Kolonne Moskaus“ und „Verrat am Vaterland“ bezeichnet. Aber
       es gibt auch, in freundlicher Form, Kritik an Spahns Jubelbilanz. Monika
       Wüllner, die im CDU-Bundesvorstand ist, hält das Erwartungsmanagement für
       miserabel. Erst habe Merz angekündigt, dass im Sommer alle merken, dass es
       aufwärts geht, dann den Herbst der Reformen angekündigt. Beides
       Luftbuchungen. Vor allem aber bewege sich die Union mitunter „sprachlich
       auf dem Niveau der AfD“. Spahn weist das gewohnt zackig zurück.
       
       Auch in Sachen Kulturkampf gibt es Differenzen. Radtke warnt, dass die
       politische Mitte in Kulturkämpfen immer verliert, Spahn glaubt, dass die
       Union jenen 50 Prozent umgarnen muss, die laut Umfragen glauben, sie
       dürften nicht mehr sagen, was sie denken. Die CDU „als Brandmauer gegen die
       AfD“? Dazu gibt es recht unterschiedliche Ideen.
       
       Spahn wiederholt die Kritik, dass die Vermögensverteilung in Deutschland zu
       ungleich sei. „Das muss man sagen können, ohne als Sozialist zu gelten“, so
       der Fraktionschef. Diese Gefahr ist übersichtlich, zumal Spahn weder das
       Wort Vermögenssteuer noch das Wort Erbschaftsteuer über die Lippen kommen.
       Zweidrittel der Unions-WählerInnen sind für höhere Steuer für Reiche.
       Bislang ist die Debatte um die Vermögensverteilung luftig, abstrakt und tut
       niemand weh.
       
       Um 16 Uhr muss Spahn schnell zum Flughafen. Termin absolviert. Dennis
       Radtke schenkt seinem Parteifreund noch schnell einen Pullover. Das sei
       „ein Vorschuss“, weil man ja demnächst gemeinsam milliardenschweren
       Ausnahmen für großen Firmen bei der Erbschaftssteuer abschaffen wird.
       
       Man wird sehen.
       
       20 Sep 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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