# taz.de -- Spielwagen-Ausstellung in Berlin: Die Kinder bauen lassen
       
       > Eine Ausstellung im Lichtenberger Kunstraum after the butcher zeichnet
       > die DDR-Geschichte des Kollektivs „Spielwagen Berlin 1“ nach.
       
 (IMG) Bild: Spielplatz in der Rykestraße
       
       „Wir und die Kinder waren beim Spielen Partner, das war die neue Qualität“,
       erinnert sich Jens-Holger „Nilson“ Kirchner. „Es ging um die Verbindung von
       Spielen, Lernen und Leben.“ Das spannende Interview mit dem inzwischen
       verstorbenen „Spielwagen Berlin 1“-Protagonisten kann man momentan bei
       after the butcher nachlesen, einem [1][Lichtenberger Ausstellungsraum „für
       zeitgenössische Kunst und soziale Fragen“].
       
       Fotos mit lehmbeschmierten, bauwütigen Kindern hängen dort in der
       Ausstellung „Spielwagen Berlin 1 – Das Spiel wagen in Ost-Berlin“. Gewidmet
       einer Ostberliner Bewegung, die sich von unten konstituierte und über das
       Spiel in die damalige Gesellschaft hinein wirken wollte. Konkret ging es
       darum, den öffentlichen Raum zu bespielen. So organisierte „Spielwagen
       Berlin 1“ 1985 fünf LKWs mit Lehm fürs Neubaugebiet Marzahn.
       
       Ausgekippt wurde er in der Umgebung der [2][Plattenbauten] und verwandelte
       diese für ein Wochenende in ein riesiges Experimentierfeld, in dem
       bautechnisch nichts vorgegeben war. Kirchner erinnert sich: „Spielwagen war
       eine bequeme Nische. Wir hatten solche (Volkskunstkollektiv-)Pappen und
       konnten dafür Aktionen machen, die eigentlich Gegenentwürfe waren, und
       hatten dafür auch ein gewisses Budget.“
       
       Das 1979 gegründete „Kollektiv Spielwagen Berlin“ hatte sich 1985 in zwei
       Gruppen aufgespalten. „Spielwagen Berlin 1“ übernahm den Möbelwagen und
       verortete sich im Umfeld vom Kollwitzplatz. Der Historiker Florian Manthey,
       der zusammen mit der Kulturwissenschaftlerin Virág Bogyó die Ausstellung
       kuratiert hat, steht mit mir vor einem Foto, das eine Szene in der
       Spielstadt am Kollwitzplatz im Frühsommer 1989 zeigt. Sie stand kurz davor
       verboten zu werden.
       
       ## Die Spielwagen-Gruppen der DDR
       
       Fix hatte man Protestplakate gedruckt und konnte dann doch die geplante
       Spielstadt aufbauen zum zehnjährigen Jubiläum der Spielwagen-Gruppen in der
       DDR. Kurz nach der Offenlegung der gefälschten Kommunalwahlen im Mai 1989
       wurden im Spiel demokratische Wahlen zum Kinderbürgermeister durchgeführt
       und es wurde mit einer Littfaßsäule Öffentlichkeit hergestellt. Die Kinder
       skandierten lautstark: „Nieder mit der Regierung“, weil der
       Spielstadt-Bürgermeister die Steuern erhöhen wollte. Die Stasi stand
       daneben und sah zu.
       
       „Die Spielwagen-Leute waren Meister im Spagat zwischen Nähe und Distanz zu
       öffentlichen Institutionen“, sagt Manthey. Er hat auch im
       Stasi-Unterlagen-Archiv zum Umkreis von „Spielwagen Berlin 1“ recherchiert
       und ist in der Kerngruppe auf keinen IM gestoßen. Im Rahmen der vom FDGB
       veranstalteten Arbeiterfestspiele im Juni 1986 in Stendal errichteten die
       Spielwagen-Kollektive mit den Kindern eine temporäre Kinderstadt und
       nannten sie „Stendobil“. Die lokale Staatsmacht erkannte den unverkennbaren
       Verweis auf die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl und erzwang eine
       Umbenennung der Spielstadt.
       
       In den Räumen von after the butcher kann man unzählige Fotos von
       entspannten, wilden Kindern betrachten, sich ins Spielwagen-Netzwerk
       vertiefen, das bis nach München zum Spielwagen-Papst [3][Wolfgang
       Zacharias] reichte. Und staunen, was alles zwischen Mauerfall und
       Wiedervereinigung diskutiert, ausprobiert und von den „Spielwagen Berlin
       1“-MacherInnen in die Wege geleitet wurde. So war der alte von Zacharias
       organisierte Kopierer Geburtshelfer der Kinderzeitung, die in der
       Ausstellung aushängt.
       
       „Spielwagen Berlin 1“ transformierte sich in den frühen 1990ern zur
       Initiative Netzwerk Spiel/Kultur Prenzlauer Berg e.V., deren Kreativität
       sichtbar in dieser Stadt steckt, etwa im abenteuerlichen Bauspielplatz
       Kolle 37. Im Logo steckt immer noch dasselbe Strichmännchen wie vor vierzig
       Jahren: mit gespreizten Beinen und einem Querstrich dazwischen. Ein großes
       A. A wie aktiv, Aktion. Und wie Anarchie.
       
       21 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katja Kollmann
       
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