# taz.de -- Der Nachwendekindertalk: Berlin Calling: Wie Berlin sich, dich und mich verändert!
       
       > Marie macht sich Gedanken über die Heroisierung von Gewalt. Chipi will
       > über Deutschlands kontroverseste Stadt diskutieren.
       
       In der aktuellen Folge von Mauerecho – Der Nachwendekindertalk widmen sich
       Chipi und Marie, frisch aus dem Urlaub zurückgekehrt, zwei völlig
       unterschiedlichen Themen. Einerseits geht es um die Heroisierung von Gewalt
       im Namen der Kapitalismuskritik, die auf Social Media um sich zu greifen
       scheint. Andererseits sprechen die beiden über einen TikTok-Trend: Wie hat
       Berlin dich verändert?
       
       Im ersten Teil des Podcasts geht es um den Fall des 27-jährigen [1][Shane
       Tamura], der am 28. Juli in einem Bürogebäude an der Park Avenue in New
       York vier Menschen erschoss. Der Polizei zufolge hatte es der Täter auf das
       Hauptquartier der National Football League (NFL) abgesehen. Weil sich unter
       den Opfern auch die CEO von Blackstone Real Estate Investment Trust
       befindet, wird auf Social Media gemutmaßt, dass es sich bei Tamura um einen
       Nachahmer von [2][Luigi Mangione] handeln könnte, der verdächtigt wird, im
       Dezember 2024 den CEO von UnitedHealthcare, einem der größten
       Krankenversicherer der USA, umgebracht zu haben. Obwohl es für diese
       Interpretation wenig Beweise gibt, wird Tamura ähnlich wie Mangione von
       kapitalismuskritischen Stimmen als Klassenkämpfer gefeiert.
       
       Woher kommt diese Heroisierung? Marie argumentiert, dass sich daran zeigt,
       wie ohnmächtig sich viele Menschen gegenüber der Gewalt fühlen, die von
       einem System ausgeht, in dem Lebensbereiche wie Gesundheitsversorgung und
       Wohnen privatisiert und profitorientiert verwaltet werden. Es fehle eine
       Sprache für diese Art von Gewalt, sodass die Bedrohung, die von ihr
       ausgeht, unsichtbar bleibe.
       
       Chipi ergänzt, dass es in den USA auf politischer Ebene an Akteur*innen
       fehle, die eine klare Kapitalismuskritik formulieren. Dieses Vakuum führe
       dazu, dass sich Menschen radikalisieren. In Deutschland würde zwar die
       Linke die Probleme des Kapitalismus adressieren, dennoch vermutet er, dass
       auch hierzulande die fehlende Anerkennung sozialer Ungerechtigkeit dazu
       führe, dass Menschen die AfD wählen und für rassistische Ideologien
       anfälliger seien.
       
       ## Fehlende Distanzierung von Gewalt
       
       Marie findet es wichtig, dass Linke die Verklärung dieser Taten weiterhin
       kritisch hinterfragen. Im Fall von Tamura seien auch Menschen gestorben
       oder bedroht worden, die selbst Teil der Arbeiterklasse sind. Die fehlende
       Distanzierung von Gewalt und die unterkomplexe Betrachtung der
       Machtverhältnisse hält sie für wenig emanzipativ. Auch Chipi betont, dass
       er diesen Weg nicht für die Lösung hält: „Diese Art der Gewalt macht mir
       Angst, weil sie zeigt, wie verroht eine Gesellschaft ist.“
       
       Im zweiten Teil des Podcasts berichtet Chipi, dass sein Social-Media-Feed
       voll sei von Videos, in denen Menschen darüber sprechen, wie Berlin sie
       verändert hat. Marie erzählt, dass sie ein zwiespältiges Verhältnis zu
       Berlin hat: Einerseits genießt sie die Anonymität, andererseits fehlt ihr
       in der Stadt auch manchmal die soziale Verbindlichkeit.
       
       Ist Berlin die Stadt, um sich selbst zu finden? Marie hat den Eindruck,
       dass sich gerade in den letzten Jahren in Berlin ein gewisser Lebensstil
       eingestellt hat, der weniger individuell ist, als er wirkt. „Man geht
       vielleicht auch nach Berlin und findet eine Version seiner selbst, die sich
       dem anpasst“, sagt sie.
       
       Außerdem stellen beide fest, wie sehr die Gentrifizierung inzwischen
       beispielsweise an den Wohnungsmieten und den Eintrittspreisen in Clubs
       spürbar sei, wodurch sich das Berlin-Gefühl, das viele suchen, sehr
       verändert habe. Es sei nicht mehr so einfach möglich, sich künstlerisch
       auszuleben, weil die Räume dafür mehr und mehr verdrängt werden. Deswegen
       wünscht sie sich manchmal, eine Zeitreise machen zu können, um Berlin in
       den 90er-Jahren zu erleben. Chipi stellt die These auf, dass früher „die
       ganzen verrückten Vögel aus den Dörfern“ nach Berlin gezogen sind und die
       Stadt zu dem gemacht haben, was sie heute ist. Von diesem Gefühl werden
       viele angezogen, die das Besondere suchen, aber es selbst nicht mehr in die
       Stadt mitbringen.
       
       Abschließend stellen die beiden aber auch fest, dass alle, die in Berlin
       wohnen, eine intensive Hass-Liebe zu ihrer Stadt pflegen. „Das macht die
       Stadt aber auch irgendwie spannend, weil es ein Spannungsfeld gibt, in dem
       man sich bewegen kann.“
       
       „Mauerecho – Ost trifft West“ ist ein Podcast der [3][taz Panter Stiftung].
       Er erscheint jede Woche Sonntag auf [4][taz.de/mauerecho] sowie überall, wo
       es Podcasts gibt. Besonderen Dank gilt unserem Tonmeister Daniel Fromm.
       
       9 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.huffpost.com/entry/ap-us-shooting-new-york-city-eric-adams-nfl-hq_n_6888babbe4b0d2f593268bf2
 (DIR) [2] /Mord-an-UnitedHealthcare-CEO-in-New-York/!6051655
 (DIR) [3] /stiftung
 (DIR) [4] /Podcast-Mauerecho/!t6064118
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marie Eisenmann
 (DIR) Dennis Chiponda
       
       ## TAGS
       
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