# taz.de -- Ausstellung in Berlin: Vom Kinderstar zum Modefotografen
       
       > Rico Puhlmann verstand es, Mode für Hochglanzmagazine fotografisch zu
       > inszenieren. Das Berliner Museum für Fotografie widmet ihm nun eine
       > Retrospektive.
       
 (IMG) Bild: Christy Turlington mit Amethyst und einer Halskette von Stephen Dweck. In „Harper’s Bazaar“, 1988
       
       Als sich die Mode aus Berlin zurückzog, verließ auch Rico Puhlmann die
       Stadt. Bis dahin war er neben [1][F. C. Gundlach], Hubs Flöter oder
       [2][Charlotte March] ein bekannter und viel beschäftigter Modefotograf.
       Sein Weggang 1970 nach New York war riskant. Könnte er sich dort gegen
       Richard Avedon oder Irving Penn durchsetzen? Die Wette ging auf.
       
       Bereits im August desselben Jahres hatte er seine erste Veröffentlichung in
       Glamour, zwei Jahre später sein erstes Titelfoto im Hochglanzmagazin
       Harper’s Bazaar, für das er bis 1992 auch mit Supermodels wie Cindy
       Crawford und [3][Naomi Campbell] regelmäßig große Fotostrecken schuf.
       
       Er war schon einmal ein Star gewesen und dann ausgestiegen. Damit setzt
       seine große Retrospektive „Rico Puhlmann. Fashion Photography 50s–90s“ im
       Museum für Fotografie ein. Ein Kinderstar der UFA, seit der Berliner 1940
       als Sechsjähriger zum ersten Mal vor der Kamera stand, spielte er bis 1954
       in rund 15 Filmen.
       
       Es wären mehr geworden, hätte er sich nicht 1951 an der Hochschule für
       Bildende Künste im Fach Modegrafik eingeschrieben. Aber ganz ließ ihn der
       Film nicht los. Nach dem Wechsel vom Stift zur Fotokamera kam das im
       Filmstudio erworbene Gespür für Licht und Kulissen bei seinen
       Modeinszenierungen deutlich zur Geltung.
       
       ## Ab den 1970er widmete er sich dem Film
       
       Ab 1973 wurde er selbst Filmer und stellte – noch immer von der Stadt und
       ihrem Straßenbild fasziniert – Beiträge aus New York für [4][das vom SFB
       produzierte „Modejournal]“ her. Wie in der Ausstellung zu sehen, mischte er
       inszenierte Szenen, in denen professionelle Models New Yorker Labels wie
       Ralph Lauren, Calvin Klein oder Oscar de la Renta vorstellten, mit
       dokumentarischen Street-Style-Aufnahmen, beispielsweise von den Puerto
       Ricaner:innen und Schwarzen, die sich am Wochenende am Bethesda
       Fountain im Central Park trafen.
       
       Die zweimal im Jahr am Sonntagnachmittag im ersten Programm ausgestrahlten
       Beiträge, die Puhlmann mit aktuellen Charthits unterlegte, trugen
       maßgeblich dazu bei, dass amerikanische Mode in Deutschland populär wurde.
       
       Indem Puhlmann die Trends des Street Styles wie Plateauschuhe, Kniestrümpfe
       oder riesige Goldkreolen sehr genau beobachtete, lieferte er einen
       direkten, unverstellten Blick auf die Jugendkultur, wie ihn die damalige
       Modepresse nicht kannte. Ihm war auch der modische Einfluss von New
       Hollywood mit Filmen wie „Chinatown“, „The Clou“ oder „The Great Gatsby“
       vor allem auf junge Männer bewusst.
       
       Als echter Mode-Aficionado selbst Teil der Pop- und Subkultur konnte er ab
       1980 mit seinem Engagement bei GQ (Gentlemen’s Quarterly) an der Seite von
       Bruce Weber das Bild eines neuen, modernen Mannes entwerfen, der natürlich
       längst schon in den Straßen der internationalen Metropolen unterwegs war.
       
       Dank seines sportlich gestählten Körpers konnte der neue Mann Kleidung
       lässig tragen. Weiche, fließende Stoffe waren kein Tabu mehr. Ja, er durfte
       es sich selbst bequem machen, wie Puhlmanns Aufnahme von zwei regelrecht
       hingebetteten Männermodels 1982 in GQ zeigt.
       
       ## Puhlmann ging es nie um Tabubruch
       
       Anders als [5][Helmut Newton] oder [6][Guy Bourdin] ging es Rico Puhlmann
       nie um den Tabubruch. Vielmehr agierte er bei seinen Fotoshootings zunächst
       als Kenner von Mode und Kleiderhandwerk und dann als Profi in der Kunst der
       Performance.
       
       Puhlmanns Aufnahmen sind sehr lebendig. Das liegt auch daran, dass er gerne
       im Freien arbeitet und die Mode im Kontext von Alltag, Urbanität, Freizeit
       und Reisen zeigt. Wie sich dieser, sein spezifischer Stil entwickelt hat,
       lässt sich anhand der frühen Modezeichnungen, Polaroids und Filme, der
       Zeitschriftencover und großen Bildstrecken sowie der Terminkalender gut
       nachvollziehen.
       
       In der sorgfältig und kenntnisreich gehängten Ausstellung kommen nicht nur
       Foto- und Mode-, sondern auch Presse- und Kulturgeschichte zur Sprache.
       [7][Und weil gerade Jubiläum ist]: Typisch für Puhlmanns Idee vom Auftritt
       der Mode ist das Model, das er 1995 vor dem von [8][Christo und
       Jeanne-Claude] verhüllten Reichstag fotografiert.
       
       Die Aufnahme ist ein heiteres Modebild – weit entfernt vom statuarisch
       präsentierten Glamour einer Modefotografie, mit der in dieser Zeit
       Fotografen wie Steven Meisel oder Mario Testino im Zusammenspiel mit
       Stylisten, Make-up-Artists und Art Direktoren die Deutungshegemonie
       gegenüber der Mode beanspruchten.
       
       Rico Puhlmann wollte da nicht mitgehen und orientierte sich wieder nach
       Europa. Der verhüllte Reichstag erschien in der italienischen
       Modezeitschrift Amica. Für einen weiteren Auftrag bestieg er am 17. Juli
       1996 den Flug TWA 800 nach Paris und kam beim Absturz der Maschine gleich
       hinter Manhattan ums Leben.
       
       30 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
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