# taz.de -- Gezerre um Verfassungsrichter*in-Posten: Ein Rückzug wäre das falsche Signal
       
       > Die Kampagne gegen Frauke Brosius-Gersdorf ist maßlos. Sie selbst agiert
       > klug. Die SPD sollte gegenüber der Union auf ihr beharren.
       
 (IMG) Bild: Agiert klug: Frauke Brosius-Gersdorf, am 15.4.2025
       
       Frauke Brosius-Gersdorf, Kandidatin als Richterin am
       Bundesverfassungsgericht, hat angekündigt, unter bestimmten Umständen ihre
       Kandidatur zurückzuziehen. [1][Angesichts der Schmutzkampagne, die seit
       einigen Wochen über sie hereingebrochen ist], ist das persönlich
       nachvollziehbar; auch zeugen ihre Argumente – Schaden vom höchsten
       deutschen Gericht abwenden und nicht zu einer Regierungskrise beitragen zu
       wollen – von großem Verantwortungsbewusstsein für die Demokratie. Es ist
       trotzdem das falsche Signal.
       
       Die anerkannte Staatsrechtlerin ist weder dafür verantwortlich, dass das
       Gericht Schaden nehmen könnte, noch dafür, dass die Bundesregierung in
       einer Krise steckt. Das hat diese schon selbst verbockt, ganz besonders die
       Union. Zweitens wäre der Rückzug ein Sieg einer orchestrierten Kampagne,
       der eine Art Präzedenzfall schaffen könnte: Die Wahl einer Richterin mit
       einer liberalen Haltung zum Thema Abtreibung wäre künftig deutlich
       erschwert, wenn nicht unmöglich. Und drittens könnte die Union den
       gravierenden Fehler, den sie am vergangenen Freitag begangen hat, nicht aus
       der Welt schaffen. Da ist sie im Galopp in die Falle der rechtsradikalen
       Kulturkämpfer gerannt und hat die Mitte preisgegeben, in der die Koalition
       eigentlich stehen sollte.
       
       Nun kann man sagen: [2][Die Abtreibungsfrage ist für die Union nun einmal
       zentral und die Wahl von Brosius-Gersdorf deshalb ein Problem für sie]. Es
       geht bei dieser Wahl aber nicht um die Abstimmung zum Paragraf 218; der
       zweite Senat, in den Brosius-Gersdorf einziehen soll, wäre im Regelfall für
       das Thema nicht einmal zuständig. Es geht um die Nachbesetzung in dem
       bewusst breit aufgestellten höchsten deutschen Gericht. Dort sollte Platz
       für eine Frau mit einer Position sein, die mehr als drei Viertel der
       deutschen Bevölkerung teilen – und die auf anderen Feldern eher
       wirtschaftsliberale Positionen vertritt. Ein solches Gericht, zentraler
       Teil des demokratischen Rechtsstaats, sollte auch der Union am Herzen
       liegen.
       
       Im Gespräch bei „Markus Lanz“ hat Brosius-Gersdorf beherzt mit all den
       Lügen aufgeräumt, die über sie verbreitet wurden. Und deutlich gemacht,
       dass sie sich des Rollenwechsels, der mit dem Gang nach Karlsruhe
       notwendigerweise verbunden ist, bewusst ist. Eines Rollenwechsels, den im
       Übrigen mehrere CDU-Politiker bereits vollzogen haben. Aber auch den
       Auftritt bei „Markus Lanz“ versuchen manche der Kandidatin anzukreiden:
       Durch ihre Offensive trage sie zur Politisierung des Verfassungsgerichts
       bei.
       
       Nur: Was soll sie denn tun? Schweigend dabei zuschauen, wie Hetzer im
       Zusammenspiel mit der Union ihren Ruf ruinieren und einen Sieg davontragen?
       Die Verteidigung durch die SPD, deren Spitze abgetaucht zu sein scheint,
       lässt jedenfalls zu wünschen übrig. Natürlich wird derzeit hinter den
       Kulissen nach einer Lösung für die verfahrene Situation der Koalition
       gesucht. Der Rückzug der Kandidatin wäre dafür der einfachste Weg. Richtig
       aber wäre ihre Wahl.
       
       16 Jul 2025
       
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