# taz.de -- Konzert der Sparks in Berlin: Bitte versaut mir nicht meine Welt
       
       > Mit Arbeitsethos stilvoll altern: Die Sparks stellten am Sonntag ihr
       > mittlerweile 28. Album, „Mad!“, in der Uber Eats Music Hall vor.
       
 (IMG) Bild: Raffinierte Lichttechnik in der zweckbaulich gehaltenen Uber Eats Music Hall: Die Sparks
       
       Am Ende jubelt der Saal. Und auf der Bühne wirkt es so, als wollten sich
       die Brüder Ron und Russell Mael nach dem Auftritt ihrer Band Sparks gar
       nicht so richtig vom Publikum verabschieden. Kein professionell strahlendes
       Winke-Winke und dann zackig ab in die Garderobe, vielmehr stehen die beiden
       Endsiebziger andächtig an der Rampe und wirken echt bewegt.
       
       Dabei war die Atmosphäre in der zweckbaulich gehaltenen Uber Eats Music
       Hall am Sonntag vor Beginn noch so ruhig, dass es mit den Erwartungen
       zunächst überschaubar blieb. Dass in der höchstens zu zwei Dritteln
       gefüllten Mehrzweckhalle einige Tribünen fast leer waren, mag dazu
       beigetragen haben. Nicht zu vergessen der Altersdurchschnitt, der gefühlt
       bei sechzig aufwärts lag. Jüngere Fans waren klar in der Minderheit. Was
       bei einer Band, die es seit den siebziger Jahren gibt, mitunter dazugehört.
       
       Sobald die Brüder Mael, die einzige personelle Konstante der Sparks, und
       ihre Tourmusiker den Saal betraten, lösten sich derlei pessimistische
       Unkereien jedoch schnell in Wohlgefallen auf. Die Sparks aus Los Angeles
       sind ja auch keine normale Band, sondern eher Musiker, die Musik über Musik
       machen. Und das mit Witz. Was einer der Gründe dafür sein dürfte, dass
       Kritiker sie so schätzen.
       
       [1][Die Sparks bedienen sich dabei einerseits unterschiedlichster Stile,
       andererseits haben sie mit ihrer Wandlungswilligkeit im Pop einige neue
       Dinge angestoßen], das aber immer mit spielerischer Ironie. Botschaft: Wir
       nehmen uns selbst nicht so ganz ernst.
       
       ## 53 Jahre Bandgeschichte
       
       Dazu passt, dass ihre Songs gern eine reflexive Ebene haben, was die Sparks
       gleich zum Einstieg demonstrierten. „So May We Start“ lautet eine ihrer
       Nummern, die sie für den Soundtrack des [2][Musicalfilms „Annette“ von Leos
       Carax] schrieben. Was eignet sich besser für einen Konzertbeginn als die im
       Titel gestellte Frage, die gleichzeitig mit Musizieren beantwortet wird?
       
       Da die Band seit 53 Jahren besteht und inzwischen 28 Alben vorgelegt hat,
       bot sie ihren Fans aus den verschiedenen Epochen im Verlauf des Konzerts
       eine kursorische Werkschau. Zu vielen Songs von der aktuellen Platte „Mad!“
       kamen daher noch viel mehr alte Hits, allen voran ihr allerältester: „This
       Town Ain’t Big Enough for Both of Us“ von 1974, bis heute wohl ihr
       bekanntester Beitrag zum Pop.
       
       Ein unwahrscheinlicher Erfolg obendrein, mit seinem rätselhaften Text und
       seiner kaum singbaren Melodie, die mit reichlich Verzierungen mäandriert,
       bevor sie beim Refrain mit seinem martialischen Staccato-Rhythmus ankommt.
       Sorgt ungehalten für Begeisterung.
       
       In Deutschland hatten die Sparks in den Neunzigern sogar noch einen
       größeren Erfolg, der an diesem Abend ebenfalls nicht fehlen durfte. „When
       Do I Get to Sing ‚My Way‘“ von 1994, eine energische Ballade über
       Karriererückschläge, war nach einer kreativen Pause von sechs Jahren ein
       Comeback für die Band, auch dank MTV.
       
       In Deutschland hatte der Sound, angelehnt an die eleganten Eurodance-Hymnen
       der Pet Shop Boys, die umgekehrt anfangs von den Sparks inspiriert waren,
       ihnen besonders großen Zuspruch beschert. Wie Russell Mael nach dem Song
       anmerkte, hielten viele Leute sie damals für eine völlig neue Band.
       
       ## Stilbewusst
       
       Mit ihrem Art Rock der Siebziger hatte das definitiv weniger zu tun als mit
       dem Disco-basierten Synthiepop, den die Sparks 1979 mit dem Produzenten
       Giorgio Moroder aus der Taufe hoben. Ihr gemeinsames Album „No. 1 in
       Heaven“ würdigten die Maels denn auch ausgiebig mit drei Nummern. Besonders
       schön die Darbietung des Titelsongs, dessen Disco-Beat der ansonsten
       bevorzugt unbewegliche Ron Mael nutzte, um sich zu erheben und in seinem
       strengen schwarzen Kittel ein paar kantige Tanzschritte hinzulegen, die am
       ehesten an eine Kampfsporteinlage erinnerten.
       
       Überhaupt beweisen die Sparks bei ihrer Show altersgerecht Stil. Russell
       Mael hebt sich traditionsgemäß gegen seinen Bruder mit bunter Gewandung ab,
       hier mit einem mehrfarbigen Anzug. Im Hintergrund beleuchteten rechteckige
       Rahmen das Geschehen, dies wahlweise streng geometrisch oder mit fließenden
       Bewegungen des Lichts. Schlicht und raffiniert ineins.
       
       Gegenüber dem bewährten Material konnten sich die Songs vom neuen Album
       nicht ganz behaupten, enttäuschen tun die heutigen Sparks dennoch nicht.
       „Do Things My Own Way“ etwa, das insistierend die Titelzeile über einem
       gleichbleibenden Grundton wiederholt, groovt überzeugend wütend und lässt
       sich als Kommentar zum Politikstil des gegenwärtigen Präsidenten der USA
       verstehen.
       
       Und manchmal geht es bei ihnen ergreifend direkt zur Sache. „Please Don't
       Fuck Up My World“ lautet eine ihrer Bitten. Obwohl fünf Jahre alt, hat sich
       das Stück nicht erledigt: Auf „So much now needs addressing“ reimt sich
       darin „So much now is depressing“. Auch eine Form von Widerstand.
       
       7 Jul 2025
       
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 (DIR) Tim Caspar Boehme
       
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