# taz.de -- Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung: Nicht mehr als ein Kompromiss
       
       > Die UN-Konferenz in Sevilla verabschiedete ein Papier zur
       > Entwicklungsfinanzierung. Ein politischer Durchbruch ist die
       > Abschlusserklärung nicht.
       
 (IMG) Bild: Die Klimakrise trifft vor allem die ärmsten Länder der Welt, hier in Kenia an der Grenze zu Äthiopien
       
       Der Aufstieg nationalistischer und rechtsextremer Bewegungen in vielen
       Ländern macht internationale Zusammenarbeit immer schwieriger. Diese
       Herausforderung zeigte sich auch bei der 4. Internationalen Konferenz für
       Entwicklungsfinanzierung der Vereinten Nationen in der vergangenen Woche im
       spanischen Sevilla.
       
       Im Mittelpunkt der Konferenz mit über 50 Staats- und
       Regierungschef*innen und mehr als 15.000 Teilnehmer*innen standen
       zentrale finanzpolitische Herausforderungen: die Reform internationaler
       Finanzinstitutionen, Staatsverschuldung, Steuerfragen, die Regulierung der
       Finanzmärkte, Entwicklungszusammenarbeit und Klimafinanzierung. Der
       UN-Prozess zur Entwicklungsfinanzierung bietet auch ärmeren und kleineren
       Staaten Mitspracherechte. Hierin unterscheiden sich die Vereinten Nationen
       von anderen Institutionen und Foren wie beispielsweise der G20 oder der
       Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in
       denen wirtschafts- und finanzpolitische Fragen auf der internationalen
       Ebene in der Regel verhandelt werden.
       
       Die Konferenz fiel in eine Zeit, in der sich die Defizite der aktuellen
       globalen Finanzarchitektur besonders stark zeigen. [1][Viele Länder des
       Globalen Südens leiden unter Überschuldung.] Das zwingt sie dazu, immer
       größere Anteile ihrer Staatshaushalte für den Schuldendienst aufzuwenden.
       Das schränkt ihren Spielraum für Investitionen in eine nachhaltige
       Wirtschaftsentwicklung, die Klimaanpassung sowie in Bildungs- und
       Sozialsysteme stark ein. Durch unzureichende Steuersysteme und mangelhafte
       internationale Kooperationen verlieren Staaten ein enormes Steueraufkommen.
       Gleichzeitig sind viele ärmere Länder aktuell von massiven Kürzungen in der
       Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe betroffen. Nicht nur
       die USA, sondern auch Länder wie Großbritannien, die Niederlande und
       Deutschland haben ihre Mittel stark reduziert – obwohl sie es zugesagt
       hatten.
       
       Auch in Bezug auf private Investitionen sind die Probleme des globalen
       Finanzsystems offensichtlich. So unterstützen die Finanzmärkte immer noch
       in erheblichem Umfang Investitionen in fossile Industrien, die die
       Klimakatastrophe weiter verstärken. Zudem ziehen private Investoren in
       Krisenzeiten häufig ihr Kapital aus Ländern des Globalen Südens ab, da sie
       Investitionen in diesen Ländern als weniger sicher erachten.
       
       Die vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen entstandene
       Abschlusserklärung der Konferenz in Sevilla trägt den Titel „Compromiso de
       Sevilla“. „Compromiso“ lässt sich am besten mit „Zusage“ oder
       „Verpflichtung“ übersetzen. Deutsch- und englischsprachige Menschen werden
       schnell an den Begriff „Kompromiss“ denken – eine Assoziation, die man
       vielleicht besser vermieden hätte, wenn die Konferenz als ein starkes
       Zeichen für weitreichende Reformen gelten soll.
       
       Dennoch ist die Abschlusserklärung am Ende genau das: ein Kompromiss.
       Gemessen an dem, was nötig ist, um die nachhaltigen Entwicklungsziele der
       Vereinten Nationen noch zu erreichen, reicht die Vereinbarung bei weitem
       nicht aus. Bei vielen wichtigen Fragen bleibt das Papier vage. So sagen die
       Regierungen zu, neue Finanzmarktregulierungen „in Betracht zu ziehen“ und
       sich an Verhandlungen zu einer neuen UN-Steuerkonvention „konstruktiv zu
       beteiligen“. Internationale Organisationen werden wiederholt „eingeladen“,
       Maßnahmen zu überdenken.
       
       Doch die geringe Verbindlichkeit ist nicht das einzige Problem – auch der
       Inhalt der Abschlusserklärung bietet Anlass zur Kritik. Beispielsweise ist
       das Dokument an vielen Stellen einem Entwicklungsparadigma verpflichtet,
       das in privaten Investitionen nahezu ein Allheilmittel sieht. Die Rolle des
       Staates wird primär darin gesehen, [2][private Investitionen zu
       stimulieren] und mit dem gezielten Einsatz öffentlicher Gelder die
       Attraktivität von Investitionsprojekten zu erhöhen, um just dafür mehr
       privates Kapital einzusammeln. Die bisherigen Erfahrungen mit solchen
       Instrumenten sind jedoch ernüchternd.
       
       Ebenso reflektiert die Erklärung nicht ausreichend, dass nachhaltige
       Entwicklung insgesamt globale Veränderungsprozesse erfordert – nicht
       ausschließlich im Globalen Süden, sondern auch in den reichen Ländern. Das
       betrifft sowohl ökologische Fragen als auch soziale Herausforderungen wie
       Ungleichheit und den Umgang mit Geflüchteten.
       
       ## US-Regierung stimmte nicht zu
       
       In der [3][derzeitigen geopolitischen Lage ist es indes schon ein Erfolg,
       dass es überhaupt gelang, eine Abschlusserklärung im globalen Konsens zu
       verabschieden]. Nur die US-Regierung stimmte der Erklärung nicht zu und
       reiste am Ende gar nicht erst zur Konferenz an. In den vorhergehenden
       Verhandlungsrunden hatten US-Vertreter*innen immer wieder Positionen
       fundamental infrage gestellt, die bis vor Kurzem als globaler Konsens
       galten, beispielsweise in Bezug auf die Klimakrise oder
       Geschlechtergerechtigkeit.
       
       Das Verhalten der USA zeigt, wie groß die Gefahr für die internationale
       Zusammenarbeit ist, die vom Erstarken nationalistischer Bewegungen ausgeht.
       Schließlich liegen rechtsradikale Parteien mittlerweile auch in vielen
       europäischen Ländern in Umfragen vorn. Und selbst da, wo solche Parteien
       nicht regieren, wird die Außen- und Entwicklungspolitik immer stärker auf
       „nationale Interessen“ ausgerichtet.
       
       Die globalen Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen, wird dadurch
       deutlich schwerer. Argumente, die auf globale Gerechtigkeit, Schutz von
       Menschenrechten, transnationale Solidarität, Bereitstellen globaler
       öffentlicher Güter zielen, spielen kaum noch eine Rolle. Hoffnung auf den
       [4][Kampf gegen globale Ungleichheiten und auf ein Eindämmen der
       ökologischen Krisen] besteht wohl nur dann, wenn es gelingt, dem Erstarken
       nationalistischen Denkens etwas entgegenzusetzen.
       
       7 Jul 2025
       
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