# taz.de -- EU-Kommission stellt Klimaziel vor: Ein Schlupfloch nach dem anderen
       
       > Die EU-Kommission will bis 2040 90 Prozent weniger CO2-Ausstoß
       > versprechen. Den Weg dahin ebnet sie mit Rechentricks und Geschenken an
       > die Wirtschaft.
       
 (IMG) Bild: Die EU-Kommission um Ursula von der Leyen und Wopke Hoekstra hat nur mit vielen Kompromissen ihr Klimaziel verteidigen können
       
       Brüssel taz | Am Ende kam sogar der Klimakommissar ins Schwitzen. Während
       draußen in Brüssel eine Rekordhitze von 35 Grad herrschte, musste Wopke
       Hoekstra im gut gekühlten Pressesaal der [1][EU-Kommission] erklären,
       [2][warum er das Klimaziel für 2040 aufweicht]. „Unsere Klimapolitik war
       früher zu eindimensional“, sagte der Niederländer. „Jetzt sind wir
       pragmatischer geworden, und das ist auch besser so.“
       
       Der finale, bis zuletzt umstrittene Vorschlag der EU-Kommission sieht vor,
       dass die klimaschädlichen CO2-Emissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber
       1990 sinken sollen.
       
       Ein Teil der Anstrengung wird jedoch ausgelagert. Die EU-Staaten sollen
       nämlich das Recht erhalten, bis zu 3 Prozent der Emissionen aus dem Ausland
       anzurechnen – über „hochwertige“ internationale Emissionszertifikate.
       
       Damit verabschiedet sich die EU vom Ziel, bis 2050 aus eigener Kraft
       klimaneutral zu werden. Wenn 2040 schon 3 Prozent der Emissionen außerhalb
       Europas kompensiert werden – wie viel werden es dann zehn Jahre später
       sein?
       
       ## Frankreich kriegt Atom-Zugeständnisse
       
       Jeder Prozentpunkt weniger bedeutet rund 47 Millionen Tonnen CO2, das
       entspricht den jährlichen Emissionen Dänemarks. 3 Prozentpunkte entsprechen
       den Emissionen Österreichs und Griechenlands zusammen.
       
       Das ist nicht das einzige Schlupfloch, das die EU-Behörde nach wochenlangem
       Tauziehen mit den Mitgliedstaaten vorsieht. Unter dem Stichwort „Enabling
       conditions“ – zu gut Deutsch: Erleichterungen – kommt sie auch Deutschland
       und Frankreich entgegen. So muss die deutsche Wirtschaft das Klimaziel
       nicht flächendeckend erreichen. Einzelne Bereiche wie der Verkehrssektor
       dürfen mehr verschmutzen, wenn nur der Durchschnitt stimmt.
       
       Frankreich erhält die Zusage, [3][dass es seine Atomkraftwerke nicht nur
       als „klimaverträglich“ anrechnen, sondern auch ausbauen darf.] Dies war
       eine Forderung des französischen Staatschefs Emmanuel Macron. Er wollte das
       neue Klimaziel auf die lange Bank schieben – oder aufweichen. Nun gelobt
       Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der Industrie goldene Brücken
       zu bauen.
       
       So werden die Regeln für Subventionen gelockert. Außerdem hat von der Leyen
       angekündigt, den Emissionshandel und den Klimazoll-Mechanismus zu
       überarbeiten. Zuvor waren bereits mehrere Umwelt- und Klimagesetze des
       „Green Deal“ aufgeweicht worden. „Die Industrie und die Investoren
       erwarten, dass wir eine klare Richtung vorgeben“, begründet von der Leyen
       ihren wirtschaftsfreundlichen Kurs.
       
       ## Europäisches Umweltbüro kritisiert Rechentricks
       
       Dem Bundesverband der Deutschen Industrie geht das aber immer noch nicht
       weit genug. Das neue EU-Klimaziel erfordere „mindestens eine Verdreifachung
       der jährlichen Minderungsanstrengungen im Vergleich zu den letzten 33
       Jahren (1990–2023)“, rechnet der BDI vor. Deshalb brauche man noch mehr
       Flexibilität und keine starren Vorgaben.
       
       Genau andersherum argumentiert das Europäische Umweltbüro EEB. Mit
       „Rechentricks“ lasse sich das Klima nicht retten, warnt Mathieu Mal vom
       EEB. „Die sogenannten Flexibilitäten sind einfach nur Schlupflöcher, die
       echtes Handeln verzögern sollen.“ Je schneller die EU die Emissionen
       beschränke, desto geringer sei der Schaden fürs Klima.
       
       Kritik kommt auch aus dem Europaparlament. Grüne und Sozialdemokraten
       bemängeln, dass durch Emissionszertifikate viel Geld in dubiose Projekte
       geflossen sei, die kaum zur Senkung der Emissionen beigetragen hätten.
       Zudem ziehe die Auslagerung des Klimaschutzes in Länder außerhalb Europas
       auch Investitionen in Batterieproduktion, Solarzellen und Windkraftanlagen
       aus der EU ab.
       
       „Ob solche externen Projekte Emissionen tatsächlich dauerhaft verringern
       oder entfernen, ist zweifelhaft“, meint Tiemo Wölken von der SPD.
       Zustimmung kommt dagegen von Peter Liese (CDU). Flexible Regeln ließen das
       „extrem ambitionierte“ EU-Klimaziel realistischer erscheinen.
       
       ## Später Vorschlag macht Dänemark das Leben schwer
       
       Sorgen machen sich Liese und seine Kollegen um die kommende
       UN-Klimakonferenz in Brasilien. Bis sich die 27 EU-Staaten mit dem
       Parlament auf das neue Klimaziel für 2040 einigen, dürften noch einige
       Monate vergehen. UN-Frist für die Einreichung eines Ziels für 2035 ist
       jedoch September. Die EU läuft nun Gefahr, ohne gemeinsame Position zu
       dieser wichtigen internationalen Klimakonferenz zu fahren.
       
       „Der Rest der Welt wartet jetzt auf die EU, und deswegen ist das 2035-Ziel
       wahrscheinlich wichtiger als das 2040-Ziel“, sagt CDU-Mann Liese. „Nachdem
       die Kommission den Prozess so lange wie möglich verschleppt hat, stehen nun
       Rat und Parlament unter enormem Druck“, kritisiert der SPD-Politiker
       Wölken. „Mit dieser Taktik Ursula von der Leyens gerät eine pünktliche
       Einigung ins Wanken.“
       
       Die EU-Kommission weist das zurück. Für die Klimakonferenz sei der dänische
       EU-Vorsitz zuständig, heißt es in der Brüsseler Behörde. Nun dürften die
       Dänen mächtig ins Schwitzen kommen – sie haben erst am 1. Juli die Arbeit
       aufgenommen.
       
       2 Jul 2025
       
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