# taz.de -- Linkenpolitiker niedergeschlagen: Er steht schon wieder
       
       > Lasko Schleunung ist seit Jahren Angriffen von Neonazis ausgesetzt.
       > Diesmal landete er im Krankenhaus. Trotzdem macht der 18-jährige
       > Politiker weiter.
       
 (IMG) Bild: Lasko Schleunung vor einem Lokal in Berlin-Lichtenberg
       
       BERLIN taz | Lasko Schleunung bekommt gerade viele Medienanfragen. Manche
       wünschen sich ein Foto davon, [1][wie er verletzt im Krankenhaus liegt].
       „Frech“ findet er das. Er setzt lieber selbst einen Post aus dem
       Krankenbett ab: In Krankenhauskleidung und Rollstuhl, rechts von ihm der
       mobile Tropf, der Schlauch endet in seinem Arm, lächelt er in die Kamera.
       „Damit meine Community weiß, dass es mir gut geht“, erzählt er.
       
       Es ist Mittwoch, der 21. Mai, als der Linkenpolitiker Lasko Schleunung bei
       einem Abendspaziergang in seinem Lichtenberger Kiez bemerkt, dass ihm
       jemand folgt. Der Schüler ist in Lichtenberg für sein Engagement gegen
       rechts bekannt. Seit Jahren ist er deshalb [2][Angriffen durch Neonazis
       ausgesetzt] – und ist entsprechend wachsam, wenn er unterwegs ist.
       
       Mehrmals verschwindet die Person aus seinem Sichtfeld und taucht wieder
       auf. Als der 18-Jährige nach etwa zehn Minuten die Parkanlage eines
       Friedhofs betritt, [3][wird er rücklings niedergeschlagen]: „Ich bin dann
       mit dem Gesicht gegen einen Baumstamm geknallt.“ Das Gesicht des Angreifers
       habe er nur halb erkennen können, sagt Schleunung im Gespräch mit der taz
       zwei Tage nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus.
       
       Der Unbekannte flüchtet, Schleunung verständigt die Rettungskräfte. Wegen
       eines Schädel-Hirn-Traumas muss er fünf Tage im Krankenhaus bleiben. Der
       Täter, glaubt Schleunung, habe ihm nicht aufgelauert, sondern sich spontan
       dazu entschlossen, ihn anzugreifen: „[4][Er hat mich erkannt].“ Davon geht
       auch die Polizei aus, heißt es in einer Mitteilung. Der Staatsschutz hat
       die Ermittlungen aufgenommen.
       
       In weißem Kurzarmhemd und Jeans sitzt Lasko Schleunung vor seinem
       vegetarischen Bánh-bao-Burger in einem Café, der Chai Latte ist halb
       ausgetrunken. Der 18-jährige ist Schulsprecher, Sprecher der Linksjugend
       Solid und Bürgerdeputierter in Lichtenberg, wo er aufgewachsen ist. „Ich
       glaube, mit neun wurde ich [5][das erste Mal von Nazis verfolgt]“, erzählt
       er lachend.
       
       In der Nähe vom [6][„Sturgis“, einem rechtsextremen Szenelokal nahe des
       Lichtenberger Bahnhofs], habe er damals Plakate gemalt. Durchgestrichene
       Hakenkreuze darauf oder ‚Kein Mensch ist illegal‘. „Damals natürlich mit
       vielen Rechtschreibfehlern. Da haben sie mich erstmals durch die Straßen
       gejagt“, erzählt Schleunung. Er ist gerade erst aus dem Krankenhaus
       entlassen, der Angriff knapp eine Woche her. Dass er noch immer starke
       Kopfschmerzen hat, merkt man ihm an.
       
       2021 folgte der erste Angriff auf ihn als Mitglied der Linkspartei. Ein
       [7][ortsbekannter Neonazi] griff damals einen Infostand am Bahnhof
       Lichtenberg an, den Schleunung mitorganisiert hatte. Dabei wurde er leicht
       am Arm verletzt. Bevor der Mann um die 60 von der Polizei festgenommen
       wurde, bedachte er den damals Minderjährigen noch mit einer Geste und
       strich sich mit dem Finger über die Kehle.
       
       Ende März 2025 landet [8][die Morddrohung im Briefkasten der
       Partei-Geschäftsstelle]: „Lasko töten“ steht auf dem Zettel. Daneben „Linke
       Zecken erst bespucken, dann schlagen“. Erst zwei Tage zuvor war Schleunung
       vor dem Linken-Parteibüro in seiner Rauchpause von einer Person bespuckt
       worden. Die Polizei ermittelt.
       
       ## Es ist nicht mehr wie vorher
       
       Seitdem ist Lasko Schleunung vorsichtiger geworden: In den sozialen Medien
       postet er nur zeitverzögert, damit man ihm nicht auflauern kann. Und auch
       seine Art, sich in der Stadt fortzubewegen, musste er anpassen, noch im
       Krankenhaus hatte er ein [9][mehrstündiges Sicherheitsbriefing] mit dem
       LKA.
       
       Andere Maßnahmen, zu denen ihm die Polizei geraten hat, müssen aus
       Sicherheitsgründen geheim bleiben. So viel ist klar: Allein durch den
       Lichtenberger Ortsteil Hohenschönhausen zu laufen, wo [10][rechtsextreme
       Jugendliche besonders präsent] sind, ist für ihn keine Option mehr.
       
       Einschüchtern lassen will sich der 18-Jährige von alldem nicht, er begegnet
       den Vorfällen stattdessen mit Humor. Diesen Umgang scheint er sich von
       [11][Gregor Gysi, einem seiner Vorbilder], abgeschaut zu haben.
       
       ## Die andere Wange hinhalten
       
       Tatsächlich erkennt man Parallelen zwischen den beiden. Auch Schleunung ist
       nicht der Höchstgewachsene, seine Stimme tönt dafür umso lauter. Nicht
       unangenehm, aber er wird gehört. Er gestikuliert viel und wirkt dabei
       erfahrener als er es mit 18 Jahren sein kann. Ernst will er seine Angreifer
       nicht nehmen: „Ich biete diesen Leuten die [12][Finanzierung eines
       Anti-Aggressionstrainings] an.“
       
       Dass er das nur halb als Witz meint, merkt man schnell. Denn Lasko
       Schleunung unterscheidet sich von vielen Jugendlichen seines Alters nicht
       vornehmlich durch sein vielfältiges Engagement, etwa in Suppenküchen,
       [13][für Tierschutzprojekte] oder in der Linkspartei. Sondern vor allem
       wegen seiner Bereitschaft, auch mit Menschen zu sprechen, die ihm feindlich
       gesinnt sind.
       
       Einen anderen Jugendlichen, der ihn auf der Straße beleidigt hat, habe er
       einmal gefragt, [14][was ihn denn so unzufrieden mache]. „Dann hat er mir
       tatsächlich ein bisschen was Privates erzählt.“ Unter anderen Umständen, so
       glaubt Schleunung, hätten die beiden sich gut verstehen können. „Leider ist
       er dann doch gegangen. Was ich erzähle, sei sowieso ‚alles Dreck‘ meinte
       er.“
       
       Bei einer [15][Demo gegen Querdenker:innen in Karlshorst] vor ein paar
       Jahren, die Schleunung mitorganisiert hat, wurde er von einer Person mit
       einem Faustschlag attackiert. Mit anderen Personen aus der Querdenken-Demo
       ging er später zwei Stunden nach Hause und diskutierte. „Wenn man sich
       heute auf der Straße sieht, nickt man sich freundlich zu.“
       
       ## Schleunung will die CDU verklagen
       
       Schleunungs für [16][junge Linke vielleicht ungewöhnliche Versöhnlichkeit]
       gegenüber Rechten hat etwas Pastorales. Menschenverachtendes Gedankengut
       verabscheut er, und doch bleibt seine Tür weiter offen. Denn viele sehr
       junge Leute bekämen rechte Haltungen vor allem in Familie und Partnerschaft
       mit und übernähmen diese, davon ist er überzeugt.
       
       „Diesen Hass muss man versuchen, zu durchbrechen.“ Das pastorenhafte
       Auftreten ist wohl kein Zufall: Schleunung ist praktizierender Christ, geht
       regelmäßig zur Kirche und ist aktiv in der Gemeinde.
       
       Für ihn ist das [17][kein Widerspruch zum Linkssein]: „Christlich zu sein
       hat was mit Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Vielfalt und Weltoffenheit zu
       tun.“ Die CDU würde er deshalb gerne verklagen: „Die sind nicht christlich,
       das ist doch Trickbetrug.“ Kritisch sieht er etwa die Haltung der Union zu
       Schwangerschaftsabbrüchen: „Christen sollten sich nicht so viel
       rausnehmen.“ Paragraf 218, der Abtreibungen unter Strafe stellt, müsse auf
       jeden Fall weg, Jesus hätte das auch so gesehen, glaubt er.
       
       Dass der 18-Jährige aber nicht immer die Gesprächsbereitschaft in
       Menschenform verkörpern will, lässt sich [18][auf seinem TikTok-Account]
       sehen: Prominent platziert findet sich dort ein Video, in dem er einer
       rechtspopulistischen Influencerin ein „Demo gegen Links“-Plakat entreißt.
       Zerrissen landet es im Müll. „Braune Scheiße brauchen wir hier nicht“, sagt
       Schleunung stolz in die Kamera.
       
       ## Liebe zum Osten
       
       Seine Familie stammt aus Brandenburg, wo die AfD bei den Landtagswahlen
       2024 fast 30 Prozent holte. Die Unzufriedenheit mancher AfD-Wähler:innen
       könne er verstehen, gerade im Osten, sagt er: „Viele Senioren fühlen sich
       alleingelassen. Die haben ein Leben lang gearbeitet und [19][können von
       ihrer Rente jetzt trotzdem nicht leben]. Und infrastrukturell sind Ost und
       West noch immer nicht gleichgestellt.“
       
       AfD-Wähler:innen pauschal mit Nazis gleichzusetzen, hält er für
       problematisch. Aber auch ihm macht der Osten Sorgen. „Ich liebe
       Ostdeutschland, aber auch ich verbinde es leider mit Nazis.“
       
       Das gelte ebenso für Lichtenberg. Dort sind die [20][rechtsextreme Partei
       „Der Dritte Weg“] und die Neonazi-Gruppe „Deutsche Jugend Voran“ (DJV)
       besonders aktiv. Manche von ihnen kennt Lasko Schleunung persönlich. In
       rechten Chatgruppen kursieren Bilder von ihm im Fadenkreuz. „Es gibt
       natürlich auch an meiner Schule ein paar Nazis und die hassen mich
       abgrundtief.“ Angst mache ihm das nicht, sagt er. „Ich habe so viele linke
       Freunde. Wir könnten die innerhalb von Sekunden verscheuchen.“
       
       Doch die Gewalt, die er immer wieder erfahren hat, hinterlässt ihre Spuren:
       „[21][Ich habe Angst, draußen zu sein]“, gibt er zu. Tagsüber sei es nicht
       so schlimm, doch auch in seinem Lieblingscafé kann er nicht mehr richtig
       loslassen. „Ich sitze ungern am Fenster und niemals mit dem Rücken zur
       Tür.“ Aber er erlaubt es sich nicht, die Angst an sich heranzulassen. „Ich
       würde daran kaputtgehen. Dann könnte ich aufhören mit Politik.“
       
       Das ist für den ambitionierten Zwölftklässler aber keine Option: „Ich habe
       [22][sowieso keine Zeit für Schule]“, regelmäßig müsse er für Interviews
       oder Sitzungen freigestellt werden. Deshalb will er nach der 12. erst
       einmal eine Schulpause einlegen und ein Praktikum machen. Dann Fachabi und
       „was Soziales„studieren.
       
       Letztlich will Lasko Schleunung aber nach ganz oben: 2061 will er es zum
       Kanzler geschafft haben. Er packt den linken Stammtischsprech aus: „Es
       reicht mit den alten Säcken, die einen auf christlich machen.“
       
       Dass er 2061 selbst schon 54 sein wird, stört ihn wenig. „Immer noch 15
       Jahre jünger als Friedrich Merz jetzt.“ Von seinem Vorbild Gregor Gysi hat
       Lasko Schleunung offensichtlich gelernt, wie man unterhaltsam über
       Politisches spricht. Doch lernt man ihn kennen, versteht man, die Sache mit
       dem Kanzler ist kein Witz.
       
       4 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
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