# taz.de -- Rechtsextreme Jugend: Rückkehr der Springerstiefel
       
       > Von der Propaganda auf Tiktok zur Aktion auf der Straße: Eine rechte
       > Jugendkultur breitet sich aus und bringt neue Gruppen zum Vorschein.
       
 (IMG) Bild: Eigentlich ausgestorbenes Neonazi-Symbol
       
       Berlin taz | Für 28 junge Neonazis, [1][die am Samstag den CSD stören
       wollten], endete das Unterfangen, bevor es überhaupt begonnen hatte. Die
       einheitlich in Schwarz gekleidete und teilweise vermummte Gruppe wurde,
       noch während die Parade startete, von der Polizei am Potsdamer Platz
       festgesetzt. Nach einer vierstündigen Bearbeitungszeit ging es für die
       Rechten in die Gefangenensammelstelle. Dort wurden am Abend zunächst die 14
       Minderjährigen entlassen, der Rest der Gruppe folgte um Mitternacht.
       
       Trotz des Scheiterns feiern sich die Neonazis für ihren Auftritt im Netz.
       Auf Instagram und Tiktok veröffentlichte der Account „Deutsche Jugend
       Voran“ (DJV) Bilder des Polizeikessels mit Kommentaren wie „Berlin bleibt
       stolz“.
       
       Während der Slogan schon vor Jahren von der Partei [2][Dritter Weg]
       verwendet wurde, ist eine Gruppe unter diesem Namen neu. Ihre Onlinekanäle
       werden erst seit Anfang Juli bespielt. Zuspruch kommt von anderen Rechten,
       die Kommentarspalten mit dem Okay-Emoji fluten – ein Zeichen, das als
       „White Power“-Geste verwendet wird. Damit posierten auch die beim CSD
       festgesetzten Rechten.
       
       Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) spricht auf taz-Anfrage
       von einem „neu entstandenen Zusammenschluss von überwiegend sehr jungen,
       aktionsorientierten Rechtsextremen“, der auch schon durch „Propaganda im
       Stadtbild“ aufgefallen sei. Laut Tagesspiegel wurde vor dem CSD intern
       mobilisiert. Dabei wurden Teilnehmer als Pädophile bezeichnet – der Hass
       auf alles Queere hat Hochkonjunktur bei jungen Rechten. Mit einer
       „Begleitung“ durch die Polizei rechnete man. Augenscheinlich ging es vor
       allem um Aufmerksamkeit und die Anwerbung von rechtem Nachwuchs.
       
       ## Zuspruch für Rechte
       
       Dass das Potenzial dafür groß ist, haben zuletzt etwa [3][Schülerwahlen]
       vor der Europawahl gezeigt, bei der die AfD in Berlin auf 11,5 Prozent kam
       und in den ostdeutschen Bundesländern mit bis zu 30 Prozent an der Spitze
       lag. Ebenso zeigte eine im Frühjahr veröffentlichte Studie eine
       Verdoppelung der AfD-Wahlabsicht unter jungen Leuten auf 22 Prozent
       innerhalb eines Jahres. Auf der beliebtesten Plattform der Jugendlichen –
       [4][Tiktok – haben Rechte mit und ohne Parteianbindung seit Jahren die
       größte Reichweite] unter den politischen Accounts.
       
       Und das hat Folgen: Die Zahl der registrierten [5][rechtsextremen Vorfälle
       an Berliner Schulen ist von 41 im Jahr 2021 auf 78 im vergangenen Jahr
       gestiegen, wie zuletzt eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Ferat Koçak]
       ergab. Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) hatte im April im
       Verfassungsschutzausschuss über die Bedrohungen von Schulen und
       Jugendeinrichtungen durch Rechtsextreme gesprochen. Als Akteure der
       Präventionsarbeit gerieten diese in den Fokus. Es gehe um die
       Einschüchterung von politischen Gegnern und den Versuch, eine
       Vormachtstellung in den Kiezen zu erlangen.
       
       Es entsteht offensichtlich eine neue rechte Jugendkultur – man sieht sie
       auf den Straßen, je weiter man sich von Berlins Zentrum wegbewegt. Vor
       allem in ländlichen, ostdeutschen Regionen sind dabei selbst fast schon
       ausgestorbene Nazi-Insignien wie [6][Springerstiefel] zurück. Die MBR
       spricht von einer „zunehmenden Normalisierung einer rechten Identität mit
       entsprechenden Ausdrucksformen“. Jugendeinrichtungen fühlten sich
       angesichts eines zunehmend selbstbewussten Auftretens rechtsextremer
       Jugendlicher „teilweise an die Zustände wie in den 1990er Jahren erinnert“.
       
       ## Direkte Ansprache im Netz
       
       Der Weg zu rechten Organisationen ist insbesondere im Netz kurz. Oft ist es
       nur eine Deutschlandfahne, ein zur Schau gestellter Patriotismus, mit dem
       sehr junge User posieren, und die sich dann von queerfeindlichen oder
       rassistischen Aktionen rechtsextremer Gruppen ansprechen lassen. Für eine
       Handvoll Posts mit Halbstarken und rechten Symbolen hat die „Deutsche
       Jugend Voran“ mehr als 2.000 Follower bei Instagram eingesammelt.
       
       Für die MBR ist es ein „Wechselspiel“ zwischen online und offline. So
       hätten Rechtsextreme „früher als andere erkannt, dass soziale Medien eine
       geeignete Plattform sind, um mit jungen Menschen in ihrem Alltag direkt in
       Kontakt zu treten“. Die beständige Präsenz rechter Positionen könne „dazu
       beitragen, die Schwelle zum Handeln zu senken“.
       
       Von den Followern der DJV haben mehr als 100 einen offensichtlichen Bezug
       zum Fußballverein Hertha BSC und dessen Fanszene – darauf hat ein
       antifaschistischer Herthaner in einem Post aufmerksam gemacht. Laut Gerd
       Graus, Sprecher des Landessportbundes, ist die Gruppierung den
       Mitarbeiter:innen des für die Fanszenen von Hertha und des BFC Dynamo
       zuständigen Fanprojekts bekannt. Gleichwohl sei eine vermehrte
       Einflussnahme von Rechtsextremen auf Herthas Fanszene derzeit nicht
       festzustellen.
       
       ## Stark wollen sie sein
       
       Dass Fußball als Politisierungs- und Rekrutierungsraum für junge Rechte
       trotzdem wichtig bleibt, zeigt eine weitere Gruppe. „JS – Jung und stark“.
       Ein vermeintlicher Initiator hatte auf seinen Profilen zuvor fast
       ausschließlich Inhalte des 1. FC Union Berlin gepostet.
       
       Nun wirbt der Mann, der das Nazi-Symbol Schwarze Sonne auf der Hand
       tätowiert hat, offensiv um „zuverlässige Jungs“ ab 16 Jahren für eine
       „patriotische Gemeinschaft“. Im Netz sieht man Gruppen mit
       Deutschlandfahne. Nach taz-Informationen sind die JS-Mitglieder auch schon
       durch rassistische Parolen in der S-Bahn und das Verbreiten rechter Sticker
       aufgefallen.
       
       Noch aber sind die neuen Gruppen nicht auf dem Aktionslevel wie die
       Nachwuchsorganisation des „Dritten Wegs“, die „[7][Nationalrevolutionäre
       Jugend]“ (NRJ). Kaum eine Gruppe prägt derzeit so stark das rechtsextreme
       Bild einer „[8][Kampfgemeinschaft]“.
       
       Mehrfach veranstaltete die NRJ öffentliche Kampfsporttrainings, laut einer
       Recherche des [9][Tagesspiegel]s findet zudem zweimal wöchentlich ein
       Training in einem Sportkomplex in Weißensee statt. Beteiligt seien dabei
       bekannte Kader sowie „junge Männer, die bislang nicht auf
       Neonazi-Aufmärschen aufgefallen sind“.
       
       Richtigstellung: In einer früheren Version haben wir geschrieben, dass
       Mitglieder der NRJ Antifaschist:innen am Ostkreuz überfallen und im
       vergangenen Jahr auch Teilnehmer des CSD angegriffen haben sollen. Für
       diese Tatsachenbehauptungen bestehen keine ausreichenden Beweise. Wir
       bitten dies zu entschuldigen. Die Redaktion
       
       30 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Pride-Paraden-in-Berlin/!6023801
 (DIR) [2] /Dritter-Weg-in-Berlin/!5949317
 (DIR) [3] https://www.juniorwahl.de/europa-2024.html
 (DIR) [4] /Social-Media-gegen-rechts/!6003033
 (DIR) [5] /Rechtsextreme-Vorfaelle-an-Schulen/!6025879
 (DIR) [6] /Neonazi-Strukturen-um-Grevesmuehlen/!6018606
 (DIR) [7] /Razzia-bei-Neonazipartei-Dritter-Weg/!6020758
 (DIR) [8] /Rechte-Kampfsportclubs/!6019902
 (DIR) [9] https://www.tagesspiegel.de/berlin/vom-bezirksamt-berlin-pankow-geduldet-neonazis-trainieren-hinter-der-grundschule--und-behorden-schauen-zu-12054764.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erik Peter
       
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