# taz.de -- Bernadette La Hengst über ihr Songbook: „Irgendwann merkt man, ob das Baby geboren werden will“
       
       > Mit ihrem Liederbuch „Warum ich so laut singen kann“ ist Bernadette La
       > Hengst auf Tour. Das soll auch die Geschichte ihrer Generation erzählen.
       
 (IMG) Bild: Wo auch immer: Bernadette La Hengst singt
       
       taz: Bernadette La Hengst, Lieder ohne die Musik sind manchmal schwierig zu
       lesen… 
       
       Bernadette La Hengst: Ich finde, die meisten Texte [1][lesen sich sehr
       gut.]
       
       taz: Wie haben Sie denn dann aus Ihren 300 Songs jetzt 100 ausgewählt? 
       
       La Hengst: Ich wollte chronologisch meine Entwicklung als Songschreiberin
       zeigen, von der jugendlich verträumt Suchenden über die [2][selbstironische
       und feministische „Die Braut haut ins Auge“-Sängerin] bis hin zu meinen
       politisch expliziteren Soloalben. Das Buch erzählt also auch in den
       Anekdoten neben den Songtexten meine persönliche Geschichte der letzten 38
       Jahre als Songschreiberin und die Geschichte meiner Generation ab den
       1980er-Jahren, von der Provinz bis in die Metropolen, über Visionen,
       Träume, Utopien, zwischen [3][privat und politisch].
       
       taz: Haben die alten Lieder denn noch so viel Relevanz? 
       
       La Hengst: Mit den meisten „Braut“-Songs und meinem jungen Ich kann ich
       immer noch viel anfangen. Ich versuche, mir und meinen großen Themen –
       Liebe und Revolution in den Verwirrungen der Welt, Beziehungen,
       Freundschaft, Selbstermächtigung, Abschiedsschmerz und Neuanfang – treu zu
       bleiben, statt Trends hinterherzurennen. Die eigene Vergänglichkeit war das
       Thema in dem Song „Blätter und Menschen“, als ich mit Ende 20 bemerkte,
       dass mein Körper von mir einfordert, mehr auf mich achtzugeben. Selfcare
       sagt man heute dazu.
       
       taz: Wird Texte zu schreiben mit der Zeit einfacher oder schwieriger? 
       
       La Hengst: Beides. Ich kann darauf vertrauen, dass ein Text irgendwann eine
       gewisse Qualität bekommt, aber fühle mich oft wieder wie eine Anfängerin.
       Dann lasse ich den Text ein paar Tage liegen. Irgendwann merkt man, ob das
       Baby geboren und in die Welt geschickt werden will. Ein gutes Lied oder ein
       guter Text ist für mich dann gelungen, wenn es mich überrascht.
       
       taz: Wie und wann schreiben Sie Ihre Texte? 
       
       La Hengst: Für Theatermusik oder die partizipative Arbeit mit den Chören
       versuche ich, täglich strukturiert daran zu arbeiten. Frühmorgens bin ich
       nicht so kreativ, eher am Nachmittag oder am Abend. In mein Notizbuch
       schreibe ich Songtextideen oder Themen. Seit ich mehr für Projekte
       schreibe, muss ich für Muße sorgen, um mir Songs auszudenken, die nicht
       zweckgebunden sind.
       
       taz: Was kommt zuerst, eine musikalische Idee, oder ein inhaltlicher
       Funken? 
       
       La Hengst: Ich glaube, dass ein guter Songtext sich von selbst in Musik
       einfügt, weil er in sich schon einen bestimmten Rhythmus hat und
       Melodiebögen, die ich in den Worten immer mitdenke. Manchmal nehme ich auch
       Musik ohne Text auf, es entspannt mich, einfach so mit Akkorden, Sounds,
       Beats und Melodien rumzuspinnen. Manchmal kommt erst Monate später eine
       passende Textidee. Das ist dann eine schöne Überraschung.
       
       taz: Welche Erfahrungen haben Sie mit der Wirkung von gemeinsamem Singen
       gemacht? 
       
       La Hengst: Die Sänger*innen meines „Chors der Statistik“ in Berlin
       bestätigen mir immer wieder, dass sie durch mich ihre Angst verloren haben,
       in der Öffentlichkeit laut zu singen. Bei der Mahnwache gegen
       Obdachlosigkeit und Zwangsräumung vor dem Roten Rathaus oder am
       [4][Internationalen Frauentag], da haben wir mit 100 Frauen zusammen
       feministische Hymnen geschmettert.
       
       taz: Wie ist das Musikmachen mit der eigenen Tochter? 
       
       La Hengst: Meine Tochter Ella Mae schreibt sehr eigene und gute Gedichte
       und Kurzgeschichten. Sie ist auch eine fantastische und leidenschaftliche
       Sängerin und spielt Klavier, will aber keinen Beruf daraus machen.
       
       30 Apr 2025
       
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